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# taz.de -- Wie es mit deutscher Braukunst weitergeht: Die Zukunft des Bieres
> Trinken wir künftig nur noch Fernsehbier? Werden alle Kleinbrauereien
> platt gemacht? Und was ist eigentlich ein typisch deutsches Bier? Ein
> Subkulturbrauer und ein Bierprofi antworten.
Bild: Gelb, klar, haltbar - so muss ein Bier aussehen, findet Rudolf Caspary.
Seit ein paar Wochen ist er Brauer. Seinen Namen will er nicht in der
Zeitung lesen. Er weiß nicht, ob er überhaupt selber Bier herstellen und
das Gebräu ausschenken darf. Schließlich ist er kein gelernter Brauer,
sondern hat sich alles selbst beigebracht. Im Berliner Bezirk
Friedrichshain betreibt der 40-Jährige mit Freunden seit Jahren schon ein
kleines Kino. Wenn er Dienst hat, ist er auch für den Schankraum vor dem
Kinosaal zuständig, steht am Zapfhahn, lässt Wernesgrüner oder Berliner
Pils in die Gläser laufen. Das Geschäft läuft nicht schlecht. Ende
vergangenen Jahres hat er zum ersten Mal ein Fass Selbstgebrautes an die
Zapfanlage angeschlossen. Das dunkle Bier ist gut angekommen bei den
Gästen. Die Braukessel hat sich der Tüftler, der sich über Jahre mit der
Wartung alter Filmvorführgeräte beschäftigt, selbst zusammengeschraubt.
Bald ist der nächste Sud fertig. Er hofft, dass sein Dunkles bald schon so
gut ist wie die tschechischen Biere, von denen er so schwärmt.
Rudolf Caspary lächelt milde, als er sich die Geschichte des
Subkulturbrauers anhört. "Man muss das Bier nicht neu erfinden", sagt er,
"und das Brauen schon gar nicht." Caspary baut Brauereien. Er ist
Bierprofi, dessen Rat überall auf der Welt gefragt ist. Er baut große
Industrieanlagen ebenso wie kleine Braukessel für Gasthausbrauereien. Auch
er träumt vom perfekten Bier. Er schwärmt von den Möglichkeiten, die gerade
diese Minibrauereien bieten, die nur für den Bedarf einer einzigen
Gaststätte produzieren. Deshalb findet er den Berliner Freak nicht nur
naiv. Caspary ist fasziniert von Menschen, die auf der Suche nach der
Zukunft des Biers sind. Solange es solche gibt, wird auch er mit seiner
Firma ein gutes Auskommen haben.
Auslandsgeschäft boomt
Die macht einen Großteil ihres Geschäfts im Ausland. Caspary-Anlagen stehen
in Russland, in China, auf den Philippinen oder in Thailand. Meist sind es
Gasthausbrauereien, betrieben von einem deutschen Brauhaus, das durch den
Ausschank die eigene Marke bewerben will. So stehen in Peking, Manila oder
Schanghai Produktionsstätten der Münchner Paulaner-Brauerei, mit der
Caspary oft zusammenarbeitet. Das Geschäft funktioniert. Dass das nicht nur
an der Qualität des Biers liegt, weiß Rudolf Caspary. Die deutsche Ess- und
Trinkkultur profitiere vor allem im Fernen Osten von einem gewissen
"Exotenbonus". Eine gewisse Vorstellung von Deutschland habe man überall
auf der Welt. Auch, dass Deutschland eine große Biertradition habe, sei
bekannt. Aber Vorstellungen davon, was ein typisch deutsches Bier ausmache,
die gebe es nicht.
Rudolf Caspary sitzt im Airbräu am Münchner Flughafen. Am Übergang zwischen
den zwei Terminals hat seine Firma eine Wirtschaft mit Mini-Brauerei
eingerichtet. "Ein unmöglicher Ort", weiß der Ingenieur, "aber ich mag
ihn." Er spricht von den Schwierigkeiten bei der Einrichtung des
Schankraums. Auch die hat er mit seinem Betrieb besorgt. Ein Gasthaus zum
Wohlfühlen in der Glas- und Stahlwelt des Airports stylen sei nicht einfach
gewesen. Aber eben auch nicht wirklich schwierig. Denn in der Mitte des
Gastraumes stehen die zwei kupfernen Braukessel. "Da kann man eigentlich
nichts falsch machen, das sieht immer gut aus", sagt der schlanke,
grauhaarige Mann, der so frisch aussieht, als sei er einer Infobroschüre
über gesundes Altern entsprungen. Es ist elf Uhr vormittags. Im Airbräu
sind etwa ein Viertel der Tische besetzt. An beinahe jedem wird Bier
getrunken. "Es funktioniert", freut sich Caspary. So wie es bei den meisten
der 140 Brauereien funktioniert, die er bisher gebaut hat. In einer
Gasthausbrauerei wird pro Quadratmeter Gastraum mehr als zehnmal so viel
Bier ausgeschenkt als in einer normalen Gaststätte.
Bier trinken hat Zukunft. Davon ist Caspary überzeugt, auch wenn er weiß,
dass die Absatzzahlen der deutschen Brauereien seit Jahren rückläufig sind.
Im Jahr 2007 wurde nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes in
Deutschland so wenig Bier getrunken wie schon seit 16 Jahren nicht mehr.
Etwas über 103 Millionen Hektoliter wurden verkauft, das entspricht einem
Pro-Kopf-Verbrauch von 113 Litern. Zuwächse gab es nur im Bereich der
sogenannten Bier-Mischgetränke. Doch die konnten die Verluste insgesamt
nicht ausgleichen. Große Hoffnung setzen die Hersteller dieses Jahr auf
alkoholfreie Biermixgetränke, Getränke also, die mit dem herkömmlichen Bier
nur noch wenig gemein haben. Immer besser kommt das Bier indes bei
Jugendlichen an. Die "Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen
Drogen (Espad)" hat festgestellt, dass bereits 66,8 Prozent der Neunt- und
Zehntklässler regelmäßig Bier trinken. Mit Biergenuss im wörtlichen Sinn
dürfte deren Konsumverhalten allerdings nur wenig zu tun haben. "Können Sie
mir sagen, warum Sie ein bestimmtes Bier trinken?", fragt Caspary. Er
erwartet keine Antwort. Dann erklärt er, worauf es bei einem
"Industriebier" ankommt. "Das Wichtigste ist die Haltbarkeit." Klar und
hellgelb müsse es sein. Diese Kriterien erfüllen alle großen Biere in
Deutschland. Und der Geschmack, der muss massenkompatibel sein. "Wenn Sie
nicht beschreiben können, wie ein Bier schmeckt, dann schauen Sie doch auf
das Etikett, da steht es meistens drauf." Ein Bewusstsein für den Geschmack
eines Bieres hat sich im Land der Biertrinker nicht entwickelt. Die
"Fernsehbiere" würden meist über die Glaubwürdigkeitsschiene beworben. Da
sieht man Wasser plätschern, das Getreide wiegt sich im Wind und nicht
selten ist auch ein Braumeister zu sehen, der noch eine Hopfendolde zur
Maische in den Kessel gibt. Ein Bier muss echt sein, dann wird es gekauft.
Auf Bierempfehlungen von Gastrokritikern könne man getrost verzichten. "Was
soll denn da drinstehen?", fragt Caspary.
Kein Wunder also, dass das Brauereisterben in Deutschland weitergeht. Immer
weniger unabhängige Brauereien können sich den Übernahmeangeboten der
Getränkekonzerne verweigern. Die belgische InBev-Gruppe ist als großer
Global Player auch am deutschen Markt überaus präsent. Mit den
Traditionsmarken Löwenbräu, Becks, Hasseröder, Franziskaner oder Diebels
sind die Belgier der zweitgrößte Bierproduzent Deutschlands mit einem
Ausstoß von 9 Millionen Hektolitern pro Jahr. Größter Bierhersteller ist
die Radeberger-Gruppe mit einem Marktanteil von über 14 Prozent. An 14
Standorten werden knapp 15 Millionen Hektoliter Bier im Jahr gebraut, unter
anderem die Marken Jever, Schöfferhofer, Tucher oder Brinkhoffs. Bis 2010
strebt die Radeberger-Gruppe einen Marktanteil von 20 Prozent an. Auf dem
Weltmarkt ist sie dabei eine kleine Nummer. Der wird von der InBev
dominiert, die in 130 Ländern aktiv ist und bei einem Absatz von 275
Hektolitern im Jahr 2007 insgesamt 14 Milliarden Euro umgesetzt hat. Mit
der Marktkonzentration ist auch eine Vereinheitlichung des Geschmacks
verbunden. So ist das deutsche Industriebier beinahe zu einem
Einheitsgebräu geworden. Kleine Brauereien werden geschluckt, große
Braukonzerne entstehen. In den Regalen der Getränkemärkte wird immer ein
Gebräu stehen, das nach Bier schmeckt, das den Erwartungen der meisten
Konsumenten gerecht wird. Welcher Konzern, welche Investoren hinter den
Marken stehen, das interessiert den Konsumenten nicht. Weil die deutschen
Brauereien ihr Land nie verlassen hätten, werden die bekannten Marken bald
alle in ausländischer Hand sein. "Die deutschen Brauereien haben die
Chancen der Globalisierung nicht erkannt. Jetzt sind sie selbst Objekt von
Übernahmefantasien ausländischer Investoren." Caspary weiß, wovon er
spricht. Er stammt aus einer Brauerdynastie in Trier. Deren Brauhaus,
gegründet 1788, wurde vor beinahe 30 Jahren von einer Großbrauerei
übernommen. Die Marke Caspary verschwand vom Markt. Die große Bierindustrie
frisst die kleinen Braustätten. Sie sieht ihre Zukunft in den
Fernsehbieren.
Ruhig mal was wegkippen
Eine Zukunft haben aber auch die Biere der kleinen Mini-Brauereien, davon
ist Caspary überzeugt. "Was brauche ich die ganze Großstadt", sagt er,
"wenn ich 2.000 Leute habe, die mich gut finden." Er schaut durch das
Airbräu. "Ist Ihnen aufgefallen, dass hier ganz wenige Koffer stehen?",
fragt er. Nicht nur Reisende trinken ein schnelles Bier am Flughafen. Das
Airbräu kommt bei den Bewohnern der näheren Umgebung an. Der Anteil der
Reisenden am Umsatz liegt bei 50 Prozent. Es könnte am ungefilterten Bier
liegen. Am eigenen Geschmack des "Flieger-Quells" oder des Weißbiers, des
"Kumulus".
Ja, das Bier sei schon nicht schlecht, sagt Caspary, der seine Firma im
Chiemgau, im tiefsten Oberbayern, angesiedelt hat. "Aber die Möglichkeiten
sind bei weitem nicht ausgeschöpft." Die Braumeister müssten einfach mehr
ausprobieren. Wenn sie einen Sud wegkippen müssen, dann sei das doch nicht
schlimm. 200 Euro koste das, mehr nicht. "Die müssten einfach anders
denken." Ein bisschen so vielleicht wie der Berliner Tüftler, der demnächst
wieder ein Fass Selbstgebrautes an den Hahn seiner Kneipe hängen will.
22 Apr 2008
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Bier
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