| # taz.de -- Die Wahrheit: Die ganz spezielle Spezialsoße | |
| > Tagebuch einer Scharfesserin: Wenn es mit der Girl Gang zum neuen, schwer | |
| > gehypten Chinesen geht, gibt es essens- und sprachtechnisch kein | |
| > Entrinnen. | |
| Ach Zuckerpuppe, dit krieg’n wa hin“, tröstete mich der Café-Betreiber | |
| meines Vertrauens nach dem samstäglichen Markt, schnappte sich meinen | |
| Hackenporsche, knallte ihn neben den Tisch einer allein sitzenden Dame und | |
| schrie sie an, dass die Marktstände bebten: „Die setz ick jetz’ ma hier | |
| hin, die braucht’n Platz!“ Die Dame nickte erstaunlich gelassen, während er | |
| mit Blick in mein entsetztes Gesicht und den Worten „Wat guckste? Die B. is | |
| total schwerhörig!“ zurück ins Café verschwand. | |
| Im Lauf der nächsten Stunde, in der ich das Brüllen übernahm, schlossen B. | |
| und ich Freundschaft; der Reaktion nach schien unsere zwangsläufig | |
| mithörende Umgebung mit dem Unterhaltungswert unseres Gesprächs zufrieden. | |
| Am Abend dann besuchte ich mit meiner Girl Gang endlich einen neuen, schwer | |
| gehypten Chinesen, dem der Ruf vorauseilte, die gnadenlos schärfste aller | |
| Szechuan-Style-Küchen zu bieten. Auf den Fotos der Speisekarte glänzten | |
| Wok-Gerichte, deren Hauptzutaten flächendeckend unter von der EU längst als | |
| gesundheitsgefährdend verbotenen und ins Land geschmuggelten Chilistücken | |
| begraben lagen. Aber bekanntlich ist Dabeisein ja alles, was unsere | |
| Leidensbereitschaft ins geradezu Märtyrerhafte steigerte. Wir waren bereit! | |
| Wer kann sich schon damit brüsten, die derzeit angesagteste Chili Challenge | |
| überlebt zu haben? | |
| Während wir reichlich alkoholische Getränke und ausreichend Löschwasser | |
| bestellten, begann E., unsere berüchtigte Feinschmeckerin, Fachfragen zu | |
| stellen. E. ist nicht nur gebürtige Kubanerin und nach einigen heftigen | |
| Krankheitsattacken inzwischen geheilt, sondern sie spricht auch acht | |
| Sprachen, denn während der häufigen Rekonvaleszenzen war ihr langweilig. | |
| Bliebe noch zu erwähnen, dass sie zu neunzig Prozent blind ist. | |
| ## „Sorry, ist mein erster Tag heute“ | |
| Kaum wurden die ersten Köstlichkeiten serviert, verlangte sie streng nach | |
| irgendeiner superspeziellen Spezialsoße. Der von ihrem etwas starren Blick | |
| verunsicherte Kellner murmelte so was wie „Sorry, ist mein erster Tag | |
| heute“ und rief zur Unterstützung Personal herbei, das von E. umstandslos | |
| nach Gehör als chinesisch identifiziert und prompt in dessen Landessprache | |
| zugeschwallt wurde. | |
| Die Entdeckung von E.’s Sprachfähigkeiten blieb nicht ohne Folgen. Zur | |
| Belohnung bekamen wir die Originalchinesen vorbehaltene | |
| „Letalscharf-Behandlung“ und keuchten den anderen, inzwischen leicht | |
| besorgt wirkenden Gästen was vor, während heißer Dampf aus unseren Mündern | |
| quoll. | |
| E. nutzte die Gelegenheit, in Übung zu bleiben, und machte fleißig weiter | |
| Konversation, so erfuhren wir die Lebensgeschichten und Familienstammbäume | |
| des Personals, freundeten uns mit den chinesischen Boys am Nebentisch an | |
| und haben jetzt ein neues Lieblingslokal. | |
| Beim nächsten Besuch laden wir meine neue Freundin B. aus dem Café ein, und | |
| gemeinsam zünden wir dann auch in puncto Lautstärke die nächste Stufe. | |
| 7 Aug 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Pia Frankenberg | |
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