| # taz.de -- Ausstellung „Stand Up!“ in Hannover: Wenn sich die Frau aufs B�… | |
| > Eine Schau über feministische Avantgarde in Hannover zeigt, wie humorvoll | |
| > Künstlerinnen der 1970er das Bild der Frau in Alltag und Kunst | |
| > verarbeiteten. | |
| Bild: Ulrike Rosenbachs „Art is a criminal action No. 4“ von 1969 | |
| Aktuell scheint eine kleine Welle von Ausstellungen bekannter wie auch | |
| vergessener Künstlerinnen niedersächsische Kunstinstitutionen zu erfassen. | |
| In Braunschweig ist es Sine Hansen (1942–2009), Pionierin der Pop-(und | |
| Op-)Art, sie wird [1][im Kunstverein begleitet von der US-Amerikanerin B. | |
| Ingrid Olson], Jahrgang 1987, mit dezidiert feministischem Elan. | |
| Das Sprengel-Museum in Hannover bereitet nach der Würdigung der lange | |
| verkannten Hannoveranerin Grethe Jürgens (1899–1981) gerade eine | |
| Präsentation von Niki de Saint Phalle (1930–2002) vor, zusammen mit Yayoi | |
| Kusama und Takashi Murakami: „Love You for Infinity“. | |
| Auch [2][Niki de Saint Phalle] betrachtete ihr Werk unter emanzipativen bis | |
| feministischen Aspekten. Somit ist es klug gesetzt, dass derzeit mit | |
| [3][„Stand up!“ die „Feministische Avantgarde“ ab den 1970er-Jahren im | |
| Sprengel-Museum gezeigt wird]. Die rund 150 ausgestellten Arbeiten kommen | |
| aus der „Sammlung Verbund“ des gleichnamigen österreichischen | |
| Energieversorgers. Die Gründungsdirektorin des Kunstfundus, Gabriele Schor, | |
| erhielt ab 2004 freie Hand, um diesen für eine Unternehmenssammlung | |
| ungewöhnlichen Schwerpunkt abseits marktsicherer männlicher Heroen der | |
| Gegenwartskunst setzen zu dürfen. | |
| Schor konzentriert sich auf den Bereich der (inszenierten) Fotografie, eine | |
| Domäne weiblich Kunstschaffender, da nicht von einer langen männlichen | |
| Tradition dominiert. Hinzu kommen Zeichnung, Video und Objektkunst, der | |
| Entstehungszeitraum datiert bis in die frühen 1980er. Die Bandbreite reicht | |
| von bekannten feministischen Positionen etwa der Wienerin Valie Export bis | |
| zu den poetischen Ausdrucksformen einer Francesca Woodman (1958–1981). In | |
| den USA und Italien aufgewachsen, verzichtete sie auf plakative Feminismen | |
| zugunsten verschlüsselter Tableaux Vivants, die sie in der Natur oder | |
| verlassenen Architekturen in Szene setzte. | |
| Schor spürte bei ihren Ankäufen Parallelen zwischen internationalen | |
| Künstlerinnen nach, die ihnen selbst wohl nicht bewusst waren. Weltbekannt | |
| ist ja die US-Amerikanerin Cindy Sherman für ihre fiktiven, zunehmend | |
| parodistischen Rollen, in denen sie sich seit den 1970er-Jahren | |
| fotografiert. Sie lotet nicht nur weibliche Identitäten aus, sondern | |
| entlarvt auch Stereotype aus Kunstgeschichte, Film, Werbung, Mode. | |
| ## Körper als Werkzeug | |
| Aber wer kennt schon Martha Wilson oder Marcella Campagnano? Wilson | |
| verfasste 1974 in Text und Foto ihr „Portfolio of Models“ zu den | |
| Möglichkeiten, die für sie bereitstünden: die ästhetisch perfekte Goddess, | |
| das Working Girl oder die rustikale Earth Mother, ein Spiegelbild der | |
| ersten. Die Italienerin Campagnano schickte 1974 für einen Nachmittag ihren | |
| Ehemann samt Kleinkind aus der Wohnung und nutze den gedanklichen Freiraum | |
| für eine improvisierte Fotoserie: die biedere Ehefrau, Schwangere, Braut, | |
| eine leicht bekleidete Prostituierte. Ihre „Erfindung des Weiblichen: | |
| Rollen“, so die Serie, sah sie als politisches Statement, da Frauen, | |
| besser: das objektivierte Bild der Frau über ihren Körper, seine | |
| Attraktivität und sexuelle Verfügbarkeit konstituiert würden. | |
| Die Ausstellung gliedert sich in mehrere Themen, etwa das Diktat der | |
| Schönheit, das Eingesperrtsein in Erwartungen oder die Vereinbarkeit von | |
| Mutterschaft und Künstlerinnenberuf. Auch fehlt nicht das Markenzeichen der | |
| „Zweiten Welle“ eines westlich-bürgerlich-weißen Feminismus, der Slogan: | |
| „Das Private ist politisch“ – noch ohne Bewusstsein intersektionaler | |
| Diskriminierung der Women of Colour. | |
| Oft ist der eigene, nackte Körper der Künstlerinnen ihr sehr | |
| wandlungsfähiges Werkzeug. Allerdings wurden sie dafür auch kritisiert, so | |
| Hannah Wilke im Kontext ihrer Serie „Super T-Art“ von 1974. Gewandet als | |
| Maria Magdalena im locker umgeworfenen Tuch, lässt sie das Textil Stück für | |
| Stück fallen, bis sie, nur mit Lendenschurz bekleidet, als Jesus in | |
| Kreuzigungspose endet. Aber nicht „Blasphemie“ lautete der Vorwurf, obwohl | |
| Gabriele Schor einräumt, dass sie in einer Ausstellung in Rom auf diese | |
| Arbeit verzichtet habe. Vielmehr störte sich die feministische Kunstkritik | |
| an Wilkes attraktiver Nacktheit, die eine männliche Praxis, den weiblichen | |
| Körper zum Objekt zu machen, wiederhole. Dabei ist schon der Titel Ironie: | |
| T-Art ist eine Anspielung auf das englische „tart“, Törtchen, abwertend | |
| aber auch Flittchen, Nutte, die „Ursprungsprostituierte der Kunst“, so | |
| Wilke. Und „Super“ bezieht sich auf den damaligen Hype um das Musical | |
| „Jesus Christ Superstar“. | |
| So überzeugt aus der Distanz des heutigen Blicks, wie viele Künstlerinnen | |
| statt mit moralinsaurem Feminismus mit hintersinnigem Humor und ironischer | |
| Brechung arbeiteten. Etwa Karin Mack, die in ihrem „Bügeltraum“ erschöpft | |
| auf dem Bügelbrett liegend endet, Renate Eisenegger, die den Flurboden | |
| eines Hochhauses per Bügeleisen perfektioniert, oder Birgit Jürgenssen, die | |
| eine Hausfrauen-Küchenschürze erfand, die Herd und Backofen gleich am | |
| Körper bereithält. | |
| 13 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ausstellung-A-Feminine-Thought/!6096110 | |
| [2] /Biopic-Niki-de-Saint-Phalle/!6073502 | |
| [3] https://www.sprengel-museum.de/ausstellungen/aktuell/feministische-avantgar… | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Maria Brosowsky | |
| ## TAGS | |
| Feministische Kunst | |
| Kunst | |
| Ausstellung | |
| Hannover | |
| Pop Art | |
| Meme | |
| Kolumne Diskurspogo | |
| Handarbeit | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Glamuröse Ausstellung in Hannover: Ein Trost für die Schmach | |
| Kulturhaupstadt ist Hannover nicht geworden. Zum Trost vereint das | |
| Sprengel-Museum Niki de Saint Phalle, Yayoi Kusama und Takashi Murakami. | |
| Pop-Art-Künstlerin Sine Hansen: Die Frau mit der Zange | |
| Deutschlands bedeutendste Pop-Art-Künstlerin war Sine Hansen. Bloß kennt | |
| die kaum jemand. In Braunschweig lässt sie sich wiederentdecken. | |
| Meme Woke Macarena: Auf Tiktok gegen den Sexismus tanzen | |
| Ein viraler TikTok-Trend trifft den Nerv einer neuen feministischen | |
| Popgeneration, angeführt vom Song „Take a Sexy Picture of Me“ der Sängerin | |
| CMAT. | |
| Misogynie in der Kulturbranche: Besser nicht Mutter werden | |
| Sorgearbeit kommt immer wieder in den Spielplänen vor. Doch die | |
| Theaterbranche hat ein Problem mit Mutterschaft, findet unsere Autorin. | |
| Kunst gegen Frauenverachtung: „Wir wollen Momente der Unentrinnbarkeit schaff… | |
| Die Künstlerin Sarah Held bekämpft das Patriarchat mit Performances und | |
| Handarbeit. Ein Gespräch über Aktionskunst, Femizide und rechtes Denken. |