# taz.de -- Drohnenkrieg in der Ukraine: „Tunnel des Lebens“ für die Front | |
> Netze, die in Dänemark, Polen und den Niederlanden zum Fischfang genutzt | |
> wurden, schützen jetzt ukrainische Soldaten vor russischen | |
> Drohnenangriffen. | |
Bild: Ukrainische Freiwillige laden in Luzk dänische Fischernetze aus, die an … | |
Luzk taz | An einem heißen Julitag arbeiten mehrere Männer auf einer | |
Baustelle im Industriegebiet der westukrainischen Stadt Luzk. Sie laden | |
große Fischernetze von einem Lastwagen ab. Einen Moment lang duftet Luzk | |
nach Meer. Sand und Salz aus der Ostsee werden auf die Ladefläche des | |
Lastwagens geschüttet – für die „Tunnel des Lebens“. | |
Mehrere junge Männer schneiden die Netze mit Messern in große, rechteckige | |
Stücke. Diese werden nach einer Weile wieder in den Lastwagen geladen. | |
„Heute Abend fährt der Lkw an die Front“, erzählen Wera Schwarzkop und | |
Natalja Hruschka – zwei Frauen, die den Prozess beaufsichtigen. | |
Sie sind Freiwillige und leiten im westukrainischen Gebiet Wolyn | |
gleichzeitig mehrere Hilfsprojekte für die Armee. Nach der Abfahrt des | |
Lasters mit den Fischernetzen wird Hruschka in eine Schule gehen, um beim | |
Weben von Tarnnetzen behilflich zu sein. Schwarzkops Handy klingelt | |
ununterbrochen: Sie verhandelt mit Lieferanten von Fahrzeugen für die | |
Front. Vier sind auf dem Weg aus Europa in die Ukraine, zwei stehen an der | |
Grenze, [1][mehrere weitere werden in Luzk repariert], andere sind bereits | |
auf dem Weg Richtung Osten. | |
Doch jetzt hat für die Freiwilligen die Organisation der Versorgung der | |
Truppen mit Fischernetzen aus Dänemark, den Niederlanden und Polen | |
Priorität. Das Militär nutzt sie zum Bau von Verteidigungstunneln in der | |
Nähe der Frontlinie, um russische Drohnen abzuwehren. | |
## Schutzkonstruktion nach russischem Muster | |
Fotos und Videos von der Front im Sommer 2025 zeigen oft Holzpfähle entlang | |
der Straßen, zwischen denen Schutznetze gespannt sind. Russische Truppen | |
haben im Sommer 2023 begonnen, solche Strukturen [2][in der Nähe von | |
Bachmut] einzusetzen. Damals handelte es sich noch nicht um durchgehende | |
Tunnel, sondern um einzelne gespannte Netze, in denen sich Drohnen | |
verfangen konnten. | |
Dann begannen die russischen Besatzer, die Nachschubwege für ihre | |
Ausrüstung mit Fischernetzen abzudecken und so sichere Korridore zu | |
schaffen. Der ukrainische Funktechniker Serhij Flesch schrieb in seinen | |
sozialen Netzwerken, dass die Russen [3][in der Nähe von Tschassiw Jar] | |
einen zwei Kilometer langen Tunnel aus Netzen angelegt hätten. Gleichzeitig | |
prahlten die Russen damit, dass ein Fischernetz effektiver sei als ein | |
übliches Metallnetz. Im Fischernetz verfangen sich die Propeller der | |
Drohnen. Bei einer Kollision mit dem Metallnetz explodiert die FPV-Drohne | |
und kann Verletzungen verursachen. | |
Weitere Vorteile von Fischernetzen sind ihre Langlebigkeit und die fehlende | |
Reflexion des Sonnenlichts, sodass sie von Drohnenpiloten nicht erkannt | |
werden. | |
## Schutz von Straßen, Schützengräben und Unterständen | |
Mit der Zeit begann auch das ukrainische Militär, diese Netze einzusetzen. | |
„Die Idee dahinter ist, dass eine FPV-Drohne, die Fahrzeuge auf diesem | |
Straßenabschnitt angreift, dieses Netz nicht bemerkt und sich aufgrund der | |
schlechten Qualität des analogen Videos darin verfängt. Doch selbst wenn | |
der Drohnenpilot das Netz erkennt, kann er sich dem Ziel nicht nähern, um | |
es zu zerstören. | |
Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass das Netz vor Glasfaser-Drohnen schützt“, | |
erläutern Analysten des Portals Militarnyi. Mittlerweile werden | |
Fischernetze nicht nur entlang der Logistikrouten gespannt, sondern auch | |
über Schützengräben und Eingängen zu Unterständen. | |
## Länderübergreifende Freiwilligenarbeit | |
Dank des Einsatzes von Wera Schwarzkop, ihrem Team und internationalen | |
Partnern sind bereits sechs große Netzlieferungen aus Europa über Luzk an | |
die Front erfolgt. „Alles begann im Sommer 2024. Meine Bekannte aus Polen, | |
Olga Charnetskaja, die mittlerweile eine Freundin geworden ist, sagte, dass | |
es in der Ostsee Netze gebe, die das polnische Militär in die Grenzstaddt | |
Przemyśl liefern könne. Von dort haben wir sie mit einem eigenen Transport | |
in die Ukraine gebracht“, erzählt Wera | |
Auch lokale Unternehmer machten mit. Serhij Hawrylowytsch transportierte | |
kostenlos Netze aus Europa in die Stadt Roschyschtsche nahe Luzk. Dort | |
wurden sie von Soldaten oder Freiwilligen ausgeladen und in die Ostukraine | |
geliefert. | |
Später schlossen sich auch dänische Partner dem Projekt an. Wera | |
kontaktierte über ihren Freund Mychajlo Makarow, einen Unternehmer aus dem | |
wolynischen Horochiw, den Dänen Carl Futtrup. „Mychajlo setzte sich ans | |
Steuer seines Lastwagens und fuhr nach Dänemark. Auf eigene Kosten, mit | |
eigenem Treibstoff. Nur um zu sehen, wie viele Netze Carl hatte. Und er | |
belud den Lastwagen sofort“, erinnert sich Wera. | |
## Fischernetze aus Skandinavien | |
Skandinavische Länder, in denen es eine entwickelte Fischereiindustrie | |
gibt, sind zu Netzlieferanten geworden. Laut Futtrup hätten fünf dänische | |
Häfen die Erlaubnis zum Einsammeln von Netzen erhalten oder beantragt.„Wir | |
erhalten immer mal wieder Nachrichten, dass die von uns gespendeten Netze | |
einen Angriff verhindert oder ein Leben gerettet haben“, sagt Carl Futtrup. | |
Der Däne hat bereits den Transport von 120 Tonnen Fischernetzen in die | |
Ukraine organisiert. Den Transport finanzieren Freiwillige in Europa und | |
der Ukraine. „Es gibt noch keine offizielle Hilfe. Wir stemmen das komplett | |
aus eigener Kraft“, sagt der Freiwillige. „Wären diese Netze früher da | |
gewesen und hätte man damit schon Tunnel bauen können, hätten viele der | |
Männer und Frauen überlebt.“ | |
Obwohl weithin der Eindruck vorherrscht, Europa sei kriegsmüde, beobachtet | |
Schwarzkop das Gegenteil: Die Hilfe aus dem Ausland sei heute sogar noch | |
größer als noch vor einem Jahr. „Jedes Mal ist es eine echte Leistung, | |
Netze zu liefern. Aber überraschenderweise klappt das, weil viele | |
hilfsbereite Menschen da sind“, sagt die Freiwillige Wera Schwarzkop. „Wir | |
haben kein recht aufzugeben, auch wenn es schwierig ist. Und darum suchen | |
wir auch bereits einen neuen Sponsor für die nächste Netzlieferung.“ | |
Aus dem Russischen Barbara Oertel | |
31 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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