# taz.de -- EM-Finale und Turnierbilanz: Europameisterschaft der Zerstörerinnen | |
> Die Engländerinnen haben spielstärkere Spanierinnen bezwungen, es ist das | |
> logische Ende dieser EM. Eine Spielidee mit Ball hatten nur wenige Teams. | |
Bild: Wirklich geglänzt hat das englische Team erst, als das Finale vorüber w… | |
Wie sonst hätte dieses Turnier enden können? Natürlich musste es eine | |
Verlängerung geben im Finale zwischen England und Spanien, so wie fast | |
immer in diesem Turnier. Beinahe folgerichtig war es auch, dass es wieder | |
ein kurioses Festival des Scheiterns im Elfmeterschießen geben würde: | |
Spanien versagten bei drei von vier Schüssen die Nerven. | |
Und wie hätte dieses Turnier sonst enden sollen als [1][wieder mal mit | |
einem späten Sieg der Engländerinnen] und einem entscheidenden Tor von | |
Chloe Kelly? Es war Kelly, die das Team in den Partien gegen Italien und | |
gegen Schweden gerettet hatte, und Kelly, die im Finale die entscheidende | |
Flanke zum 1:1-Ausgleich durch Alessia Russo schlug. Und natürlich war es | |
Kelly, die den letzten Elfer zur Titelverteidigung verwandelte. | |
Über weite Strecken wirkte dieses Finale wie eine Zusammenfassung, eine Art | |
seltsam erwartbarer Best-of-Schnipsel des Turniers. Als seien dem | |
Fußballgott auf dem letzten Meter die Ideen ausgegangen. | |
## Heilsbringerin von der Bank | |
Und am Ende jubelt Chloe Kelly. In einem Turnier ohne überragende Stars hat | |
die unglaubliche Einwechselspielerin Kelly das Märchen des Turniers | |
geschrieben. Jedes Mal, wenn sie den Platz betritt, impft die 27-jährige | |
Stürmerin dem englischen Team neue Energie ein. Verlässlich wie ein Uhrwerk | |
erfüllt sie ihre uneigennützige Rolle von der Bank. Ihr Ruf als | |
Heilsbringerin hat sich derart zur selbsterfüllenden Prophezeiung | |
verwandelt, dass torjubelartige Lärm im Stadion aufbrandet, sobald sie nur | |
eingewechselt wird. Mit Kelly, so glaubt dieses Team, wird alles gut. Und | |
dann wird auch alles gut. | |
„Chloe Kelly hat einfach diese Haltung und dieses Selbstvertrauen, das man | |
nicht kaufen kann“, schwärmt Teamkameradin Lucy Bronze. „Sie ist eine der | |
Spielerinnen, die man im eigenen Team haben will, nicht im gegnerischen.“ | |
Kelly selbst erklärte über den Elfmeter ruhig: „Ich war cool, ich war | |
gelassen und ich wusste: Den mach ich rein.“ Es sagt aber auch viel über | |
diese EM, dass zur markantesten Spielerin des Turniers die Kämpferin Kelly | |
wurde, eine Straßenfußballerin aus London, deren Klubkarriere zuletzt wenig | |
Glanz bot. Es ist eher ein Turnier des Ringens gewesen als des schönen | |
Fußballs. Drei von vier Halbfinalisten – Italien, Deutschland und England – | |
spielten pragmatischen Defensivfußball. Letztlich hat dieser Pragmatismus | |
in einem eher zähen Finale gegen die Künstlerinnen aus Spanien gesiegt. | |
Das wirkte auch im Nachgang bizarr. Denn wie gegen Schweden und Italien | |
schien das Team von Sarina Wiegman nach dem 0:1-Rückstand schon halb | |
geschlagen. Spanien war offensiv deutlich überlegen, kombinierte | |
hinreißend, dominierte phasenweise nach Belieben. Doch wie so oft hatte | |
England die größere Resilienz und Flexibilität, wechselte klug, spielte | |
eklig – und siegte. | |
Wiegmans Elf praktiziert jenen Zerstörerfußball, [2][den Bundestrainer Wück | |
vielleicht gern gespielt hätte.] Die englische Strategie funktionierte | |
auch, weil sie viel intelligenter war als die deutsche. Die Engländerinnen | |
pressten in ihren besseren Phasen hoch, standen den Spanierinnen auf den | |
Füßen, hielten sie oft weit vom Strafraum fern und lauerten auf Chancen, | |
die ihnen die schludrige spanische Defensive bot. Ein schönes Spiel | |
freilich ergab das nicht. Spanien konnte sein gefürchtetes Kurzpassspiel zu | |
selten in echte Torchancen ummünzen, England war mit der Blockade ganz | |
zufrieden. | |
## Spanische Glaubenssache | |
Wer wollte [3][Aitana Bonmatí] da den Zorn über die Betonmischerinnen | |
verdenken? „Für mich ist England ein Team, das in der Lage ist, nicht gut | |
zu spielen und trotzdem zu gewinnen“, schimpfte sie. „Manche Teams brauchen | |
nicht viel, um zu gewinnen.“ Tatsächlich war die englische Leistung | |
eigentlich nicht genug für einen EM-Titel. | |
Kräftig mitgeholfen haben allerdings die Spanierinnen selbst. Der spanische | |
Fußball ist eine Glaubenssache. Geduldig in Passdreiecken durchkombinieren, | |
schön muss es sein. Ein Plan B fehlte dem Team oft. Mal einen Ball von der | |
Strafraumkante draufzimmern, mal nicht durch die zugestellte Mitte | |
kombinieren oder es nicht unbedingt mit einem Hackentrick versuchen – ein | |
Schuss Pragmatismus. Das spanische Spiel ist bisweilen sehr ideologisch. | |
England steht für das Gegenteil. Ein Team, das fußballerisch an rein gar | |
nichts glaubt. Außer an den Sieg. | |
Vielleicht sind die Engländerinnen die folgerichtigen Gewinnerinnen dieser | |
EM. Eine Spielidee mit Ball hatten wenige Teams, neben Spanien am ehesten | |
die Französinnen und die Schwedinnen. Beide scheiterten früh, jeweils gegen | |
Teams, die sich weigerten, am Spiel teilzunehmen. Es war ein Turnier der | |
Zerstörerinnen. Das ist keine gute Nachricht für den Fußball. Ein wenig | |
kann man sich da erinnert fühlen an die letzte Männer-EM. Auch dort hielten | |
die Spanier einsam die Fahne des schönen Spiels hoch. Auch dort waren die | |
Engländer besonders unbeliebt, die sich mit Minimalaufwand durchs Turnier | |
schleppten. Und auch da lautete das Finale England gegen Spanien. Wie zudem | |
zur Frauen-WM 2023. | |
Das Spiel der Männer und Frauen gleicht sich in den Nationalteams zunehmend | |
an. Einen geschlechterübergreifend ähnlichen Spielstil praktiziert man | |
nunmehr vielerorts. Da erstaunt es nicht, dass auch taktische Entwicklungen | |
rüberschwappen. Diesmal ging der Titel an die Minimalistinnen aus England. | |
Es dürfte nicht das letzte Finale zwischen den beiden Denkschulen sein. | |
„Das können wir hier so nicht stehen lassen“, hat Bonmatí angekündigt. D… | |
Weltfußballerin wirkte nach dem Finale geschockt. „Das ist einfach | |
grausam.“ | |
## Durchgespielt mit gebrochenem Schienbein | |
Obwohl sie keine Partie aus dem Spiel heraus verloren und in sechs Partien | |
18 Tore erzielten, blieb den Spanierinnen nach dem vom Rubiales-Übergriff | |
überschatteten WM-Titelgewinn ein weiterer Triumph versagt. Vielleicht | |
auch, weil sie gegen große Gegnerinnen zu wenig machten aus ihrem Vorteil. | |
Gute und besondere Geschichten schrieb das Finale dennoch. Neben jener um | |
Chloe Kelly etwa die unglaubliche Geschichte von Lucy Bronze, die nach dem | |
Finale bekannte, sie hätte das ganze Turnier mit einem gebrochenen | |
Schienbein durchgespielt. Oder die Geschichte vom unglaublichen dritten | |
EM-Titel in Serie für Sarina Wiegman. | |
Solche Bilanzen waren zuletzt in den Neunzigern für die Deutsche Tina | |
Theune möglich, in einer anderen Zeit mit kaum konkurrenzfähigen Teams. Was | |
die brillante Taktikerin Wiegman erst mit dem niederländischen, dann mit | |
dem englischen Team schafft, kann man kaum hoch genug einschätzen. Nicht | |
zuletzt haben diese Engländerinnen für den politisch stabilsten Moment des | |
Turniers gesorgt, als sie ihrer rassistisch angefeindeten Mitspielerin Jess | |
Carter Rückendeckung gaben. Es gibt schlechtere Titelgewinnerinnen. | |
28 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Halbfinale-der-Fussball-EM/!6101256 | |
[2] /DFB-Team-erreicht-Halbfinale/!6101232 | |
[3] /Weltfussballerin-Aitana-Bonmati/!6096223 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
## TAGS | |
Fußball-EM der Frauen 2025 | |
England | |
Spanien | |
Bilanz | |
Fußball-EM der Frauen 2025 | |
Fußball-EM der Frauen 2025 | |
Fußball-EM der Frauen 2025 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Finale bei der Frauenfußball-EM: Fortschritt mit fadem Beigeschmack | |
Die diesjährige EM hat gezeigt: Der Frauenfußball ist in der Normalität | |
angekommen. Im Guten wie im Schlechten. | |
Vor dem EM-Finale Spanien – England: Mit Schwung von der Bank | |
Während die Spanierinnen ihren Ballbesitzfußball zelebrieren, hat England | |
noch nicht glänzen können. Warum sich das im Endspiel ändern könnte. | |
Patri Guijarro: Spaniens stille Superspielerin | |
Patri steht selten im Rampenlicht. Dabei ist sie für das spanische Team | |
unverzichtbar und für Trainerin Tomé die weltbeste im zentralen Mittelfeld. |