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# taz.de -- Justizreform in Italien: Melonis Koalition für Berlusconis Traum
> Schon lange arbeitet die Rechte in Rom an einer Justizreform, um die
> Staatsanwälte einzuengen. Nun ist die Regierung damit einen Schritt
> weiter.
Bild: Italiens Justizreform wäre Berlusconi wohl nicht besser gelungen
Rom taz | „Silvio Berlusconis Traum wird wahr.“ Treffende Worte fand
Antonio Tajani, Vize-Ministerpräsident in der Rechtsregierung [1][Giorga
Melonis] und Vorsitzender der Berlusconi-Partei Forza Italia, für die am
Dienstag vom Senat in Rom gebilligte Justizreform.
Dabei klingt diese Reform eher technisch. In Zukunft sollen in Italien
Richter und Staatsanwälte völlig getrennte Laufbahnen vollziehen, anders
als bisher. Immer schon gehörten in Italien beide Kategorien zum
Berufsstand der Magistrate. Für sie gab es ein gemeinsames
Stellenausschreibungsverfahren, und sie verwalteten sich selbst über den
Consiglio Supremo della Magistratura, der allein über Beförderungen,
Versetzungen, Disziplinarverfahren entschied. Die Exekutive dagegen konnte
in die völlig unabhängige Justiz nicht hineinregieren.
Was die völlige Autonomie der Staatsanwaltschaften bedeutet, bekam vorneweg
[2][Silvio Berlusconi] immer wieder zu spüren. Der Unternehmer, der 1994
mit der Gründung der Partei Forza Italia in die Politik eingestiegen war
und dann Italien über viele Jahre mit Unterbrechungen regiert hat, musste
sich zahlreichen Verfahren stellen, wegen Bilanzfälschung, wegen
Steuerbetrugs, wegen Bestechung von Politikern und Richtern.
Immer schon hatte er argumentiert – [3][ganz wie heute Donald Trump] -, er
sei Opfer einer „politischen Justiz“, er werde von „roten Roben“ verfol…
Die meisten seiner Verfahren endeten allerdings glimpflich für ihn,
entweder weil er per Gesetz den Straftatbestand Bilanzfälschung abschaffte
oder weil seine Anwälte die Prozesse bis zur Verjährung verschleppten. Aber
im Jahr 2013 wurde er dann doch wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft
verurteilt – und verlor auch sein Mandat im Parlament.
## Kleinkrieg gegen die Justiz
Immer schon führte Berlusconi deshalb auch im Parlament seinen Kleinkrieg
gegen die Justiz. Sein Ziel: eine Justizreform, um die Staatsanwaltschaften
zu bändigen. Und auch die heute regierende Rechtskoalition – in ihr sind
die postfaschistische Fratelli d’Italia Giorgia Melonis, die
Berlusconi-Partei Forza Italia und die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche
Lega unter Matteo Salvini vertreten – hat diese Reform in ihr Programm
geschrieben.
Angespornt wurde Italiens Rechte nicht zuletzt dadurch, dass auch ganz ohne
den im Jahr 2023 verstorbenen Berlusconi die Konflikte mit der Justiz
weiter andauern. So grätschten Gerichte der Regierung Meloni bei der
Eröffnung des Abschiebelagers in Albanien rein, weshalb das Lager heute
weitgehend leer steht.
Und so musste sich Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini in einem Prozess
wegen Freiheitsberaubung verantworten, weil er in seiner Zeit als
Innenminister im Jahr 2019 Flüchtlingen wochenlang den Landgang verweigert
hatte. Er wurde zwar in erster Instanz freigesprochen, doch vor wenigen
Tagen ging die Staatsanwaltschaft in Berufung, zur hellen Empörung der
Rechtsregierung.
Die jetzt anstehende Justizreform soll das ändern. Denn von den Gerichten
abgekoppelte Staatsanwaltschaften könnten in einem zweiten Schritt dann der
Weisungsbefugnis der Exekutive unterworfen werden. Sowohl der Verband der
Richter und Staatsanwälte als auch die Oppositionsparteien sehen allein
hierin die Logik der verfassungsändernden Reform.
## Volksabstimmung mit offenem Ausgang
Bisher ist die Verfassungsänderung vom Abgeordnetenhaus und nun auch vom
Senat verabschiedet worden. Im Herbst muss sie noch einmal in zweiter
Lesung von beiden Häusern gebilligt werden. An der nötigen absoluten
Mehrheit gibt es keinen Zweifel. Dann aber steht eine Volksabstimmung an,
deren Ausgang offen ist.
Sollte Meloni sie gewinnen, hätte die Rechte wenigstens diese eine Reform
durchgesetzt. Weder die Ausweitung der Autonomie der Regionen (das
Lieblingskind der Lega) noch die Direktwahl des Regierungschefs (von der
Meloni träumt) dürften dagegen in dieser Legislaturperiode realisiert
werden.
23 Jul 2025
## LINKS
[1] /Der-Aufstieg-von-Giorgia-Meloni/!6039577
[2] /Das-populistische-Rolemodel/!6040389&s=berlusconi/
[3] /Sexueller-Uebergriff-und-Verleumdung/!6059446
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Giorgia Meloni
Silvio Berlusconi
Justizreform
Staatsanwälte
Schwerpunkt LGBTQIA
Italien
Schwerpunkt Flucht
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