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# taz.de -- Evakuierungsbefehl in Gaza: 24 Stunden für die Flucht
> Am Sonntag forderte das israelische Militär die Bewohner von Deir
> al-Balah zur Evakuierung auf. Am Montag begann die Bombardierung. Wohin
> noch fliehen?
Bild: Noch kurz vor Beginn der Bodenoffensive hatten Tausende von Palästinense…
Berlin taz | Am frühen Sonntagmorgen ging es los: [1][Auf seinem X-Kanal
verkündete der israelische Militärsprecher Avichay Adraee] einen neuen
Evakuierungsbefehl für die Menschen im Südwesten der Stadt Deir al-Balah in
Zentralgaza. Damit wird die Fläche, auf der sich die Palästinenser im
Gazastreifen überhaupt noch aufhalten dürfen, nochmals kleiner – nach
Berechnungen der BBC bleibt ihnen nur noch 16 Prozent der Gesamtfläche. Das
Gebiet Al-Mawasi – wohin Adraee die Menschen anweist zu flüchten – ist
durch die neue Aufforderung nun außerdem vom Rest Deir al-Balahs
abgeschnitten. Der Weg nach Al-Mawasi von weiter nördlich ist nur unter
großer Gefahr passierbar. Wo sollen wir noch hin, fragen die Menschen im
Gazastreifen immer wieder, auch gegenüber der taz. Mit jedem neuen
Evakuierungsbefehl wird es schwieriger, die Frage zu beantworten.
In dem Gebiet im Südwesten von Deir al-Balah, das nun betroffen ist, war
das israelische Militär bislang nicht mit Bodentruppen aktiv. Auch eine so
massive Luftkampagne wie in anderen Gebieten erfolgte bis dato nicht.
Infolgedessen sind zumindest Teile der Infrastruktur, etwa Wohngebäude,
besser erhalten als in anderen Gegenden. Und weil das Gebiet bisher relativ
verschont geblieben ist, sind dort auch schon früher aus anderen Teilen des
Gazastreifens Binnenvertriebene untergekommen – laut BBC Verifiy soll es
sich um Zehntausende handeln. Insgesamt sollen sich zuletzt bis zu 80.000
Menschen dort aufgehalten haben.
Viel Zeit zur Flucht ließ das Militär den Betroffenen nach seiner
Ankündigung nicht: Am Montag begann die Offensive der israelischen Truppen
auf Deir al-Balah. Bilder zeigen aufsteigenden Rauch. Nach Angaben lokaler
Journalisten standen am Montagmittag Panzer der israelischen Armee an der
südlichen und östlichen Außengrenze der Stadt, die Armee habe bereits erste
Menschen erschossen.
Gegen das Vorrücken der israelischen Armee legten die Vereinten Nationen
Protest ein: Das Vorgehen beeinträchtige humanitäre Operationen in
Zentralgaza. Auch das Forum der Geiselangehörigen verurteilte die Pläne des
Militärs. Insgesamt befinden sich weiterhin 50 israelische Geiseln im
Gazastreifen, 20 von ihnen sollen noch am Leben sein. Einige von ihnen
sollen laut israelische Quellen in Deir al-Balah festgehalten werden.
Deshalb soll das Militär eine Offensive in dem Ort bislang hinausgezögert
haben.
Warum ausgerechnet jetzt das Militär mit der Offensive auf Deir al-Balah
begonnen hat, könnte an den stockenden Verhandlungen um einen
Geisel-Waffenruhe-Deal zwischen Israel und der Hamas liegen. Die laufen
derzeit im katarischen Doha – und während erst Israel bremste, scheint nach
Berichten des Axios-Reporters Barak Ravid nun die Hamas der Grund für die
Verzögerung zu sein. Ein neuer Vorschlag für das Abkommen sei der Hamas in
der Vorwoche übermittelt worden. Und während das Hamas-Politbüro in Katar
bereit sei, ihn anzunehmen, warte man noch auf eine Antwort des
militärischen Flügels im Gazastreifen. Laut Ravid üben die ägyptischen und
katarischen Vermittler nun erhöhten Druck auf die Hamas aus. Und mit der
neuen Offensive wohl auch Israel.
Ein weiterer möglicher Grund: Laut dem israelischen Channel 12 habe der
Generalstabschef des Militärs, Eyal Zamir, vorgeschlagen, dass die Armee
ihre Offensive in Gaza ausweiten, mehr Territorium einnehmen – und so die
Kontrolle über den Küstenstreifen übernehmen könnte. Laut Channel 12 wurde
das als Alternative zu dem umstrittenen Vorschlag, [2][die Palästinenser in
„humanitäre Städte“ in Südgaza zu zwingen], präsentiert.
Derweil ist die humanitäre Lage in den wenigen Gebieten, wo sich die
Palästinenser laut Militär noch aufhalten dürfen, katastrophal. Quellen der
taz im südlichen Gazastreifen berichten: Selbst wer Geld habe, finde keine
Lebensmittel mehr, die er oder sie kaufen könne. Ein Bericht aus Gaza-Stadt
im Norden des Küstenstreifens klingt ähnlich: Auf den Märkten gebe es kaum
mehr Mehl und Reis. Bohnen, Erbsen und Linsen seien noch zu finden,
kosteten aber umgerechnet etwa 20 Euro pro Packung. Auch Gemüse und Obst
gebe es kaum noch. Wer etwas finde, zahle hohe Preise: Kartoffeln kosteten
fast 20 Euro pro Kilo. Für ein Kilo in Gaza geernteter Feigen fielen
umgerechnet bis 40 Euro an. Fleisch, Milch oder Eier seien gar nicht mehr
verfügbar.
Lokale Quellen bestätigen der taz, was auch andere Medien berichten: Wohl
noch nie war die Versorgungslage im Gazastreifen so angespannt wie jetzt.
Es mangelt an allem: Nahrungsmitteln, aber auch an Gütern zur Versorgung
von Kleinkindern, etwa Milchpulver. Auch Medikamente, Treibstoff und
sauberes Wasser gingen zur Neige. Ein Kontakt aus Südgaza berichtet der
taz: Die teilweise funktionierenden Kliniken befürchteten, bald schließen
zu müssen, wenn sie nicht bald wieder Treibstoff erreiche.
[3][Laut dem sich mit Ernährungssicherheit beschäftigenden IPC] befindet
sich der gesamte Gazastreifen in einer Situation akuter
Ernährungsunsicherheit. Knapp eine halbe Million Menschen ist so
unterernährt, dass die höchste Alarmstufe für sie gilt. Seit Anfang März
kommen kaum noch kommerzielle Güter oder Hilfslieferungen nach Gaza.
21 Jul 2025
## LINKS
[1] https://x.com/AvichayAdraee/status/1946802114421821706
[2] /Friedensnobelpreis-fuer-Trump-/!6095949
[3] https://www.ipcinfo.org/ipc-country-analysis/details-map/en/c/1159596/?iso3…
## AUTOREN
Lisa Schneider
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Gaza
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