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# taz.de -- Tieraktivismus: Tierschützer:innen müssen zahlen
> Das Landgericht Oldenburg verhängt eine Geldstrafe gegen
> Aktivist:innen. Sie hatten im Schlachthof heimlich Bilder aufgenommen
> und veröffentlicht.
Bild: Landgericht Oldenburg: Im Prozess um heimliche Videos von einem Schlachth…
Zwei Tierschutzaktivist:innen von Animal Rights Watch (Ariwa), Anna
Schubert und Hendrik Haßel, wurden vom [1][Landgericht Oldenburg
verurteilt.] Grund war das unbefugte Betreten eines Schweineschlachthofs im
Landkreis Vechta, um heimlich Bild- und Videomaterial aufzunehmen. Außerdem
müssen die Angeklagten für die Schäden zahlen, die durch die Aufnahmen
entstanden sind oder in Zukunft noch entstehen. Auch die Kosten außerhalb
des Gerichtsverfahrens sollen sie übernehmen. Der niedersächsische
Schlachthof Brand Qualitätsfleisch GmbH klagte, nachdem Schubert und Haßel
im Mai 2024 das Gelände betreten hatten. Die Polizei erwischte sie nachts
beim Versuch, zuvor installierte Kameras zur Dokumentation der
Betäubungsanlage zu entfernen.
Die Aktivist:innen kritisierten [2][die grausame und umstrittene,
jedoch gesetzlich erlaubte Betäubungsmethode des Betriebs]: Dabei werden
die Tiere in einem Fahrstuhlsystem neun Meter tief in einen Schacht
befördert, der anschließend mit hochkonzentriertem Kohlendioxid (CO2)
gefüllt wird, um sie bewusstlos zu machen. Laut den
[3][Tierschützer:innen] funktioniert diese Methode in der Praxis oft
nicht reibungslos und löst bei den Schweinen Panik und Atemnot aus. Auf den
Videoaufnahmen ist zu sehen, wie die Tiere unruhig schreien und in
Todesangst versuchen, sich aus den Käfig-Gondeln zu befreien. Der
Schlachthofbesitzer betonte, der Betrieb halte alle gesetzlichen Vorgaben
ein und trage zudem das Tierwohl-Label.
Seit vergangenem Sommer verbreitet die Tierschutzorganisation Ariwa die
Bilder der Schweinetötungsanlage über ihre Homepage. Auch der NDR und die
ARD hatten das Bildmaterial verwendet. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
wollte man damals wegen der Verbreitung der Bilder jedoch nicht verklagen,
betonte der Hamburger Anwalt Walter Scheuerl, der die Brand
Qualitätsfleisch GmbH berät, im Zuge des Zivilprozesses im Juni. Vielmehr
wolle man diejenigen, die die Bilder auf illegale Weise beschafft hätten,
persönlich zur Rechenschaft ziehen.
Der Kläger sieht sich in seinem Ruf geschädigt und forderte im Laufe des
Prozesses von den Aktivist:innen persönlich einen Schadensersatz von
98.000 Euro. Man würde jedoch auf das Geld verzichten, wenn das
Bildmaterial zukünftig nicht mehr verbreitet werde. Die Aktivist:innen
lehnten mit der Begründung ab, die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf,
die Aufnahmen zu sehen. Schubert und Haßel sprechen von einer
„Einschüchterungsklage“ und sehen einen Eingriff in die Pressefreiheit.
Das Landgericht gab der Brand Qualitätsfleisch nun jedoch recht. Das
Gericht in Oldenburg begründete seine Entscheidung damit, dass die
Aktivist:innen Hausfriedensbruch begangen hätten, der nicht durch einen
Notstand gerechtfertigt werden könne. Die Aktivist:innen sowie die
Organisation Animal Rights Watch dürften außerdem die Schlachthof-Aufnahmen
nicht mehr verbreiten.
## Mitverantwortlich für Veröffentlichung
Der Aktivistin Schubert wurde nachgewiesen, dass sie die Aufnahmen selbst
weitergegeben hat – aus Sicht des Gerichts macht sie das mitverantwortlich
für die Veröffentlichung durch Ariwa. Bei Haßel blieb es beim Vorwurf des
Hausfriedensbruchs. Zwar seien die Aufnahmen laut Gericht wichtig für die
öffentliche Meinungsbildung, doch seien sie nicht mit dem Ziel entstanden,
konkrete Rechtsverstöße zur Anzeige zu bringen. Veröffentlichungen durch
die Presse sind vom Verbreitungsverbot ausgenommen – eine Unterscheidung,
die die Aktivist:innen nicht nachvollziehen können. Das Gericht
widersprach zwar der Behauptung des Schlachthofbetreibers, die Aufnahmen
der Betäubungsanlage seien manipuliert worden – das dokumentierte Tierleid
im Betrieb griff es jedoch nicht auf.
Das Videomaterial mache deutlich, dass die Tiere durch die CO2-Betäubung
bereits vor der Tötung enormes Leid sowie „Atemnot, Panik und Schmerzen“
erfahren, so Haßel, die Gesellschaft müsse über diese
Standard-Schlachtmethode in Deutschland informiert werden.
Dass diese legal sei, sei ein „völliger Skandal“, sagt Schubert nach
Urteilsverkündung. Zudem stehe der „Erstickungskampf“ der Tiere in keinem
Verhältnis zu den Vorwürfen des Hausfriedensbruchs. Zudem sehen die
Aktivist:innen in der Einzelfallentscheidung eine Gefahr, dass diese
Art der Berichterstattung durch ähnliche Rechtsprechungen in Zukunft
gefährdet werden könne.
Die Schadenshöhe soll der Kläger noch beziffern und sie wird separat
verhandelt. Der Streitwert von rund 140.000 Euro sei laut Verteidigung zu
hoch und könnte die Beklagten in die Privatinsolvenz führen. Nikolaus
Brand, Geschäftsführer des Schlachthofs, sieht im Urteil eine klare
Entscheidung zugunsten seines Betriebs und eine Absage an das
„Geschäftsmodell der selbsternannten Tierrechtler“. Die Rechtsordnung gelte
auch für idealistisch motivierte Aktivist:innen, so Brand. Das Urteil ist
noch nicht rechtskräftig. Die Tierschützer:innen kündigten an, dagegen
in Berufung zu gehen.
16 Jul 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Quirin Knospe
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Tierrechte
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Oldenburg
Tierschutz
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