# taz.de -- Sommer in Konstanz: Sprung in den Rhein | |
> Konstanz liegt am Bodensee. Dennoch steigen seine Bewohner*innen | |
> besonders gern an einer Stelle ins Wasser, die kein See, sondern ein | |
> Fluss ist. | |
Bild: Geht ganz ohne Eintritt: Rheinschwimmen in Konstanz | |
Zum Rheinbaden geht es in Konstanz über eine Fahrradbrücke. Sie ist | |
geschwungen wie die über den [1][„Seerosenteich“-Bildern von Claude Monet], | |
nur sehr viel weiter gespannt, und fungiert als inoffizieller Sprungturm, | |
was vielleicht der Grund für die Beliebtheit der Badestelle bei jungen | |
Menschen ist: Das Springen verleiht dem Flussbaden einen kleinen Thrill. | |
Bei Konstanz verengt sich der Bodensee auf vier Kilometer zum Seerhein, die | |
Badestelle ist zentral in einem öffentlichen Park gelegen, dem Herosé-Park. | |
Eine Besonderheit des Parks mitten im Stadtalltag ist die Vermischung der | |
Sphären: Kein Drehkreuz trennt Berufsalltag und Anzüge von Bikinis und | |
Besäufnis, keine Dauerkarte verlangt, mich in eine Freibadbesucherin zu | |
verwandeln. | |
## Unpassend freizügig | |
Es fühlt sich anfangs an, als säße ich in Unterwäsche im Wartesaal des | |
Bürgeramts, unpassend freizügig. Aber dann sehe ich einen muskulösen Typen | |
Gymnastikübungen machen und entspanne mich. Die Verkehrsader pumpt | |
Fahrräder und Spazierende mitten durch die Liegewiese. Kippenstummel liegen | |
im Gras. Der Geruch einer weggeworfenen Windel zieht aus dem Mülleimer zu | |
mir. | |
Schwimmen ist wie Fliegen. Nicht wie das umweltbelastende Sitzen im | |
Polstersitz einer Maschine, sondern wie das sanfte Abheben im Traum. Das | |
Wasser umfängt uns, die Sinne des Gehens weichen den Sinnen des Schwebens. | |
Sogar im Chlorwasser eines gekachelten Schwimmbeckens unter beißend weißem | |
Licht funktioniert das für mich jedes Mal, dieses Glück des anderen Seins | |
im Wasser. | |
Dennoch bleibt es im Schwimmbad eine Vorbereitung auf das Echte: Das | |
lebendige, unvorhersehbare, wilde Wasser, mit dem man sich anlegen kann, in | |
dem Tiere leben, das mal weich und hell ist, mal dunkelgrün und glatt. | |
## Gegen die Strömung | |
Wie in eine Hausfassade die Frage eingemauert ist, ob du hochkletterst oder | |
ein Bach nicht ohne die Prüfung denkbar ist, ob du drüber springst, | |
strudelt der Fluss mich an: Und, kannst du? Schaffst du es, gegen die | |
Strömung anzuschwimmen? Schaffst du es auf die andere Seite? Tauchst du zu | |
meinem Grund? | |
Der Seerhein ist gnädig, sein ruhiges Wasser lässt einen immer gewinnen. Es | |
ist eher ein Planschen und Abkühlen als kämpferischer Sport. Ohne Mühe | |
könnte ich auf die andere Seite schwimmen und am Schweizer Ufer aussteigen. | |
Ich könnte mich auch flussabwärts zum Bodenseeforum treiben lassen, | |
rausklettern, meine Kleidung aus dem wasserdichten Rucksack ziehen und | |
einen Vortrag hören gehen. | |
Die britische Journalistin Elaine Morgan glaubte, der moderne Menschen habe | |
sich im Flachwasser entwickelt. Er habe den aufrechten Gang und die für | |
Savannentiere ungewöhnliche Fettschicht nur gebraucht, um besser umherwaten | |
zu können. Wenn ich in der Hitze als Seelöwin am Ufer liege und mich in | |
Richtung Wasser rolle, denke ich gern an sie und ihre von der Wissenschaft | |
abgelehnte Fringe-Theorie vom Wasser-Affen. | |
Glücklich sind die, die nah am Wasser leben. Glücklich bin ich. | |
14 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Le_Bassin_aux_Nymph%C3%A9as | |
## AUTOREN | |
Donata Künßberg | |
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