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# taz.de -- Baden in Paris: Wasserratten, taucht tiefer!
> Endlich wieder schwimmen in der Seine? Wegen drohender Verunreinigung
> doch nicht machbar. Zum Abkühlen taugt ein Flussbad eh nur bedingt.
Bild: Auch so kann Kanalisation: Kronleuchtersaal in Köln, 2014
Es war ein historisches Ereignis, das die Pariser:innen wie die
sprichwörtlichen Wasserratten in Scharen am Samstag in die Seine lockte:
Endlich Abkühlung! [1][Über 100 Jahre war das Baden im Fluss verboten. Nun
ist es offiziell wieder erlaubt.] Ein Jahrhundertereignis also.
Doch Jahrhundertereignisse oder besser eine Jahrhundertwende gibt es
derzeit auch in bedrohlicher Form: Der Juni war der 13. Monat in Folge, in
dem die weltweite Durchschnittstemperatur über 1,5 Grad Celsius über dem
vorindustriellen Niveau lag.
Aber so romantisch die Vorstellung vom Bad in der Seine, Spree oder im
Rhein auch sein mag, angesichts der Klimakrise auch ist, für die
Problemlösung müssen wir tiefer abtauchen. Ohnehin mussten nach nur einem
Tag die neuen Badestellen in Paris wieder geschlossen werden. Wegen Regen
drohte eine Verunreinigung.
## Zehn Mülltonnen toter Fisch
Paris hat, wie viele Städte in Europa, ein Mischwassersystem, in dem
Abwasser und Regenwasser zusammenfließen. Wenn es dann in einer Stadt viel
und stark regnet – was ja auch eine Folge des Klimawandels ist –, laufen
vorhandene Speicher im System schnell über. Dann kann sich ein giftiger
Cocktail aus Regen, Fäkalien, Mikroplastik, Medikamentenresten und
Chemikalien direkt in Flüsse und Seen ergießen. Selbst gereinigtes Abwasser
enthält noch Spurenstoffe, die Ökosysteme belasten.
Auch Berlin kennt dieses Problem: [2][2023 wurden nach nur einem Starkregen
etwa 2,5 Kubikmeter tote Fische aus den Kanälen gefischt] – das entspricht
rund zehn gefüllten Mülltonnen.
Es ist leicht, angesichts der Hitze nach mehr Pools und Badestränden zu
rufen und darin eine gute Lösung für die Abkühlung zu sehen. Wir Menschen
lieben das Sichtbare. Ein kühles Bad im Fluss? Großartig. Das stinkende
Abwasser unter unseren Füßen? Lieber verdrängen. Genauso funktioniert unser
kollektives Ausblenden der Klimakrise: Die Hitze betäuben wir mit einem
Sprung ins Wasser, doch die Ursachen – zu viel CO2, zu viel Beton, zu wenig
Grün – bleiben unangetastet. Auch politisch ist das Thema oft wie vom Gulli
verschluckt.
Immer mehr Menschen sterben an den Folgen von Hitzewellen – allein in
Deutschland [3][gab es 2023 und 2024 zusammen rund 6.000 hitzebedingte
Todesfälle], mehr als durch Verkehrsunfälle. Dass Menschen dringend
Abkühlung brauchen, ist unbestritten. Doch die Lösung können nicht mehr
Flussbäder sein.
Viel wichtiger wäre es, die städtische Infrastruktur grundlegend zu
modernisieren: mehr Grünflächen, mehr Böden, in denen das Regenwasser
versickern und auch wieder verdunsten kann, um die Umluft zu kühlen. So
würde auch weniger Wasser die überlaufenden Kanäle belasten. Immerhin: In
Berlin-Mitte entsteht derzeit ein 40 Meter großes Auffangbecken, das bei
Starkregen Wasser speichern und kontrolliert in das Wassersystem abgeben
soll. Fertigstellung: 2026. Aber der medienwirksame Badespaß im Fluss lenkt
davon ab, dass es mehr solcher größeren und kleineren Abkühlungsprojekte
bräuchte. Solange wir unsere Städte nicht radikal umbauen, bleibt das
Flussbaden eine PR-Show, ein städtisches Trostpflaster auf eine nässende
Wunde.
Die wirkliche Lösung: moderne, leistungsfähige Abwassersysteme, getrennte
Kanäle für Regen- und Schmutzwasser, zusätzliche Speicherbecken,
Schwammstadt-Konzepte mit begrünten Flächen. So können wir Städte kühlen,
Überschwemmungen verhindern und Flüsse wirklich sauber halten.
Wir Wasserratten oben und die Kanalratten unten kämpfen im Grunde denselben
Kampf: den ums Überleben in überhitzten und gleichzeitig überfluteten
Städten. Nur wer auch den Blick nach unten wagt, kann oben wirklich
unbeschwert baden.
7 Jul 2025
## LINKS
[1] /Baden-in-der-Seine-nach-102-Jahren/!6095759
[2] /Tote-Fische-in-Berlins-Kanaelen/!5938822/
[3] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/umweltbundesamt-ve…
## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclere
## TAGS
talkshow
Schwerpunkt Klimawandel
Schwimmen
Paris
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