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# taz.de -- Buch über Italiens Vulkane und Brüche: Italiens Bauch rumort
> In „Eine Stimme aus der Tiefe“ spürt der italienische Autor Paolo Rumiz
> den vulkanisch-geologischen und politischen Frakturen seines Landes nach.
Bild: L'Aquila in den Abruzzen wurde nach seiner Erdbebenzerstörung 2009 zu ei…
Ein langes nervtötendes Heulen, ein dumpfes Baritonbrummen aus der Tiefe,
ein sanftes Säuseln. Der Reiseschriftsteller Paolo Rumiz hat sein Ohr auf
den rumorenden Bauch Italiens gelegt und lädt zu einer akustischen
Entdeckungsreise durch das wohl am wenigsten stabile Land Europas ein.
Seismische Verwerfungen, unterirdische Flüsse, Vulkankrater, Karstquellen,
Katakomben, Miasmen und Bradyseismen: Italien ist ein Land, „das nicht auf
einer Bruchlinie steht, sondern eine Bruchlinie ist“, konstatiert Rumiz.
Ausgestattet mit einer geologischen Karte im Maßstab eins zu zwei Millionen
und einem Sankt-Georg-Amulett folgt Rumiz seinem persönlichen Ariadnefaden
durch das Reich des Minotaurus: Er reist entlang der seismischen Linie, die
von Sizilien bis zu den Alpen reicht, erkundet Landschaften, [1][Mythen und
Bräuche], die sich mit und auf dem aktiven Untergrund der Halbinsel im
Mittelmeer geformt haben.
Die Reise beginnt auf der Liparischen Insel Alicudi, wo Rumiz unter der
Milchstraße schläft und von einem Donnern in c-Moll geweckt wird. Auf der
windgebeutelten Insel Pantelleria fachsimpelt er mit einem Fischer über den
besten Heiligen für Erdbebenschutz: Emygdius, Antonius, Hilarius, Rosalia
oder doch Pater Pio? Auf Sizilien steigt er in alte Schwefelgruben hinab,
Orte des Elends und der Ausbeutung, und notiert: „Keine Ahnung, wie die
Menschen aus dem Norden auf die Idee kommen, der Süden sei von faulen
Menschen bevölkert. Die ganze sizilianische Geschichte erzählt doch von
harter Arbeit und Schmerz.“
Im Angesicht des Ätna erliegt der Reisende dem Zauber des Schrecklichen und
übernachtet in der Cassabile-Schlucht: „Die Sterne begannen der Reihe nach
zu leuchten, und bald wurde der Ausschnitt des Himmels zu einem Weg aus
Licht. Das ursprüngliche Blau der Tümpel wurde silbern, dann leuchtend
schwarz. Die bebende Erde ist mitunter herzzerreißend schön.“
Je länger man Paolo Rumiz auf seiner seismischen Reise folgt – von
[2][Catania], wo sich Einheimische noch heute darüber streiten, ob
Mussolini 1928 wirklich eine Eruption verhindert habe, über die von den
Leichen und Habseligkeiten ertrunkener Migranten angefüllte Meeresenge von
Messina bis nach Kalabrien, das er als das wahre große Unterbewusste der
nationalen Identität begreift – desto klarer wird: „Eine Stimme aus der
Tiefe“ ist nicht nur ein Reisebuch auf den Spuren geologischer Geheimnisse,
antiker griechischer Mythen und volkstümlicher Erzählungen. Es ist vor
allem auch: eine Abrechnung mit einem Land, das seine multikulturellen
Wurzeln verleugnet, seine ländlichen Regionen im Stich lässt und von den
Bergen allmählich ins Tal und Richtung Meer rutscht. Und dabei die
omnipräsente Gefahr von Erdbeben, Erdrutschen und Vulkanausbrüchen nach
Kräften ignoriert.
Paolo Rumiz weist auf Studien hin, wonach in Ländern mit ausgeprägter
Vetternwirtschaft Naturkatastrophen mehr Opfer fordern – Italien steht nach
Haiti, Indonesien und der Türkei auf Platz vier der traurigen Rangliste.
Mal werden Gelder für den Erdbebenschutz eingefroren, wie 1976 im Friaul,
mal lassen sich Städte bewusst von der [3][Liste erdbebengefährdeter Orte]
streichen, um den Tourismus und das Bauwesen nicht zu stören. Mit
gravierenden Folgen, wie Pablo Rumiz nach einem Besuch im
erdbebenverwüsteten L’Aquila in den Abruzzen, das seit 2009 einer
seelenlosen Sperrzone gleicht, beobachtet und bitter notiert: „In keinem
entwickelten Land hätte ein Erdbeben der Stärke 5,9 derart viele Tote
verursacht. Keine Nation lässt sich derart hintergehen und fragt sich
träge, wie man Erdbeben vorhersagen kann, anstatt sich mit einer guten,
gesetzmäßigen Bauweise davor zu schützen.“
„Eine Stimme aus der Tiefe“, ausgezeichnet mit dem diesjährigen
International Travel Book Award, ist ein poetischer, anekdotenreicher und
überaus lehrreicher Reisebegleiter für diejenigen, die auf Sizilien
(„a-Moll“) oder in Neapel („g-Dur“) urlauben oder an der Adria baden �…
sich sämtliche Hohlräume, Nahtstellen und Brüche, die Italien zu einem
ebenso wunderschönen wie beängstigenden Land machen.
6 Jul 2025
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## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Politisches Buch
Italien
Reiseland Italien
Vulkane
Erdbeben
Schwerpunkt Korruption
Italien
Neapel
Naturkatastrophe
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