# taz.de -- Rückbau von Atomkraftwerk: Mehr Strahlung als erwartet | |
> Der Rückbau des Atomkraftwerks bei Greifswald verzögert sich, die Kosten | |
> explodieren: Die Anlage ist stärker kontaminiert als erwartet. | |
Bild: Die Brennstäbe sind weg, die Strahlung bleibt in Lubmin | |
Berlin taz | Es waren extra Mitglieder des Politbüros der SED und eine | |
sowjetische Delegation angereist, als 1974 der erste Block des „VEB | |
Kernkraftwerk Bruno Leuschner“ nahe Greifswald ans Netz ging: Dem | |
Druckwasserreaktor sollten sieben weitere folgen, die DDR wollte an der | |
Ostsee einen Atomkomplex mit insgesamt 3.520 Megawatt Leistung errichten. | |
Doch so weit kam es nicht: Block 6 war 1990 zwar fertiggestellt, wurde aber | |
nicht mehr ans Netz genommen. Im Zuge der Wiedervereinigung wurden alle | |
Reaktoren abgeschaltet. | |
Seitdem wird zurückgebaut, [1][Ziel ist eine „grüne Wiese“]. Doch das | |
erweist sich als ausgesprochen schwierig, wie neue Verzögerungen zeigen: | |
Nicht wie ursprünglich geplant 2028 werden die Arbeiten fertig, sondern | |
erst in den 2040er Jahren, wie der Geschäftsführer des zuständigen | |
bundeseigenen Entsorgungswerks für Nuklearanlagen (EWN) bestätigte. | |
„Hinzukamen in den letzten Jahren erhebliche Kostensteigerungen infolge der | |
Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges, die unsere Finanz- und | |
Terminplanungen beeinflusst haben“, so der Sprecher weiter. | |
Damit wird der Rückbau mehr als viermal so lange dauern, [2][wie die | |
Reaktoren in Betrieb waren]. Grund dafür sei eine stärkere radioaktive | |
Kontamination als zunächst vermutet. Zudem hatte der Bund 2022 (EWN) die | |
Mittel gekürzt. 80 Mitarbeiter mussten entlassen werden. Statt der | |
geplanten 6,6 Milliarden Euro werden jetzt Kosten von 10 Milliarden | |
erwartet. | |
Verzögerungen und damit Kostensteigerungen [3][wie in Lubmin] sind kein | |
Einzelfall. Das 2005 vom Netz genommene AKW Obrigheim am Neckar sollte | |
ursprünglich im kommenden Jahr zurückgebaut sein, jetzt heißt es, die | |
Arbeiten könnten Anfang der 2030er Jahre beendet werden. | |
## In Schleswig-Holstein wurden Server zum Problem | |
„Die größte Herausforderung beim Rückbau ist die Logistik“, erklärt Jö… | |
Michels, Geschäftsführer der EnBW Kernkraftwerke GmbH. Der Abbau von | |
Systemen, deren Dekontamination und Entsorgung, dies sei von den Konzernen | |
auch im Leistungsbetrieb bereits gemacht worden. | |
„Beim Rückbau fallen aber deutlich größere Massen an“, sagte er dem SWR.… | |
Obrigheim wird kalkuliert, dass 275.000 Tonnen Material anfallen werden. | |
In Schleswig-Holstein stockt es bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen des | |
Fachpersonals. Grund ist dort eine Serverpanne, wie eine Kleine Anfrage | |
der FDP ergab: Seit April 2024 waren 824 Anträge von den Betreibern der | |
Atomkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf gestellt worden, über | |
lediglich 17 wurden entschieden. | |
„Seit dem Ausfall des Servers kam es zu Verzögerungen, da der gesicherte | |
Kommunikationsweg mit den abzufragenden Behörden nicht mehr zur Verfügung | |
stand“, erklärt das Energieministerium. Mittlerweile sei das Problem zwar | |
behoben, trotzdem sorgt die Panne für Frust in den Kraftwerken: ohne | |
Mitarbeiter:innen kein Rückbau. | |
## AfD verunsichert Betreiber | |
An den westdeutschen Standorten müssen die Betreiber der AKWs für die | |
Kosten des Rückbaus einstehen, dafür mussten sie entsprechende | |
Rückstellungen bilden. An den ostdeutschen Standorten Lubmin und Rheinsberg | |
ist das aber anders: Hier wird der Rückbau mit Steuergeld finanziert. | |
Dazu kommen politische Unwägbarkeiten: Die AfD hatte Ende Mai einen Antrag | |
auf ein Moratorium für den Rückbau der AKWs in den Bundestag eingebracht, | |
der die Abschaltung als „energie- und volkswirtschaftlichen Fehler“ | |
bezeichnet und einen Stopp der Arbeiten fordert. | |
„Der unmittelbar nach der Abschaltung initiierte Rückbau der Kernkraftwerke | |
ist dabei, vollendete Tatsachen zulasten der Energieversorgung Deutschlands | |
zu schaffen“, heißt es zur Begründung. Der Antrag wurde an den | |
Umweltausschuss des Bundestages überwiesen, was die Planungssicherheit bei | |
den Arbeiten nicht erhöht. | |
4 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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