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# taz.de -- Berlin Fashion Week: Oberflächlich gegen Oberflächlichkeit
> Das Berliner Label Haderlump präsentiert seine neue Kollektion. In „Ex
> Libris“ werden tiefere Inhalte zur reinen Ästhetik und so zur Oberfläche.
Bild: Kritische Texte bilden ein beeindruckendes Bühnenbild
Berlin taz | Berlin Fashion Week, 36 Grad im Schatten: Das Berliner Label
Haderlump präsentierte am Mittwoch, dem bisher heißesten Tag des Jahres,
seine neue Kollektion „Ex Libris“ im Kulturzentrum Haus der Visionäre,
einem denkmalgeschützten Bau zwischen Clubs, Oberbaum- und Elsenbrücke.
Eine nicht untypische Location für Haderlump. Mal werden Kollektionen im
Hangar 6 des ehemaligen Flughafens Tempelhof gezeigt, mal in der Lackhalle
des S-Bahnwerks in Schöneweide, nun also in den Hallen eines einstigen
Industriegebäudes im äußersten Norden Treptows.
Die Stadt durchdringt das Selbstverständnis des Labels und wird explizit in
die jeweiligen inszenatorischen Kontexte eingebunden. Kaum eine andere
Marke auf der Fashion Week wird dann auch so stark mit Berlin und seinem
urbanen Stil assoziiert.
Haderlump, 2021 gegründet, das sind Kreativdirektor Johann Ehrhardt,
Mitgründer Julius Weissenborn und ihr Team. Vor gerade mal vier Jahren
schloss Ehrhardt seine Ausbildung als Modedesigner am Lette Verein in
Schöneberg ab. Heute gilt Haderlump als einer der vielversprechendsten
Labels der Berliner Modebranche.
Ihr Atelier befindet sich in Neukölln. Ihr Image: jung und modern, ein
Label, das traditionelle Schneiderei mit nachhaltigem Upcycling verbindet.
Tatsächlich wird bei den Musterkollektionen fast nur mit Deadstock-Stoffen
gearbeitet, also unverkauften oder übriggebliebenen Stoffen aus der Textil-
und Modeproduktion.
## Berlin ist omnipräsent
Der Name spielt mit dieser Recycling-Haltung und -Ästhetik – und ihrer
daran anknüpfenden Kritik. Der „Haderlump“, ein „verlotterter“ Mensch,
kommt etymologisch vom „Lump“, einem Menschen in schlechter, zerschlissener
Kleidung. Der Duden schreibt, der Haderlump sei ein „verkommenes Subjekt“.
Das Label scheint mit dem Namen also ganz bewusst auf zwei Ebenen des
Zerschlissenen hinzuweisen: zum einen auf die Hadern und Lumpen, also die
Textilabfälle und Stoffreste, die es nutzt und wiederverwendet; zum anderen
auf den zerschlissenen und verlotterten „Lump“ an sich, der mit dem Label
eine Umdeutung erfahren kann.
In der Industriehalle in Treptow sind am Mittwoch zwei riesige Würfel
aufgebaut, an die unzählige Bücherseiten getackert sind. Es sind Manifeste,
eines davon stammt von einem Second-Hand-Start-up, eine leise Abrechnung
mit Fast Fashion, Verschwendung und Verschmutzung. Der Titel: „The future
of fashion starts now“, also „die Zukunft der Mode beginnt hier“. Ein
weiterer Text, der sich an den Papierwürfeln vervielfacht: „The definition
of beauty in the age of AI“ („Die Definition von Schönheit im Zeitalter von
KI“).
„Ex Libris“ lautet der lateinische Titel, der im Rahmen der Fashion Week
präsentierten Kollektion. Sie bezieht sich direkt auf die früher in Büchern
angebrachten kleinen Schilder und Wappen, die als Zeichen des Besitzes,
später auch als Porträts der eigenen Identität dienten. Das wappenartige
Grafikdesign im Jugendstil, mit dem die Kollektion arbeitet, spielt auf das
historische Bucheigner-Zeichen an, auf kulturelle Verortung, Eigentum und
individuelle Handschrift.
Während der Show fällt auf, wie sehr das Label mit romantisch-nostalgischen
Schnitten arbeitet. Gezeigt werden klassische Schneiderei, taillierte und
stark strukturierte Silhouetten oder breite Schultern mit Polstern, daneben
Mäntel mit langen Schleppen und andere Formen, die – Überraschung – an den
Jugendstil erinnern. Ein paar der Models tragen Bücher als Accessoires.
Auffallend sind die dunklen Farben, die sich von anderen Kollektionen der
Fashion Week abheben. Und: Berlin ist omnipräsent. Auch das laute DJ-Set,
das parallel zur Show läuft, soll Club-Stimmung erzeugen. Jugendstil und
Korsage meets Techno.
## Vor allem visuell beeindruckend
Die Show eignet sich Text über das Motiv „Ex Libris“ an, klebt Manifeste
und Bücher an die Wand und schmückt ihre Models damit – ohne aber den Text
zu vermitteln. Es stellt sich die Frage, welche Auseinandersetzung hier
herausgefordert werden soll. Tiefere Themen der Herkunft, Identität und
Klasse werden nur indirekt gestreift, „Ex Libris“ steht vor allem als
ästhetisches Motiv im Vordergrund. Die Show mag visuell beeindrucken.
Zugleich ist nicht klar, wohin die Reise geht, ob sie mit ihrer
historischen Referenz auf Literatur und soziale Schichten mehr will als ein
überzeugendes Bühnenbild.
Der Vorwurf, dass tiefere Inhalte zur reinen Ästhetik und so zur Oberfläche
werden, scheint im Kontext der Fashion Week zwar wohlfeil. Doch das Label
trägt ja ausdrücklich den Anspruch nach außen, sich zur eigenen
Authentizität zu bekennen. Die Inszenierung spiegelt damit eine Gegenwart,
in der Motive, Zeichen und Bedeutungen oft nur noch flüchtig gebunden
scheinen.
Kreativdirektor Johann Ehrhardt sieht Mode als „eine Art Rüstung in einer
unberechenbaren Welt“, die „schützt, befähigt und offenbart“. Die Rüst…
von Haderlump soll als Schutzwall dienen, „gegen eine Gesellschaft, die oft
von Oberflächlichkeit überwältigt ist“. Das klingt mit Blick auf „Ex
Libris“ etwas dick aufgetragen für eine Veranstaltung, die an
Oberflächlichkeit schwer zu überbieten ist.
3 Jul 2025
## AUTOREN
Alissa Geffert
## TAGS
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