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# taz.de -- Modelleben: Was abseits vom Laufsteg passiert
> Das Modelleben wird romantisiert. Ein Blick hinter die Kulissen des
> Modelalltags während der Berlin Fashion Week.
Bild: Berlin Fashion Week 2025: Models zeigen Kreationen des Designers Kilian K…
Berlin taz | Für ein ungeschultes Auge sind sie nicht zu erkennen, für ein
geschultes nicht zu übersehen: die hageren, langen Gestalten mit kantigen
Gesichtern und streng zurückgebundenen Haaren, die derzeit durch die Stadt
schweben. Sie tragen schlichte Shirts und enge Jeans, aus der Tasche lugen
High Heels und das heilige Buch – die Modelmappe.
[1][Es ist Berlin Fashion Week, das heißt: Casting-Saison.] Was viele als
Glamourleben idealisieren, ist in Wahrheit das Gegenteil. Denn Models sind
keine Stars, sie sind austauschbare Ware. Immer auf Abruf, damit der Booker
sie jederzeit durch die Stadt jagen kann.
Es ist eine Lose-lose-Situation. Wird man als Model für Castings nicht
angefragt, sitzt man zu Hause und wartet verzweifelt auf den Anruf. Wird
man angefragt, hetzt man von einem Casting zum nächsten, oft zwischen zehn
und 20 an einem Tag – unbezahlt, versteht sich.
Während der Fashion Week wohnen Models häufig in sogenannten Model-WGs, die
die Agenturen bereitstellen. Oft gilt eine Art Ausgangssperre. Weiter als
vier Kilometer dürfen sie sich nicht entfernen, um jederzeit für ein
kurzfristiges Casting abrufbar zu sein. In den WGs geben sie sich Tipps,
wie sich Essstörungen perfektionieren lassen. Auch ich habe gemodelt und
sah Mädels Wattebäusche mit Orangensaft schlucken, um den Hunger zu
besiegen. Meine Agentin sagte zu mir mit 14: „Wenn du fünf Kilo abnimmst,
kann aus dir was werden.“
## Vorschriften gegen den Magerwahn
Dabei ist der Druck in Berlin im Vergleich zu Modestädten wie Mailand oder
Paris noch „harmlos“. Weil dort wiederholt [2][Models wegen Unterernährung
während Castings oder Shows kollabierten und sogar starben], wurde
zeitweise gemessen, dass der Hüftumfang nicht weniger als 88 Zentimeter
betrug. Das Zynische daran: Wer darüber lag, bekam keinen Job mehr. Als in
Paris eingeführt wurde, dass Models ein Attest brauchen, das einen
Body-Mass-Index im Bereich des Normalgewichts bestätigt, hagelte es Kritik
von Designer*innen. Sie sahen darin eine Einschränkung der künstlerischen
Freiheit.
Die Prozedur bei den Castings ist immer gleich und immer gleich
erniedrigend: Dutzende Models sitzen vor der Tür und warten schweigend in
der Schlange, bis sie für ein paar Sekunden vorlaufen dürfen. Die
Konkurrenz wird von oben bis unten gescannt: Wer ist dünner? Wer schöner?
Nach ewigem Warten darf man schließlich seine Mappe samt Sedcard abgeben:
mit Größe, Schuhgröße und Maßen. Mit kalter Miene wird die Ware inspiziert,
abschätzige Kommentare inklusive. Anschließend wird die Ware auf einem
Förderband weitergeschoben. „Nächste!“
Der Supergau: Wenn man tatsächlich gebucht wird. Darauf folgt der einzige
„Glamour-Moment“: Das Styling. Es folgt der harte Reality-Check. Backstage
herrscht Hektik und Chaos, Models und Designer keifen sich an. Wer nicht in
die auf Größe 34/36 zugeschnittenen Kleidungsstücke passt, sorgt für Ärger.
Dann geht’s endlich raus auf den Laufsteg: Der Blick ist starr in die Ferne
gerichtet, die Hüften kreisen. [3][Im Kopf surrt der Rat des
GNTM-Laufstegtrainers] Bruce-Darnell: „Die Handtasche muss lebendig sein“.
Und so schnell ist der Spuk dann auch schon vorbei. Danach sitzt man mit
einem angeknacksten Selbstwertgefühl, einem leeren Portemonnaie und Hunger
im Bus nachhause. Hunger nach echtem Leben – und auf ein saftiges
Schawarma, nicht auf Watte mit Orangensaft.
1 Jul 2025
## LINKS
[1] /Berlin-Fashion-Week-im-Juli/!6020444
[2] /Gesundheit-in-der-Modebranche/!5445910
[3] /Essstoerung-auch-wegen-Klum-Sendung/!5299233
## AUTOREN
Lilly Schröder
## TAGS
Fashion Week
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Essstörungen
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Magersucht
Germany’s Next Topmodel
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