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# taz.de -- Langjähriger DGB-Chef Sommer gestorben: Ein Vater des Mindestlohns
> Der langjährige DGB-Chef Michael Sommer ist im Alter von 73 Jahren
> gestorben. Er engagierte sich für Arbeiter*innen weltweit. Ein
> Nachruf.
Bild: Michael Sommer, im Hintergrund Werbung für Mindestlohn auf einem Bus
Hamburg taz | Wir haben uns Anfang der 80er Jahre in Frankfurt am Main
kennengelernt. Der damalige Pressesprecher der Deutschen Postgewerkschaft,
Michael Sommer, hatte mich in die Frankfurter Zentrale seiner Organisation
eingeladen – offensichtlich um den für die Arbeitswelt zuständigen
Redakteur der neu gegründeten alternativen „tageszeitung“ kennenzulernen,
der viel über den Deutschen Gewerkschaftsbund DGB und die mitgliederstarken
Großgewerkschaften IG Metall und Gewerkschaft Öffentliche Dienste,
Transport und Verkehr (ÖTV) berichtete, aber nur wenig über seine
Postgewerkschaft.
Dabei war die Postgewerkschaft, zuständig für den damals noch staatlichen
Postkonzern, eine der am höchsten organisierten Gewerkschaften innerhalb
des DGB, die aber kaum durch spektakuläre gewerkschaftliche Aktionen
Aufsehen erregte. Das Gespräch verlief freundlich, wir tauschten uns über
unsere Studienzeit am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin aus. Er zeigte sich
gegenüber der damals noch rebellischen taz – anders als zeitweise die IG
Metall – freundlich distanziert, so wie es für einen liberalen
sozialdemokratischen Gewerkschafter opportun war.
Michael Sommer ist im ländlichen Büderich geboren, musste als Kind eine
Zeit lang in einem Waisenhaus verbringen und zog schließlich mit seiner
Mutter nach Berlin. Er kam von ziemlich weit unten, engagierte sich früh in
den Gewerkschaften, studierte Politikwissenschaft und stieg als
hauptamtlicher Sekretär in der Postgewerkschaft bis zum stellvertretenden
Vorsitzenden auf.
In dieser Position setzte er sich Ende der neunziger Jahre engagiert für
das Projekt „Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft“ (Verdi) ein, den in
seiner Deutschen Postgewerkschaft DPG und einigen anderen
Gründungsgewerkschaften durchaus umstrittenen Zusammenschluss zu einer
Großgewerkschaft mit damals noch mehr als zwei Millionen Mitgliedern.
## Sicherheit für Millionen Niedriglöhner
Nach der Verdi-Gründung im März 2001 trafen wir uns wieder – er als einer
der stellvertretenden Verdi-Vorsitzenden, ich als Verantwortlicher für den
Medienbereich. Er war ein bisschen misstrauisch, ob ich nun mit der neu
konzipierten Mitgliederzeitung publik eine „gewerkschaftliche taz“ gründen
wolle, verhielt sich aber immer kollegial und unterstützend auf alle
Informationsnachfragen.
Dies zeigte sich besonders bei der Kampagne für den gesetzlichen
Mindestlohn, für den er sich auch ab 2002 als Vorsitzender des DGB
engagierte. Sommer gilt, neben dem langjährigen Verdi-Vorsitzenden Frank
Bsirske, als einer der Väter dieser 2012 beschlossenen Reform, die für
Millionen Beschäftigte im Niedriglohnbereich mehr Sicherheit brachte.
Sommer ist bis 2014 DGB-Vorsitzender geblieben. Er hat sich in den
internationalen Gewerkschaftsbünden für die Arbeiterinnen und Arbeiter im
globalen Süden engagiert. Die Katastrophe, der [1][Einsturz der Textilfabik
Rana Plaza in Bangladesch], hat ihn tief erschüttert. Ab 2010, nach seiner
Wahl als Vorsitzender des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), hat er
für ein [2][Lieferkettengesetz auf europäischer und deutscher Ebene]
gekämpft. Michael Sommer ist in der Nacht von Sonntag auf Montag im Alter
von 73 Jahren gestorben.
Autor Martin Kempe war Gründungsmitglied der taz und langjähriger
taz-Redakteur für Arbeitswelt und Gewerkschaften.
1 Jul 2025
## LINKS
[1] /Fabrikeinsturz-in-Bangladesch/!5063362
[2] /Das-Lieferkettengesetz/!6083469
## AUTOREN
Martin Kempe
## TAGS
DGB
Gewerkschaft
Michael Sommer
Lieferketten
DGB
Bangladesch
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