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# taz.de -- Panter Preis 2025: „Man muss einfach tun, was man für richtig h�…
> Die Panter-Preis-Laudatorin erinnert an die Holocaust-Überlebende Melanie
> Berger. Die war stark, weil sie Teil einer Gruppe war. Und damit
> beispielhaft.
Bild: Bedächtige Worte: Laudatorin Elke Schmitter bei der Panter Preisverleihu…
Der [1][taz Panter Preis] für zivilgesellschaftliches Engagement wird in
diesem Jahr zum 20. Mal vergeben. [2][Bei der erste Runde der
Preisverleihung] in Halle hielt Elke Schmitter die Laudatio, die wir hier
dokumentieren. Der Preis ist mit zweimal 5.000 Euro dotiert. Die zweite
Runde der Preisverleihung findet [3][am 5. Juli in Bochum] statt.
Liebe Kandidat:innen für den taz Panter Preis, liebe Jury und liebe
Gäste,
vor einigen Wochen war ich im österreichischen Kulturinstitut in Berlin. Es
war, anders als heute, sehr heiß, und man wäre froh gewesen um jeden freien
Platz, wegen der Luftzirkulation, aber es war voll, und immer wieder
brachten die Ordner noch Stühle nach. Wir saßen da mit unseren
Wasserflaschen und guckten auf einen imposanten Flügel, schwarz lackiert,
ein Meisterstück der Instrumentenkunst; der blieb aber stumm.
Stattdessen nahm auf dem Podium eine zierliche, kleine Person Platz;
weißhaarig und in Pastelltönen gekleidet. Melanie Berger kam aus Frankreich
und sprach Deutsch mit Wiener Akzent. Sie hatte Schneiderin gelernt, das
war aber sehr lang her, denn bei ihrem Besuch in Berlin war sie 104 Jahre
alt. Und sie war eingeladen als Schneidermeisterin des Schicksals – ihres
eigenen, aber auch des Schicksals von vielen Menschen, die sie beeinflusst
und denen sie geholfen hat.
Als sie geboren wurde, war sie jüdisch. Als sie noch ein Kind war, begriff
sie, dass ihre Familie arm war. Als sie eine Jugendliche war, schloß sie
sich den Trotzkisten an. Nicht, weil sie alle Schriften, die
leninistischen, die trotzkistischen, die historischen und aktuellen,
aufmerksam geprüft hätte; dazu hatte sie gar keine Zeit, und dazu fehlte es
auch an Bildung. Aber die Leute waren ihr sympathisch. Man ging an die
Donau, um da zu baden, und zwar nackt. Man saß in der Sonne auf den
Uferwiesen, man sprach über die Armut und die reichen Leute, und immer
öfter sprach man auch über Angst.
## Eine Herausforderung für alle – damals wie heute
Der Austrofaschismus war bereits in vollem Gange, als sie Melanie Berger 13
war. Es gab Übergriffe, es gab Schlägereien, es gab häßliche kleine
Zwischenfälle. So etwas wie vor einigen Wochen in Kaiserslautern, [4][als
vier Stolpersteine aus dem Pflaster gerissen und gestohlen wurden]; vier
schimmernde, kleine Steine, die an die Familie Henè erinnerten, von der nur
ein junges Mädchen den Nationalsozialismus überlebte.
Es war damals so, wie es heute ist, in jedenfalls einer Hinsicht: Jedes
einzelne dieser hässlichen Ereignisse fordert alle heraus, die davon
erfahren. Stellt eine Art Prüfung dar: Will ich davon wissen? Will ich es
auf mich wirken lassen, will ich mich damit befassen? Nehme ich es als ein
Teil von etwas Größerem oder schüttele ich das Unbehagen ab und sage mir:
ein Einzelfall. Ein paar Verrückte. Nichts von Bedeutung.
## Kommunistin als männlicher Arbeiter getarnt
Für Melanie Berger war damals klar: all das, was sie um sich herum erlebt,
hat Bedeutung. Und eine unwillkommene, eine unangenehme und gefährliche
Wirkung. Nicht nur, aber dann auch für sie selbst. Als sie fünfzehn Jahre
alt war, nahm sie an der illegalen Arbeit für die Partei „Revolutionäre
Kommunisten Österreich“ teil, als sie 17 war, floh sie nach Frankreich.
Schnitt sich die Haare ab und tarnte sich an der Grenze als männlicher
Arbeiter. Wechselte später wieder die äußere Erscheinung und wurde
Dienstmädchen. Floh vor der deutschen Wehrmacht in den Süden Frankreichs,
kam in Toulouse ins Gefängnis und wurde wegen „kommunistischer und
anarchistischer Aktivität“ zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Die Geschichte von Melanie Bergers Befreiung aus dem Gefängnis ist, wie die
Geschichte ihrer Arbeit im Untergrund, eine politische Kriminalgeschichte
mit allem, was dazugehört: in Hosensäume eingenähtes Geld – schließlich w…
sie Schneiderin -, Klopfzeichen im Geheimcode, Decknamen und geschmuggelte
Kassiber, Geheimtinte, gefälschte Papiere und Verkleidung in
Wehrmachts-Uniform. Man kann das alles nachlesen [5][in der Biografie von
Nils Klawitter, die gerade von ihr erschienen ist, unter dem Titel: „Die
kleine Sache Widerstand“].
„Die kleine Sache“, das ist ein Zitat von ihr. Weil es „kleine Sachen“
waren, die sie machte; kleine, erst unscheinbare, dann hochgefährliche
Sachen. In Österreich, zum Beispiel: Leute begleiten, die, das ist unser
Wort heute, „diskriminiert“ wurden. Angepöbelt, bedroht, in Furcht
versetzt, geschlagen. Von Leuten, die immer sichtbarer, immer
selbstbewusster wurden mit ihrem Programm, andere Menschen immer weniger
sichtbar und immer ängstlicher zu machen. Wenn man sie fragt, warum sie das
machte, sagte sie: „Man darf nicht nachdenken, dann kommt die Angst. Man
muss einfach tun, was man für richtig hält. Und ich war ja auch nicht
allein.“
Melanie Berger war nicht allein im Gefühl und nicht allein mit ihrem
Verstand. Sie war hin und wieder von ihren Kameraden und Freundinnen
körperlich getrennt – als sie nach Frankreich floh und später, als sie in
Einzelhaft im Gefängnis saß. Aber sie hat sich nie als Einzelne begriffen.
So, wie sie ja auch das politische Denken nicht für sich allein entdeckte.
Sondern im Zusammensein mit Menschen, die ihr sympathisch waren. Mit denen
sie reden, feiern, in der Donau baden konnte.
## Ein Netz aus Sympathie und Vertrauen
Diese Gruppe war heterogener als ihre Herkunft, ihre Familie und ihr
Milieu. Das hieß: Sie war auch reicher an Begabungen, an Kenntnissen und an
Ideen. Sie bildete ein Netz aus Sympathie und Vertrauen, aus Ideen und
Tapferkeit; ein Netz, das immer größer wurde. Jeder einzelne Knotenpunkt,
jeder einzelne Mensch in diesem war so fragil oder so entschlossen, so
mutig oder so ängstlich, wie Menschen eben sind. Aber das Ganze war eine
Schwarmintelligenz: unentwegt lernend, selbstreflexiv, mit nachwachsender
Solidarität. Erst die Gruppe, so kann man es mit heutigen Worten sagen,
ermöglicht Selbstwirksamkeit. Das klingt nur paradox, denn warum sollte es
mit im Leben anders sein als am Anfang: Verbindung ist das, was uns
buchstäblich lebendig hält.
Alle Kandidaten für den Panter Preis haben dieses Versprechen gegeben und
gehalten: dass ihre Netze da sind, um sich zu vergrößern. Dass es nicht nur
um die Gruppe geht, die nach außen wirkt – indem sie Schwächere schützt,
Bedrohte verteidigt und einen Ring aus Stärke um alle bildet, die diese
Stärke dringend brauchen. Sondern dass die Gruppe sich auch selber stärkt.
Ich glaube, niemand kann Tag und Nacht und jede Minute politisch bewusst,
kämpferisch entschlossen, solidarisch und effizient sein.
Auch Melanie Berger war das nicht. Sie war Teil einer Gruppe, durch die sie
werden konnte, wer sie ist. Eine Gruppe wie die Kandidaten für diesen
Panter Preis, die hier aus mehreren Bundesländern und Himmelsrichtungen
zusammentreffen.
Die Gruppe, für die die Jury sich entschieden hat, ist schon besonders
lange aktiv, sie ist so schlau und hat so viele Arme wie ein Oktopus. Sie
greift aus in die Stadtgeschichte und in die politische Bildung. Sie macht
workshops, sie gibt Kultur ein Forum, und sie organisiert Demonstrationen.
Sie kümmert sich um die manchmal schwarze Gegenwart wie um eine hellere
Zukunft, und ich bin sicher, sie wird sich auch hier vernetzen. Denn das
ist der gute Sinn der Sache.
Ich freue mich, den taz-Panter-Preis 2025 zu übergeben an das [6][Bündnis
gegen Rechts Kaiserslautern].
9 Jun 2025
## LINKS
[1] /taz-panter-stiftung/taz-panter-preis/!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae401…
[2] /!vn6093365/
[3] /taz-Panter-Preis-in-Bochum-am-572025/!vn6081595/
[4] https://www.instagram.com/p/DJ6A0pFtkRp/
[5] /Buch-ueber-Widerstandskaempferin/!6037482
[6] https://www.youtube.com/watch?v=VBriwT8J6oY
## AUTOREN
Elke Schmitter
## TAGS
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