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# taz.de -- Retrospektive Black British Cinema: Die Farbe von Kaffee
> „Pioneers of Black British Cinema“: Das Berliner Arsenal Kino zeigt
> queerfeministische, widerständige Filme Schwarzer Regisseur:innen.
Bild: Isaac Julien drehte 1991 „Young Soul Rebels“ über die schwule London…
„You are glorious“, schwärmt der Mann in Safari-Uniform, während eine nur
mit Schmuck behängte dunkelhäutige Frau vor ihm tanzt, im Hintergrund
Zebrafell und Leoparden-Trophäe. Bald ist der „Colonel“ tot. Eine Collage
aus Zeitungsausschnitten erzählt von einer rätselhaften Suizid-Serie bei
vielen anderen alten weißen Männern – und von einer geheimnisvollen
flüchtigen Frau. Auch ein auf Maisie Blue angesetzter Detektiv verfällt
seinen Projektionen Schwarzer Weiblichkeit. Ihren wahren Namen will sie ihm
nicht sagen: „Du könntest ihn doch nie aussprechen.“ Den auf einem
Keramiktorso (ein Beweismittel) eingeritzten Spruch in unbekannter Sprache
übersetzt sie zum Titel des Films: „White Men Are Cracking Up“.
Dieser genre-verspielte und humorvolle Kurzfilm von Ngozi Onwurah ist
Samstag im Wedding zu sehen. 2018 hatte das [1][British Shorts Film
Festival] dort den „Pioneers of Black British Cinema“ (mit Kurzfilmen aus
den 60er Jahren) eine Retrospektive gewidmet. Nun kommt – wieder kuratiert
von Henning Koch für das Arsenal – eine Fortsetzung mit Arbeiten aus den
Jahren 1975 bis 95, als neue Förder- und Vertriebsmöglichkeiten dem
Schwarzen Britischen Film stabilere Grundlagen schafften und bald
feministische und queere Perspektiven den Diskurs bereicherten. So
[2][Isaac Julien], der 1991 in „Young Soul Rebels“ den Mord an einem jungen
Cruiser im Park von Dalston zum Anlass nahm für ein munteres Period Piece
um schwule Londoner Subkultur der Endsiebziger und Grabenkämpfe zwischen
Funk, Punk und rassistischen Skins.
Im Programm als Deutschlandpremiere auch der erste Langfilm eines Schwarzen
Regisseurs: „Pressure“ von Horace Ové inszenierte 1975 die
Coming-Of-Age-Geschichte eines Westlondoners, der versucht, zwischen
elterlichen Ambitionen und Besserwissereien seines älteren Bruders den
eigenen Platz zu finden. Sechs weitere Jahre bis in die Zeit von Thatcher
und New British Cinema braucht es bis zum zweiten Schwarzen UK-Spielfilm
(„Burning an Illusion“, Regie: [3][Menelik Shabazz]), dessen Heldin
(ebenfalls in London) sich als junge Büroangestellte ein kleinbürgerliches
Leben wünscht. Doch der coole junge Mann, den sie kennenlernt, empfängt in
ihrem Wohnzimmer bald nach bester Macho-Manier Kumpels zu Trunk und
Kartenspiel; seinen Job opfert er der „dignity as a black man“. Shabazz’
Film erzählt vielschichtig von damaligen Lebensrealitäten, Polizeigewalt
und dem Sexismus auch afrobritischer Männlichkeit, verpackt dies aber in
einen politischen Bildungs-Aufbau-Roman. Der führt seine Heldin am Ende in
eine gemeinsam Kampflieder schmetternde Black-Power-Frauengruppe.
## Weibliche ästhetische Integrität
Einen weniger glatten Blick auf Repression und Polizeigewalt wirft ein
Film, in dem die jungen MitstreiterInnen des Black Audio Film Collective um
[4][John Akomfrah] Vorfälle in Birmingham 1985 verfolgen. Dort hatte ein
Polizeieinsatz wegen eines Verkehrsvergehens junge Menschen zu vehementem
Protest auf die Straße gebracht. „Handsworth Songs“ reflektiert diese
dreitägigen Unruhen in einer assoziativen Assemblage aus Bildern, Stimmen
und Musik, die dokumentarische Aufnahmen und mediale Zeugnisse der
Ereignisse in Resonanz mit atmosphärisch starken Bildern und Impressionen
aus der Geschichte der karibischen Arbeitseinwanderung bringen.
Vierzehn Jahre brauchte es von „Burning an Illusion“ bis zum ersten langen
Spielfilm einer Schwarzen Frau an der Regie: Ngozi Onwurahs
rassimus-kritische Dystopie „Welcome II the Terrordome“, die leider nicht
Teil des Programms ist. Dafür aber vier von 1988 bis 1994 entstandene kurze
Filme der (als Gast zum Gespräch bereiten) Regisseurin, die sich in höchst
persönlichen ästhetisch geschliffenen und verdichteten Miniaturen mit
Körper- und Identitätspolitiken auseinandersetzen.
So bearbeitet „The Body Beautiful“ kraftvoll Vorstellungen weiblicher
ästhetischer Integrität in Auseinandersetzung mit der Brustkrebserkrankung
von Mutter Madge, die den Mut hatte, mit ihrem versehrten Körper selbst im
Film aufzutreten. „Coffee Coloured Children“ beschreibt eigene
Über-Identifikationen um das Aufwachsen in einer weißen Nachbarschaft und
traumatisierende rassistische Übergriffe. Und „Flight of the Swan“ (1992)
konfrontiert stereotype europäische Hochkultur nach Momenten der
Ausgrenzung mit Widerständigkeit; klassisches Ballett mit Stummfilmgestik
und nigerianischer Spiritualität: eine kühne filmische Unternehmung, die in
nur zwölf Minuten eine Ahnung von den Möglichkeiten neuer kreolisierter
kultureller Identitäten entwirft.
27 Jun 2025
## LINKS
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[2] /Kunst-und-Kolonialismus-in-London/!6002805
[3] /Nachruf-auf-Regisseur-Menelik-Shabazz/!5779435
[4] /Ausstellung-mit-Videokunst-in-der-Schirn/!5972695
## AUTOREN
Silvia Hallensleben
## TAGS
Kino
Großbritannien
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Videokunst
taz Plan
Schwerpunkt Rassismus
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