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# taz.de -- Eskalation in Nahost: Irans Luftnummer
> Das Raketenarsenal des Iran geht langsam zur Neige. Es setzt auf
> Kamikazedrohnen und unterirdischen Atomanlagen.
Bild: Hossein Salami, Chef der iranischen Revolutionsgarden, wurde bei einem de…
Zerstörte Wohnblöcke, Dutzende Tote. Die Vergeltungsschläge des Iran am
Wochenende für die Angriffe Israels auf die militärische Infrastruktur des
Landes waren erbarmungslos. Eigentlich hatte Israel bereits im vergangenen
Jahr die iranische Luftabwehr und iranische Waffenarsenale durch gezielte
Luftschläge stark dezimiert. Dass Iran jetzt dennoch über eine solche
Schlagkraft verfügte, war daher für manche eine Überraschung. Die
Gegenschläge wären vermutlich sogar noch viel massiver ausgefallen, wenn
der Mossad nicht das Regime infiltriert und einiges verhindert hätte.
Was in Israel Angst und Schrecken verbreitete, sorgte in den umliegenden
arabischen Staaten für Schadenfreude. Ein Iraker mit Verbindungen zur
irakischen Regierung schrieb auf einem Messenger-Dienst: „Seit Jahrzehnten
trichtern uns Politiker und Medien ein, dass Israel unantastbar sei. Jetzt
sehen wir, dass auch Israel verwundbar ist. Das allein ist für uns ein
Grund zum Feiern.“
Wie lange Irans Gegenwehr noch anhält, ist indes fraglich. Die weitaus
größte Bedrohung für Israel geht aktuell von Irans ballistischen Raketen
aus. Deren Arsenal ist zwar das größte im gesamten Nahen Osten – ist aber
doch begrenzt.
Ein Vergleich des Militärs der beiden Länder fällt zahlenmäßig – zuminde…
auf den ersten Blick – zugunsten des Iran aus: Das reguläre iranische Heer
zählt 600.000 Männer – im Vergleich zu 170.000 aktiven israelischen
Soldaten.
## Invasion mit Bodentruppen hat wenig Erfolgsaussicht
Dazu kommen im Iran noch rund 200.000 [1][Revolutionsgardisten, eine
paramilitärische Truppe], die weit besser ausgestattet ist als das reguläre
Heer. Den Revolutionsgarden unterstehen außerdem die sogenannten Basidschi,
eine zumindest in Teilen stark indoktrinierte Freiwilligenmiliz, deren
genaue Mitgliederzahl nicht bekannt ist, aber in Millionenhöhe gehen
dürfte. Eine Invasion des Iran durch Bodentruppen hätte daher wenig
Aussichten auf Erfolg.
Anders stehen die Verhältnisse in der Luft: Die veraltete Fliegerflotte des
Iran ist sowohl zahlenmäßig als auch qualitativ weit unterlegen. Ein
entscheidender Faktor für den Ausgang des aktuellen Luftkriegs sind aber
vor allem die Raketen- und Drohnenarsenale. Was die iranischen Raketen so
gefährlich macht: Wenn Teheran Dutzende oder gar Hunderte auf einmal
abfeuert, kann das die israelische Luftabwehr überlasten.
Auch in den vergangenen Tagen hätten laut israelischer Armee fünf bis zehn
Prozent der iranischen Raketen die verschiedenen Abwehrsysteme
durchbrochen. Dabei ist jede Rakete mit mehreren Hundert Kilogramm
Sprengstoff bestückt und kann bei einem Einschlag ganze Gebäudekomplexe
zerstören.
Neben der Eliminierung des iranischen Atomprogramms nennt die israelische
Regierung die Zerstörung des Raketenprogramms daher als zweites Ziel ihrer
Militäroperation „[2][Rising Lion]“. In einer Videoerklärung am
Freitagabend sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Iran strebe
die Herstellung von 300 ballistischen Raketen pro Monat an, was nach sechs
Jahren eine Gesamtzahl von 20.000 Raketen bedeute.
## Mit jedem Kriegstag schrumpfen die Bestände
Im Augenblick sind die iranischen Arsenale davon weit entfernt. Nach
Schätzungen israelischer Militärexperten verfügte Iran zu Beginn der
Eskalation über rund 2.000 Raketen. Und mit jedem weiteren Kriegstag
schrumpfen die Bestände weiter: Allein am 14. Juni, am Tag nach Israels
erster Angriffswelle, feuerte das iranische Militär 200 solcher Raketen auf
Israel ab.
Man kann sich ausrechnen, dass es nicht lange dauern dürfte, bis der Iran
seine Raketen aufgebraucht hat, wenn er mit diesem Tempo weitermacht. Hinzu
kommen die Verluste durch israelische Luftschläge. So vermutet die
Denkfabrik „Institute For The Study Of War“ (ISW), dass der Iran nicht mal
eine Woche nach Beginn der Eskalation schon zwischen einem Drittel und der
Hälfte aller Raketen verschossen haben könnte.
Angesichts dessen verwundert es nicht, dass Irans Raketensalven in den
vergangenen Tagen mit jedem weiteren Angriff schwächer wurden. Am Sonntag
waren es laut dem Jewish Institute of National Security of America noch 105
iranische Raketen und am Montag nur noch 65 Raketen pro Tag.
Laut dem israelischen Militärsprecher Effie Defrin hat dies auch damit zu
tun, dass die israelische Luftwaffe bereits ein Drittel der iranischen
Raketenwerfer zerstört habe. Jeder Werfer hätte im Laufe des aktuellen
Krieges Dutzende von Raketen abfeuern können. Nun habe die Islamische
Republik am Montag nur etwa die Hälfte der geplanten Raketen abfeuern
können, sagte Defrin.
Solche Informationen beruhen auf israelischen Schätzungen. Dabei ist jedoch
nicht ausgeschlossen, dass das iranische Regime noch zu Überraschungen in
der Lage sein könnte. Beispielsweise zeigen einige Aufnahmen, die das
israelische Militär am Samstag veröffentlicht hatte, mindestens einen
Raketentyp, den der Iran zuvor noch nie auf Israel abgefeuert hatte.
Bei der Rakete mit dem Namen „Shahed Haj Qassem“ handelt es sich laut dem
Militärexperten Tal Inbar um eine Feststoffrakete, die vor dem Start nicht
betankt werden muss, was bedeutet, dass sie jahrelang unterirdisch gelagert
werden kann und innerhalb von Minuten einsatzbereit ist.
Schon seit Freitag hat der Iran zudem verschiedene Arten von Drohnen
eingesetzt, die laut Kiumars Heydari, Kommandeur der iranischen
Bodenstreitkräfte, mit „präzisen Zerstörungs- und Zielfähigkeiten
ausgestattet sind“ und „strategische Positionen“ in Tel Aviv und Haifa
zerstört hätten.
## Iran hat Drohnen kontinuerlich modernisiert
In den vergangenen Jahren hatte Iran seine Drohnenflotte immer weiter
ausgestattet und modernisiert. Symbolisch dafür sind die
[3][„Schahed“-Kamikazedrohnen, die Iran seit Russlands Überfall auf die
Ukraine 2022 in großer Zahl an den Kreml verkauft hat.] Der Einsatz solcher
Kamikazedrohnen soll nun auch im Kampf gegen Israel intensiviert werden,
sagte Heydari laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna am Dienstag.
Iranische Drohnen könnten den Abnutzungskrieg mit Israel selbst dann
verlängern, wenn seine Raketenarsenale verbraucht sind. Und das kann für
Israel zum Problem werden, denn auch dessen Abwehrkapazitäten gehen zur
Neige. Die Zeit, die die Islamische Republik dadurch gewinnen könnte,
braucht sie dringend – nicht nur, um sich nach der Dezimierung ihrer
militärischen Elite personell und strategisch neu aufzustellen, sondern
vermutlich auch, um [4][mit Hochdruck die Atombombe zu bauen.]
Erst dann hätte das Regime auch ohne ballistische Raketen wieder eine
ausreichend hohe militärische Abschreckung, um sich vor weiteren
feindlichen Interventionen zu schützen und in künftigen Verhandlungen mit
Israel und den USA wieder an einem längeren Hebel zu sitzen.
Dass der Iran Nuklearwaffen produziert, ist theoretisch weiterhin denkbar.
Denn die Zerstörung des iranischen Atomprogramms – sein erklärtes
Kriegsziel – hat Israel noch nicht erreicht. Zwar wurden die oberirdischen
Anlagen in Natans und Isfahan durch bisherige Angriffe schwer beschädigt,
doch das eigentliche Herzstück des iranischen Atomprogramms ist die
unterirdische Anlage in Fordo. Und die scheint, genauso wie die
unterirdischen Teile der Nuklearanlagen in Natans, weiterhin intakt zu
sein.
Um so weit unter die Erde zu dringen und das Atomprogramm vollständig zu
zerstören, fehlen Israel die notwendigen bunkerbrechenden Bomben. Nun hängt
alles davon ab, ob die USA einspringen und Israel noch rechtzeitig zu
seinem Erreichen seines Kriegsziels verhelfen werden. Zum derzeitigen
Zeitpunkt erscheint dieses Szenario zumindest immer wahrscheinlicher.
18 Jun 2025
## LINKS
[1] /Iranische-Revolutionsgarden/!t5586860
[2] /-Eskalation-in-Nahost/!6094019
[3] /Russische-Attacken-auf-die-Ukraine/!6029709
[4] /SIPRI-Friedensforscher-zu-Atommwaffen/!6094120
## AUTOREN
Kourosh Ardestani
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