# taz.de -- Überwachung von Journalisten in Italien: Stille Spione | |
> Zwei Journalisten der italienischen Nachrichtenseite Fanpage werden über | |
> Monate hinweg überwacht – doch keiner will es gewesen sein. | |
Bild: Francesco Cancellato und sein Kollege sind Opfer ein raffinierten Spionag… | |
Für Francesco Cancellato, Chefredakteur der für investigativen Journalismus | |
bekannten Website Fanpage.it, beginnt diese Geschichte am 31. Januar. An | |
dem Tag bekommt er eine Mitteilung von Mark Zuckerbergs Meta, dass auf | |
seinem Mobiltelefon eine Späh-Software namens Graphite läuft. Die Software | |
ist vom Feinsten: Sie bietet einen Komplettzugriff auf alle Inhalte eines | |
Handys, inklusive der Kommunikation bei WhatsApp, Signal oder Telegram, | |
auch wenn die Ende-zu-Ende verschlüsselt ist. Und das Spähprogramm wird mit | |
einer einfachen SMS installiert, ohne dass das Opfer auch nur einen Klick | |
getätigt hätte. | |
Auf dem freien Markt ist Graphite nicht zu haben. Die israelische Firma | |
Paragon Services, die das Programm entwickelt hat, rühmt sich, es nur an | |
lupenrein demokratische Regierungen und deren Geheimdienste zu verkaufen. | |
Italiens Regierung gehört zu den Kunden. Sie erwarb Graphite für ihren | |
Auslandsgeheimdienst AISE ebenso wie für den Inlandsdienst AISI. Und sie | |
gibt auch zu, die Software eingesetzt zu haben – allerdings gegen | |
Seenotretter, nicht gegen Journalisten. | |
Seit 2019 wurde Luca Casarini, Chef der NGO Mediterranea Saving Humans, von | |
den Diensten abgehört, mit Billigung des damaligen Regierungschefs Giuseppe | |
Conte von den Fünf Sternen. Und seit 2024 – unter Ministerpräsidentin | |
Meloni – kam gegen Casarini sowie weitere seiner Mitstreiter auch die | |
Graphite-Software zum Einsatz. Gerichte ebenso wie die Regierung hatten die | |
Aktion gebilligt. | |
Ganz anders allerdings liegt der Fall bei dem Journalisten Cancellato. Hier | |
gibt es kein Eingeständnis der Regierung, keines der Geheimdienste. | |
Angeblich hatte ihn in Italien niemand auf dem Schirm, ebenso wenig wie | |
seinen Kollegen von Fanpage, Ciro Pellegrino. Dass auch er auf seinem | |
iPhone ausgespäht wurde, erfuhr er Ende April direkt von Apple. Und letzte | |
Woche legte das Universitätslabor The Citizen Lab aus Toronto – es arbeitet | |
mit Meta zusammen – einen Report vor, dem zufolge noch ein weiterer | |
„prominenter europäischer Journalist“ ausspioniert wurde. | |
## Aufklärung? Nein Danke | |
Doch in Rom geben sich alle ahnungslos. Ein Angebot des Herstellers zur | |
Aufklärung wurde dankend abgelehnt, mit der Begründung, Paragon müsse dafür | |
zu weit in Italiens Geheimdienstserver eindringen. Nur eines ist sicher: | |
Die gedeihliche Zusammenarbeit zwischen der israelischen Firma und der | |
italienischen Regierung ist beendet. Paragon sagt, die Firma habe den | |
Vertrag mit Rom zunächst suspendiert und dann gekündigt, Italiens | |
Geheimdienste wiederum erklären, sie hätten ihrerseits schon im Februar auf | |
die Paragon-Dienste verzichtet. | |
Die Regierung zeige sich „sehr interessiert, Schuld von sich zu weisen, | |
nicht jedoch daran, Licht in die Geschichte zu bringen“, erklärt Cancellato | |
der taz am Telefon. Stimme die Version der Rechtskoalition, dann könne der | |
Auftrag für die Spionageaktion nur aus dem Ausland kommen, und das mag | |
Cancellato nicht recht glauben. Schließlich konzentriert sich Fanpage auf | |
innenpolitische Themen. | |
So machte im Juni 2024 ein investigatives Stück Furore, das zeigte: Die | |
Jugendorganisation der Meloni-Partei Fratelli d’Italia lässt bei internen | |
Treffen und Feiern immer wieder gerne die guten alten Mussolini-Zeiten | |
hochleben, inklusive römischem Gruß, dem Absingen faschistischer Lieder und | |
antijüdischen Ausfällen. | |
Dennoch will die Meloni-Regierung mit der offenkundig illegalen | |
Spionageaktion gegen Fanpage nichts zu tun haben. Und bisher kommt sie | |
damit problemlos durch. Auch Francesco Cancellato wundert sich, dass in | |
Italien ein öffentlicher Aufschrei nicht zu vernehmen ist. | |
18 Jun 2025 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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