# taz.de -- Die 135 Tage von Trump: Taco Man vs. die Sesamstraße | |
> Nach vier Monaten im Amt werden die Grenzen von Trumps Willkür sichtbar. | |
> Doch der Schaden, den er bereits angerichtet hat, ist gewaltig. | |
Bild: Mit der Abrisskugel gegen die Demokratie | |
Manchmal glaubt Donald Trump, er sei nicht nur Präsident der USA, sondern | |
auch Papst. Anfang Mai postete er ein täuschend echt wirkendes Konterfei | |
von sich in päpstlichem Ornat auf seinem Netzwerk Truth Social, während in | |
Rom noch das Konklave über die Nachfolge des verstorbenen Papsts Franziskus | |
beriet. Manchmal führt er sich auch auf, als sei er der Emir von Mar-a-Lago | |
und lässt sich auf seiner ersten Auslandsreise in Saudi-Arabien wie ein | |
orientalischer Monarch feiern und mit einer Boeing 747 beschenken. Über den | |
saudischen Premierminister Mohammed bin Salman sagte Trump: „Ich glaube | |
wirklich, wir mögen uns sehr.“ | |
Weniger wohl als unter absolutistischen Potentaten fühlt Trump sich in | |
seinem Amt im Weißen Haus, dem durch die Verfassung der USA und die darin | |
festgeschriebene Gewaltenteilung klare Grenzen gesetzt sind. Die aber will | |
Trump nicht gelten lassen. Vor Kadetten der Militärakademie West Point | |
sagte er Ende Mai: „Wir hatten den größten Wahlsieg. Wir haben ein klares | |
Mandat, und es gibt uns das Recht zu tun, was wir wollen, um unser Land | |
wieder groß zu machen. Und das ist es, was wir tun werden.“ Nicht immer | |
klingt Trump so pathetisch, er kann auch drohen: „Unser Land wird nicht | |
mehr ‚woke‘ sein“, sagte er dem Kongress, und er werde die „Tyrannei“… | |
„illegalen und radikalen“ Diversitätsprogrammen beenden. | |
Bei seiner Amtseinführung hatte Trump versprochen, dass nun ein „Goldenes | |
Zeitalter für Amerika“ beginne. 135 Tage sind seither vergangen, in denen | |
sich die Trump-Schlagzeilen im Stundentakt ablösten: Er will Grönland | |
annektieren, die verfassungsmäßige US-Staatsangehörigkeit per Geburt | |
abschaffen, Millionen von Migranten ohne geregeltes Verfahren abschieben, | |
Gaza zu einer zweiten Côte d’Azur machen, per Telefon Putin zum | |
Waffenstillstand im Ukrainekrieg überreden oder den Eliteuniversitäten wie | |
Harvard oder Columbia vorschreiben, wer dort welche Inhalte studieren darf. | |
Wenn ihm jemand widerspricht, wird er ausfallend und postet wüste | |
Beschimpfungen. Das trifft oft seinen Vorgänger Joe Biden, aber auch Putin, | |
den Supreme Court, Bruce Springsteen und Taylor Swift, sogar die | |
Sesamstraße. | |
Eine Zwischenbilanz nach vier Monaten Trump 2.0 fällt ernüchternd bis | |
erschreckend aus. Mit der Abrissbirne sind Trump, sein Kabinett und das von | |
ihm ins Leben gerufene Department of Government Efficiency (DOGE) gegen | |
Rechtsgrundsätze, Institutionen, kulturelle Einrichtungen und Programme | |
vorgegangen, die ihnen nicht gefielen. Geschleift wurde vom | |
Verbraucherschutz über die Wetterbehörde vieles, das US-Bürger*innen im | |
Alltag schützt. Wegen Personalkürzungen seien selbst die Inflationszahlen | |
nicht mehr verlässlich, musste die zuständige Behörde einräumen. | |
## Taco Man | |
Mit Handelszöllen, die erratisch angekündigt und kurz darauf wieder | |
zurückgenommen wurden, verunsicherte der Anführer der größten | |
Volkswirtschaft der Welt Märkte und Unternehmen. Ein Journalist an der Wall | |
Street hängte ihm das spöttische Etikett „Taco Man“ um, das begierig in d… | |
sozialen Medien aufgegriffen und zu lustigen Memes wurde. „Taco“ steht für | |
„Trump always chickens out“ – Trump zuckt doch immer wieder zurück. Als … | |
darauf angesprochen wurde, beschwerte er sich über eine solche | |
„Bösartigkeit“. | |
Jedenfalls schrumpfte die US-Wirtschaft im ersten Quartal um 0,3 Prozent. | |
Eigentlich sollten die Zölle Investitionen und Industriejobs in die USA | |
zurückbringen. Trumps Handelsminister Howard Lutnick beteuerte, man könne | |
iPhones statt in China auch in den USA produzieren. Dabei ging er lässig | |
darüber hinweg, dass ein Gerät dann vermutlich 3.500 Dollar kosten müsste. | |
Trump wollte seine wichtigsten Vorhaben – darunter Streichung von | |
Sozialprogrammen und der Förderung von klimafreundlichen Technologien | |
verbunden mit Steuersenkungen für die Wohlhabendsten – in einer „Big | |
Beautiful Bill“ zusammenfassen. Weil es schnell und ohne lästige Debatten | |
gehen sollte, musste ein zuständiger Ausschuss nachts um 1 Uhr zur Beratung | |
antreten. Mit einer Stimme Mehrheit wurde das mehr als 1.000 Seiten | |
umfassende Paket dann im Repräsentantenhaus gebilligt. Doch der Senat sieht | |
noch erheblichen Diskussionsbedarf. Obwohl im kommenden Jahrzehnt 267 | |
Milliarden Dollar bei den Lebensmittelhilfen und 700 Milliarden Dollar bei | |
der Krankenversicherung für verarmte US-Bürger*innen gestrichen werden | |
sollen, würde die „Big Beautiful Bill“ die Verschuldung der USA weiter | |
erhöhen. Derzeit liegt sie bei 37.000 Milliarden Dollar, die jährliche | |
anfallende Zinslast von rund 900 Milliarden Dollar war 2024 erstmals höher | |
als der Verteidigungsetat. Trump würde dem Schuldenberg weitere 2.500 | |
Milliarden Dollar hinzufügen – genug, um die Rating-Agentur Moody’s zu | |
veranlassen, die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen. | |
## DOGE | |
Dabei hatte Trump ja mit großem Tamtam seinen Verbündeten Elon Musk, den | |
reichsten Mann der Welt, beauftragt, „Betrug, Verschwendung und Missbrauch“ | |
im Haushalt abzustellen. Musk prahlte, er werde mit einer Kettensäge den | |
Ausgaben des Bundes zu Leibe rücken. Bis heute ist nicht geklärt, ob Musk | |
und seine Behörde DOGE überhaupt ohne Kongressbeschluss loslegen konnten. | |
Vierzehn Bundesstaaten haben dagegen Klage eingereicht. | |
Nun ist Musk zu seinen Auto- und Weltraumunternehmen zurückgekehrt und | |
hinterlässt einen großen Scherbenhaufen. Die angepeilten Einsparungen von | |
2.000 Milliarden Dollar wurden krachend verfehlt. DOGE räumte ein, | |
lediglich 170 Milliarden Dollar eingespart zu haben, doch Experten zweifeln | |
auch diese Zahl an. Ein [1][in dieser Woche erschienener Bericht] der | |
liberalen Senatorin Elizabeth Warren belegt, dass gleichzeitig Musks | |
Privatvermögen seit Trumps Wiederwahl um 100 Milliarden Dollar gewachsen | |
ist. Zahlreiche anhängende Verfahren gegen Musks Firmen seien abgeräumt | |
worden, gleichzeitig wurden zahlreiche staatliche Aufträge an dessen | |
Unternehmen erteilt. Musk habe Zugriff auf geheime Informationen und die | |
persönlichen finanziellen Daten von Unternehmen und Millionen | |
US-Bürger*innen erhalten, die im hochgesicherten Zahlungssystem des | |
Finanzministeriums gespeichert waren. | |
DOGE hat auch bei den Steuerbehörden Mitarbeitende entlassen, die | |
Steuerbetrug von Superreichen verfolgen sollten. Belegt ist, dass die | |
US-Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt im Januar 250 Milliarden Dollar | |
mehr ausgegeben hat als die Biden-Regierung im selben Zeitraum des | |
Vorjahres. Das hat sogar Elon Musk selbst ins Lager der Trump-Kritiker | |
katapultiert. Die „Big Beautiful Bill“ sei eine „widerliche | |
Abscheulichkeit“, schrieb er auf X. | |
Zuvor hatten Musk und DOGE über 260.000 staatliche Angestellte gefeuert, in | |
Frührente geschickt oder mit Abfindungen entfernt. Das betraf vor allem das | |
State Department, das Bildungsministerium, das Trump ganz abschaffen will, | |
und wichtige Institutionen im Gesundheitsbereich. Musk brüstete sich, er | |
habe an einem Wochenende die Entwicklungshilfebehörde USAID „durch den | |
Häcksler gejagt“. | |
## NYT vs. Rubio | |
Welche Folgen diese oft ideologisch motivierten Kürzungen haben, [2][hat | |
Nicholas Kristof in der New York Times am Beispiel von USAID beschrieben]. | |
Er widersprach damit explizit Aussagen von Musk und Außenminister Marco | |
Rubio, niemand müsse wegen der Zerschlagung von USAID sterben. Kristof | |
nennt zum Beispiel das Programm Pepfar (United States President’s | |
Emergency Plan), das unter George W. Bush eingeführt wurde und das bisher | |
26 Millionen Kindern in Afrika half, deren Eltern an Aids gestorben waren. | |
Dank der von Pepfar bereitgestellten Medikamente konnten diese infizierten | |
Waisenkinder überleben. Ohne die Aids-Programme von USAID könnten in den | |
nächsten zwölf Monaten 1,65 Millionen Menschen vor allem in Afrika ihr | |
Leben verlieren, schätzt [3][der Thinktank Center for Global Development]. | |
In Südafrika mit seinen 7 Millionen HIV-Infizierten könnten ohne Pepfar in | |
den nächsten zehn Jahren 600.000 Menschen sterben. Trump will auch kein | |
Geld mehr für die Früherkennung von Vogelgrippe und Ebola oder Impfungen | |
gegen Kinderlähmung ausgeben. Ohne die Mittel von USAID für Impfungen | |
könnten 500.000 Menschen pro Jahr sterben, zitiert Kristof einschlägige | |
Schätzungen. Ebenso viele Menschen sind existenziell von | |
US-Lebensmittelhilfen abhängig. | |
Trump beabsichtigt im Übrigen, dem Public Broadcasting Service wegen dessen | |
„woker Programme“ die staatliche Unterstützung zu streichen. Der | |
vergleichsweise kleine, nichtkommerzielle Senderverbund ist seit 1969 die | |
Heimat der Sesamstraße mit den Figuren Ernie und Bert. Deren Nachbar ist | |
seit vielen Jahren eine missmutige und aufbrausende Figur mit auffällig | |
orangem Wuschelhaar namens Donald Grump. Manche glauben, dass Trump diesen | |
Spaß nicht gut verdaut hat. | |
Noch weniger gefällt Trump, dass ihm ständig Bundesgerichte in den Rücken | |
fallen und anordnen, Entscheidungen zurückzunehmen. Zuletzt verfügte der | |
Supreme Court, dass 2 Milliarden Dollar zunächst gesperrter Auslandshilfe | |
an Firmen und NGOs für bereits geleistete Arbeit nicht länger | |
zurückgehalten werden dürfen. | |
Wenn es schon schwierig ist, jeder Wendung der irrlichternden Trump-Politik | |
zu folgen, so ist es kaum noch möglich, einen Überblick über die daraus | |
folgenden juristischen Klagen und Einsprüche zu behalten. So dauerte es nur | |
wenige Stunden, bis das Bundesberufungsgericht in Washington die Anordnung | |
einer niedrigeren Instanz in New York einkassierte, die einen Großteil der | |
Strafzölle Trumps für rechtswidrig erklärt hatte. In 80 Prozent der | |
Streitfälle zog Trumps Regierung zuletzt den Kürzeren. Trump greift solche | |
Urteile regelmäßig als unzulässige Machtanmaßung „die USA hassender | |
Richter“ an und fordert deren Amtsenthebung. Ausgerechnet John Roberts, der | |
Vorsitzende des Supreme Courts, der dem Präsidenten noch im vergangenen | |
Jahr in einem historischen Urteil weitgehende Immunität für seine | |
Amtshandlungen zusprach, rügte Trump im März: „Seit zwei Jahrhunderten | |
gilt, dass ein Amtsenthebungsverfahren keine angemessene Reaktion auf | |
Meinungsverschiedenheiten bezüglich einer gerichtlichen Entscheidung ist“. | |
Auch auf den Supreme Court kann sich Trump also nicht mehr verlassen. | |
8 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.warren.senate.gov/imo/media/doc/130_days_of_elon_musk_report.pdf | |
[2] https://www.nytimes.com/interactive/2025/03/15/opinion/foreign-aid-cuts-imp… | |
[3] https://www.cgdev.org/blog/how-many-lives-does-us-foreign-aid-save | |
## AUTOREN | |
Stefan Schaaf | |
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