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# taz.de -- Künstlerhaus Nürnberg: Soziokultureller Blick zurück nach vorn
> Einst verschaffte hier das KOMM Nürnberg Schlagzeilen, nun startet das
> Künstlerhaus nach einer Sanierung wieder durch. Es sucht noch nach einem
> Profil.
Bild: Ein Haus, in dem vieles möglich sein soll, das Künstlerhaus
Nürnberg taz | Sauschwer sind die Türen. Ohne elektrischen Öffner sind sie
kaum aufzukriegen. Das war früher nicht so. Der Brandschutz hat im
Nürnberger Künstlerhaus am Hauptbahnhof für fette Türen gesorgt. 270 Stück
sind es insgesamt, angereichert mit digitalen Feinheiten. Was zum Problem
werden kann, wenn feuchtes Wetter oder ein falsch verlegtes Kabel das
Öffnen verhindert. Oder einen Fehlalarm auslöst.
Dann verzweifeln Verantwortliche, Kreative und Gäste. Und fragen sich, was
eigentlich während der Generalsanierung, Teil drei, passiert ist, die im
September 2018 begonnen hat. Im September 2023 feierte die Stadtspitze den
Abschluss des 30-Millionen-Euro-Projekts. Etwas voreilig, denn die
Türprobleme führten zu Nachbesserungen und einem weiteren Jahr
Zwangspause.
## Gerade intensive Eingewöhnung
Erst im Herbst 2024 gab es grünes Licht für die im Haus versammelten
Veranstaltungsorte, Werkstätten und Kneipe. Seitdem läuft auf vier Ebenen
ein intensiver Eingewöhnungsprozess. Große Veränderungen im
neoklassizistischen Komplex hat man gezielt vermieden. Nur aus funktionalen
Gründen gab es Eingriffe wie die Verlegung des Haupteingangs vom gläsernen
Kopfbau, der 2002 angehängt wurde, zur Mitte der Längsseite.
Im Foyer begrüßt einen ein mit Broschüren vollgepackter Tresen. Klappt es
mit dem Türöffnen, landet man in einem langen Gang, wo die Wände wie im
Treppenhaus so wässrig geweißelt wurden, dass gekritzelte und gesprühte
Botschaften von früher durchscheinen. Eine Form der Konservierung, die zum
Versprechen der Stadt passt, „dass alle, die im Haus waren, nach der
Sanierung wieder reindürfen“.
Dennoch fragt man sich, warum die Geschichte des 1910 eröffneten
Künstlerhauses weitgehend ausgeblendet wird. Zuerst war sie Heimat der
mittelfränkischen Kunstsammlungen und Künstlervereine. Hitlers Nazis
brandmarkten hier später die „entartete“ Kunst, nach dem Krieg zog das
US-Militär samt Ami-Club ein. Nach 1955 folgten Pädagogische Hochschule,
Stadtbibliothek und wieder die zeitgenössische Kunst, 1968 war eine
Fettecke von Joseph Beuys zu sehen, später hielten die Grünen große
Parteitage.
Von der Historie sieht man nur Spuren der NS-Zeit im aus
Schallschutzgründen ins zweite Kellergeschoss verlegten Subkulturclub Soft
Spot, wo Aufschriften wie „Gerüchte verbreiten ist Landesverrat“
konserviert sind. Kein Wort dagegen über die größte Massenverhaftung in der
Bundesrepublik nach Kriegsende, [1][als am 5. März 1981 nach eine Demo 141
junge Leute festgenommen wurden]. Für alle folgten Freisprüche und
Entschädigungen – und [2][das legendäre Kommunikationszentrum, kurz KOMM],
das von 1973 bis 1996 im Künstlerhaus sein Quartier hatte, war überregional
in aller Munde. Das selbstverwaltete Zentrum mit den verschiedensten
Gruppen war ein viel beachtetes Experimentierfeld, das politisch grün, rot,
bunt, radikal, autonom, mutig, verrückt, kritisch, kreativ und leidlich
funktionierte.
Ins Leben gerufen hatte es Hermann Glaser, Nürnbergs damaliger Schul- und
Kulturreferent und einer der Väter der Soziokultur. Nach dessen Abgang
fehlte dem KOMM der Rückhalt, am Ende klappte das Miteinander nur mehr
schlecht als recht, sodass die Kommune die Regie übernahm.
Aus dem KOMM wurde das K4 – Kino, Kunsthaus und Werkstätten blieben neben
Podien wie Zentralcafé und Kulturkellerei, 2008 kam der Name Künstlerhaus
zurück. Während der Coronapandemie stand dann unten der Glasbau leer. Der
Second-Hand-Laden Gentlemachine zog als Mieter ein und wirkte zuerst wie
ein Fremdkörper. Sein nachhaltiges Repair- und Tausch-Konzept gilt aber
mittlerweile als Hoffnungsträger für ein neues Miteinander im Haus – ob bei
Kunstprojekten oder Familienfesten.
## Kommt und macht, es ist euer Haus!
Der seit KOMM-Tagen geltende Appell „Kommt und macht, es ist euer Haus“
soll wiederbelebt werden. Und da die Generalsanierung auf 30 Jahre angelegt
wurde, gibt es auch Zeit, um hier neue Kapitel zu schreiben. Im Kellerclub
kann es musikalisch laut werden, nebenan wagt die Kulturkellerei einen
Spagat von Literatur zur Disco. Eine Etage darüber wird getöpfert,
geschmiedet oder gesiebdruckt, und im ersten Stock glänzt der Festsaal mit
High-Tech und Platz für bis zu 600 Leute.
Die Frage aber ist: Wofür steht das Haus? Und wie politisch darf es sein?
Punktuell wurden Themen wie Rechtsruck, Klimawandel, Gaza-Konflikt oder
Trump schon aufgegriffen. Doch bei der von der CSU geführten Stadtspitze
erntete das wenig Begeisterung. Für ein KOMM-back gibt es so keine
Anzeichen.
Mitte Juli findet im Künstlerhaus nach über sechs Jahren das erste große
Hausfest statt. Die Omas gegen Rechts werden kräftig trommeln und Flagge
zeigen. Selbiges propagiert die Kunst-Fahne vor dem Eingang. In
Schweinchenrosa.
25 Jun 2025
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Massenverhaftung_von_N%C3%BCrnberg
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/KOMM_(N%C3%BCrnberg)
## AUTOREN
Jo Seuß
## TAGS
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