Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zum Tod von José „Pepe“ Mujica: Bodenständig, menschlich, sch…
> Bauer, Blumenzüchter, Guerillero, Geisel der Diktatur, Präsident von
> Uruguay: Pepe Mujica war eine Ikone der Linken. Jetzt ist er mit 89
> gestorben.
Bild: Pepe Mujica im vergangenen Jahr. Der Krebs zehrte an ihm
Buenos Aires taz | Der ehemalige uruguayische Präsident José Mujica
(2010–2015) ist tot. Er starb am Dienstag im Alter von 89 Jahren auf seiner
Chacra, seinem kleinen Bauernhof, im Beisein seiner Frau und politischen
Lebensgefährtin Lucía Topolansky. Der schon vor längerer Zeit
diagnostizierte Speiseröhrenkrebs war weit fortgeschritten. „Mit tiefer
Trauer geben wir den Tod unseres Genossen Pepe Mujica bekannt“, erklärte
Uruguays Präsident Yamandú Orsi. Mujica war ein „Aktivist, Wegweiser und
Anführer“, so Orsi.
Orsi war Mujicas Wunschkandidat bei der [1][Präsidentschaftswahl Ende
vergangenen Jahres]. Für ihn war er noch einmal als Wahlkämpfer auf die
politische Bühne gestiegen. „Mir ist klar, dass ich zu einer Generation
gehöre, die geht und Abschied nimmt. Der Kampf geht weiter und muss
weitergehen“, sagte er vor einigen Monaten.
José Alberto Mujica Cordano wurde am 20. Mai 1935 in Montevideo geboren.
Seine Wurzeln reichen bis ins Baskenland des Vaters Demetrio Mujica und bis
in das Piemont seiner italienischen Mutter Lucy Cordano. Er war acht Jahre
alt und seine Schwester zwei Jahre, als der Vater starb. Japanische
Nachbarn, Blumenzüchter, unterstützten die alleinerziehende Mutter von da
an. Von ihr übernahm er später den Blumenzuchtbetrieb.
Sein politischer Werdegang begann 1956 in der konservativen Partido
Nacional, von der er jedoch sechs Jahre später zu einer von der
Sozialistischen Partei gegründeten Volksunion wechselte. Im Jahr 1964
schloss er dem bewaffneten Kampf der linken, von der kubanischen Revolution
beeinflussten Stadtguerilla Movimiento de Liberación Nacional-Tupamaros
(MLN-T) an. Er beteiligte sich an Überfällen, Entführungen und Bankrauben,
wurde verhaftet, verbüßte seine Strafe und nahm den Kampf wieder auf.
Zweimal gelang ihm zusammen mit anderen die Flucht.
## Progressive Errungenschaften
Ab 1972 saß er für 13 Jahre im Gefängnis. Ein Jahr später putschten sich
die Militärs an die Macht und hielten ihn und andere in Geiselhaft. Sie
sollten getötet werden, wenn die MLN-T ihre Aktionen fortsetzte. Folter und
Erniedrigung gehörten dazu. „Ich verbrachte sechs Monate mit Draht
gefesselt und mit den Händen auf dem Rücken; ich durfte zwei Jahre lang
nicht baden und musste mich mit einen Becher Wasser und einem Taschentuch
waschen“, erinnerte er bei seiner Abschiedsrede im Kongress an diese Zeit.
Als 1985 Uruguay zur Demokratie zurückkehrte, hatte er insgesamt 15 Jahre
im Gefängnis verbracht, viele davon in Einzelhaft. Seine Freilassung
erfolgte auf der Grundlage eines Gesetzes, das politischen Gefangenen und
ehemaligen Guerilleros Amnestie gewährt, auch für bewaffnete Aktionen. Im
Jahr 1989 war er Mitbegründer des gemäßigt linken Movimiento de
Participación Popular (MPP), für das er 1995 als Abgeordneter und 1999 als
Senator in den Kongress gewählt wurde.
Im Jahr 2009 setzte er sich als Präsidentschaftskandidat des linken
Bündnisses Frente Amplio durch und gewann schließlich die
Präsidentschaftswahlen im selben Jahr. Während seiner Amtszeit wurden der
Anbau, Verkauf und Konsum von [2][Cannabis legalisiert], die
gleichgeschlechtliche Ehe zugelassen und ein für die Region
fortschrittliches Abtreibungsgesetz verabschiedet. Zugleich avancierte
Uruguay zum [3][Vorreiter in Sachen Energiewende].
Wirtschaftlich profitierten das Land und die Regierung von den hohen
Weltmarktpreisen für Agrarprodukte, die den finanziellen Handlungsspielraum
für eine sozialliberale Politik bildeten. Revolutionäre Experimente gab es
keine. Stattdessen wurde der Standort als südamerikanische Schweiz für
Banken und Investitionsfonds achtsam gepflegt.
## Der „ärmste Präsident der Welt“
Pepe Mujica präsentierte sich stets als bodenständig, seinem
jahrzehntealten hellblauen VW-Käfer zog er einem Dienstwagen vor, er
spendete 90 Prozent seines Präsidentengehalts. Noch während er Präsident
war, tauchte er – Fünftagebart, struppiges Haar – bei einer Ortsversammlung
der MPP mit einer Klobrille im Arm auf. Sein Nachbar habe ihn gebeten, sie
ihm mitzubringen. Es gibt viele solcher Geschichten über „El Pepe“, wie der
Guerillero, Politiker und Blumenzüchter von vielen Menschen mit Respekt und
Zuneigung zugleich genannt wurde.
Die internationale Presse erklärte ihn zum „ärmsten Präsidenten der Welt�…
worauf er stets entgegnete, arm sei nicht der, der wenig habe, sondern der,
der viel brauche und sein Leben dafür verschwende, es sich kaufen zu
können. Auch während seiner Amtszeit als Präsident lebte er auf seiner
kleinen Farm in der Nähe der Hauptstadt. Manche Kritiker warfen ihm vor,
mit dem Image zu kokettieren, aber die meisten nahmen ihm seinen Lebensstil
als authentisch ab. „In meinem Garten züchte ich schon seit Jahrzehnten
keinen Hass. Hass macht uns letztlich dumm, weil er uns die Objektivität
angesichts der Dinge verlieren lässt. Hass ist blind wie Liebe, aber Liebe
ist kreativ, und Hass zerstört uns“, hatte er einmal erklärt. Es war auch
diese Verbindung von Politik und glaubhaft vorgetragenen Lebensweisheiten,
die Pepe Mujica stets eine große Zuhörerschaft auch unter jungen Leuten
verschaffte.
„Ich gehöre zu einer Generation, die die Welt verändern wollte. Ich wurde
niedergeschlagen, besiegt, pulverisiert, aber ich träume weiter davon, dass
es sich lohnt, dafür zu kämpfen, dass die Menschen ein wenig besser und
gleichberechtigter leben können“, sagte Mujica rückblickend.
14 May 2025
## LINKS
[1] /Stichwahl-ums-Praesidentenamt/!6051136
[2] /Legalisierung-von-Marihuana/!129166/
[3] /Physiker-ueber-Energiewende/!6033704
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Uruguay
José Mujica
Frente Amplio
Nachruf
GNS
Literatur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erzählungen von Mauricio Rosencof: Erinnerungen eines Guerilleros
„Das Schweigen meines Vaters“ ist bewegend. Der Ex-Widerstandskämpfer
Mauricio Rosencof rekonstruiert das Leben seiner Familie.
Stichwahlen in Uruguay: Ex-Guerillero wird Präsident
Der Linksfront-Kandidat José Pepe Mujica gewinnt die Wahl mit klarer
Mehrheit. Der 74-jährige gibt sich versöhnlich. Große politische Änderungen
sind von ihm nicht zu erwarten.
Präsidentschaftskandidat in Uruguay: Der Schlipslose
Er ist die schillerndste Figur in der politischen Szene Uruguays. José
Mujica hat die Ausstrahlung eines gutmütigen Großvaters. Der ehemalige
Guerillero will am Sonntag Präsident werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.