# taz.de -- Kulturelle Unterschiede im Alltag: Zwei Welten im Wald | |
> Bei einem Ausflug in den Wald zeigten sich mir zwei unterschiedliche | |
> kulturelle Welten. Getrennt waren sie nur von einem Parkplatz. | |
Bild: Spaziergänger im Wald: Würden sie eher im Café oder am Grillplatz Rast… | |
An einem schönen Frühlingstag wollten meine Familie und ich einen | |
besonderen Tag irgendwo im Grünen verbringen. Dazu muss man wissen, das | |
mein Bruder und ich beide nicht besonders reisefreudig sind: Um die Ecke | |
zur Alster, in den Stadtpark oder Volkspark. Oder doch wieder Planten un | |
Blomen? Nach einer kurzen Recherche entschieden wir uns für das Niendorfer | |
Gehege – vor allem, weil es dort Ponyreiten und einen großen Spielplatz | |
gibt, mit denen wir die Kinder begeistern konnten. | |
Der Weg dorthin mit Bus und Bahn war ziemlich umständlich. Und als wir | |
unser Ziel endlich erreichten, war für alle Beteiligten klar: erst mal was | |
essen. Es gab zwar ein nettes Café, zentral gelegen, mit Sitzplätzen im | |
Freien. Doch weil wir selbst gemachtes Picknick dabei hatten, kam das nicht | |
infrage. Langsam wurden wir alle hungrig-genervt, in meiner Familie sagen | |
wir dazu “Lulu ju’an“. Meine Frau erinnerte sich daran, dass es in der N�… | |
einen Grillplatz geben soll – ihre Kollegin war dort mal mit ihrem Hund | |
vorbeispaziert und hatte sich im Büro darüber beschwert, dass dort | |
Essensreste herumliegen, die ihr Hund natürlich sofort gefressen hatte. | |
Also machten wir uns auf den Weg dorthin – und ich hatte plötzlich das | |
Gefühl, an einem völlig anderen Ort zu sein. Es waren um Bänke und | |
Grillplätze große Gruppen versammelt, mehr als zehn Personen pro Gruppe: | |
kurdische, polnische, türkische, pakistanische, arabische Familien. Es lief | |
fröhliche Musik, überall Kinder, es wurde gegrillt, gegessen, diskutiert. | |
Es war verraucht, ich sah die nervösen Blicke meiner (deutschen) Frau in | |
Richtung der offenen Feuerstellen – und es war sehr laut! Aber irgendwie | |
war es ein schönes, lebendiges Laut, das Gefühl, unter Familien zu sein. | |
Im Café hingegen – nur ein Parkplatz und ein paar Bäume trennen beide Orte | |
– saßen kleine Gruppen, immer so zwei, drei Personen. Sie tranken Kaffee | |
oder Bier, aßen Pommes, Eis oder Bratwurst. Natürlich war auch dort gute | |
Laune spürbar, auch dort liefen Kinder herum. Aber ich kann es nicht anders | |
beschreiben: Ich sah keinen Platz für mich und meine Familie, und das | |
natürlich nicht nur, weil es voll war. | |
## Getrennt auch durch Klassenzugehörigkeit | |
Es war ein witziger Moment – innerhalb weniger Minuten im Niendorfer Gehege | |
hatten wir zwei völlig unterschiedliche Welten betreten. Man könnte sogar | |
sagen, das waren die – in der politischen oder medialen Diskussion so | |
gefürchteten – Parallelwelten. | |
Aber das trifft es auch nicht genau, denn natürlich sitzen im Café nicht | |
nur Deutsche ohne Migrationsgeschichte. Und natürlich habe ich keine | |
Personenkontrolle auf dem Grillplatz durchgeführt, um jetzt schreiben zu | |
können: Das waren alles Migrant*innen! | |
Aber ich habe trotzdem noch länger über diese Szenen nachgedacht. Die | |
beiden Welten trennen sich nicht nur durch Sprache und Rücksicht auf | |
Recycling-Vorgaben, sondern auch durch Klassenzugehörigkeit: Wenn ich mich | |
nach einem schönen Spaziergang und Ponyreiten mit den Kindern in das Café | |
setze und eine Halal-Pommes bestelle, Getränke, vielleicht noch ein Eis, | |
bezahle ich schnell 10 bis 20 Euro – für eine Gruppe von zehn Personen sind | |
das bestimmt über 100 Euro. Wenn ich aber für 50 Euro auf dem Steindamm am | |
Hauptbahnhof Fleisch einkaufe und grille, kann ich die ganze Großfamilie | |
versorgen. | |
Außerdem arbeiten viele [1][Menschen mit Migrationsgeschichte] in Jobs, die | |
Menschen ohne Migrationsgeschichte oft nicht machen wollen. Nicht nur als | |
Einzelpersonen, sondern auch als Familien. Viele migrantische Familien | |
haben mehrere Kinder, was dazu führt, dass die Mütter keine Zeit für | |
Erwerbsarbeit haben und [2][unbezahlte Care-Arbeit für die Familie leisten | |
– Arbeit, die im kapitalistischen System nicht als solche anerkannt wird.] | |
Am Ende trennen ein Parkplatz und ein paar Bäume diese zwei Welten – obwohl | |
wir alle im selben Sozialstaat, in einer offenen Gesellschaft leben. | |
31 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Hussam Al Zaher | |
## TAGS | |
Kolumne Hamburger, aber halal | |
Hamburg | |
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Schwerpunkt Flucht | |
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