# taz.de -- Vorfall im Westjordanland: „Warnschüsse“ auf Delegation im Fl�… | |
> Israelische Soldat*innen feuern bei einem Besuch von | |
> Diplomat*innen Schüsse ab. Israel entschuldigt sich für die | |
> „Unannehmlichkeit“. | |
Bild: Israelische Soldaten im Flüchtlingslager Dschenin im Westjordanland | |
Amman taz | Die Szene hat etwas Surreales an sich: Mehrere Dutzend Männer | |
und Frauen in Anzug und schwarzer Sonnenbrille laufen verstört und verwirrt | |
auf den staubigen Straßen [1][des palästinensischen Flüchtlingslagers | |
Dschenin] zu ihren Mercedes und SUVs, während weniger als Hundert Meter | |
entfernt israelische Soldat*innen in olivgrauen Uniformen die Gewehre | |
auf sie richten und Schüsse abfeuern. Aufgeregte Stimmen erklingen im | |
Hintergrund, „langsam, langsam“, ruft etwa ein Mann auf Arabisch. | |
Mindestens fünf Schüsse sind zu hören. All das ist in Videoaufnahmen zu | |
sehen, die von mehreren Medien gezeigt wurden, etwa dem britischen Guardian | |
und dem US-Sender CNN. | |
Die Männer und Frauen in den Videos sind Journalist*innen und | |
Mitglieder einer internationalen diplomatischen Delegation, die am Mittwoch | |
die Lage im palästinensischen Flüchtlingslager im Westjordanland evaluieren | |
sollte. Bis sie plötzlich unter Beschuss geriet. Verletzt wurde dabei | |
niemand, doch die Szene hat in der internationalen Gemeinschaft für Aufruhr | |
gesorgt. | |
Israel hat sich inzwischen für die „Unannehmlichkeit“ entschuldigt und | |
erklärt, die Soldat*innen hätten nicht direkt auf die Diplomat*innen | |
geschossen. Warnschüsse, weil die Abgesandten von dem vereinbarten Weg im | |
Flüchtlingslager abgekommen seien. „Die Delegation entfernte sich von der | |
genehmigten Route und betrat ein Areal, auf dem sie nicht sein durften“, so | |
das israelische Militär laut der Nachrichtenagentur Reuters. Die | |
Soldat*innen hätten geschossen, um sie wegzuscheuchen. Eine Untersuchung | |
sei eingeleitet worden. | |
Europäer waren ebenfalls dabei, 20 davon im auswärtigen Dienst, unter ihnen | |
ein deutscher Diplomat und sein Fahrer. Das Auswärtige Amt hat inzwischen | |
reagiert und mitgeteilt, man verurteile den Beschuss scharf. „Wir können | |
von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“ Und weiter: „Die | |
israelische Regierung muss umgehend die Umstände aufklären und die | |
Unverletzlichkeit von Diplomatinnen und Diplomaten respektieren.“ | |
## Mehrere EU-Staaten wollen Botschafter einbestellen | |
Die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Kaja Kallas, rief Israel dazu | |
auf, den Vorfall zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft | |
zu ziehen. Italiens Außenminister Antonio Tajani will den israelischen | |
Botschafter in Rom einbestellen. Spanien verlangt ebenfalls eine | |
persönliche Erklärung vom israelischen Gesandten in Madrid. | |
Länder wie Jordanien, Ägypten und die Türkei haben das Geschehen ebenfalls | |
verurteilt. Eine „offensichtliche Verletzung des internationalen und | |
humanitären Rechts“ sei es gewesen, sagte der Sprecher des jordanischen | |
Außenministeriums Sufyan Qudah und verlangte internationalen Druck auf | |
Israel, um die Lage im Westjordanland zu deeskalieren. Das türkische | |
Außenministerium forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, | |
„konkrete Schritte zu unternehmen, um Israels Straflosigkeit ein Ende zu | |
setzen“. | |
Die Tour war von der Palästinensischen Autonomiebehörde in Koordination mit | |
dem israelischen Militär organisiert worden. Sie sollte eine Evaluierung | |
der humanitären Lage durch die Auslandsdelegation ermöglichen. Seit dem | |
Hamas-Massaker am 7. Oktober und dem Beginn des Kriegs in Gaza ist die Lage | |
im Westjordanland ebenfalls angespannt. Im Flüchtlingslager von Dschenin | |
haben die israelischen Streitkräfte im Januar eine militärische Operation | |
gestartet, um militante Palästinenser aus dem Camp zu entfernen. | |
Doch Aktivist*innen beklagen, bei den [2][Operationen in Dschenin und | |
den anderen Flüchtlingslagern] seien ebenfalls Unbeteiligte ums Leben | |
gekommen und [3][Wohnhäuser sowie Infrastruktur zerstört worden]. Die | |
meisten Einwohner*innen sind geflohen oder wurden vertrieben, das | |
Flüchtlingslager in Dschenin ist entvölkert, schreibt das Büro für die | |
Koordination humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen. Es handelt | |
sich um die größte Massenvertreibung seit der Besatzung des Gebiets 1967. | |
Israels Verteidigungsminister Israel Katz hatte bereits im Januar | |
angekündigt, die israelischen Streitkräfte planten, auf unbestimmte Zeit in | |
Dschenin zu bleiben. | |
22 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Serena Bilanceri | |
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