# taz.de -- Prozess gegen irakisches Paar in München: Details eines Völkermor… | |
> Ein irakisches Ehepaar soll zwei jesidische Mädchen als Sklavinnen | |
> gehalten, gequält und missbraucht haben. In München steht das Paar nun | |
> vor Gericht. | |
Bild: JesidInnen fliehen 2014 vor dem IS in Richtung der syrischen Grenze | |
München taz | Die Liste der Vorwürfe gegen Twana S. H. und Asia R. A. ist | |
lang und erschütternd: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
durch Versklavung und Folter, Kriegsverbrechen, Menschenhandel, sexueller | |
Missbrauch und Vergewaltigung von Kindern sowie Mitgliedschaft in einer | |
ausländischen terroristischen Vereinigung. Konkret sollen S. H. und R. A., | |
nach islamischem Recht ein Ehepaar, zwischen 2015 und 2017 zwei jesidische | |
Mädchen als Sklavinnen gehalten und massiv misshandelt haben. Deshalb wird | |
den beiden nun vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gemacht. | |
Die beiden Angeklagten sollen Mitglieder der Terrorgruppe Islamischer Staat | |
gewesen sein. Ende 2015 sollen sie ein fünfjähriges jesidisches Mädchen als | |
Sklavin gekauft haben. Nach Darstellung der Generalbundesanwaltschaft hat | |
sich die damals 19-jährige Asia R. A. das Kind als Brautgabe gewünscht. | |
Anfang Oktober 2017 kaufte das Paar sich noch ein weiteres jesidisches | |
Mädchen, zum damaligen Zeitpunkt zwölf Jahre alt. Beide Kinder sollen von | |
den beiden gefangen gehalten, zur Hausarbeit und zur Ausübung der | |
islamischen Religion gezwungen, erniedrigt, gequält und sexuell missbraucht | |
worden sein. So vergewaltigte H. S. die Kinder mehrfach. Zuvor kleidete | |
seine Frau das ältere Mädchen beispielsweise aufreizend und schminkte sie. | |
Erledigten sie ihre aufgetragenen Hausarbeiten nicht zur Zufriedenheit des | |
Paares oder beschwerten sich, wurden die Kinder hart bestraft: Sie wurden | |
geschlagen oder mussten eine halbe Stunde auf einem Bein stehen. Einmal | |
übergoss Asia R. A. der Anklage zufolge die Hand des jüngeren Kindes zur | |
Strafe mit kochendem Wasser. | |
Ende 2017 gab das Paar die Mädchen an andere IS-Kämpfer weiter. Während | |
sich die Spur der Jüngeren daraufhin verlor, konnte die Ältere wenig später | |
von ihrer Familie freigekauft werden. Nach Informationen des Bayerischen | |
Rundfunks ist geplant, dass sie in dem Prozess aussagen wird. | |
## Angeklagter klagt über Schmerzen | |
Begonnen hat das Verfahren am Montag zunächst allerdings mit Verzögerung. | |
Twana H. S. erklärte, er sei nicht in der Lage der Verhandlung zu folgen. | |
In der Justizvollzugsanstalt sei er regelmäßig zusammengeschlagen und unter | |
Drogen gesetzt worden. Monate lang sei er in den Bunker, also in | |
Isolierhaft, gesperrt worden. Eine Behauptung, die aufhorchen ließ, da H. | |
S. bis vor wenigen Tagen in der skandalträchtigen JVA Augsburg-Gablingen | |
untergebracht war. Er leide unter starken Kopfschmerzen und beidseitigem | |
Tinnitus, gab er an. | |
Der Vorsitzende Richter Philipp Stoll unterbrach die Sitzung daher, um den | |
Angeklagten ärztlich untersuchen zu lassen. Der Arzt des Justizzentrums | |
konnte allerdings nichts Definitives feststellen, wie er daraufhin vor | |
Gericht berichtete. Er gab dem Angeklagten Schmerzmittel und befand, dass | |
er zumindest für anderthalb Stunden verhandlungsfähig sei. So konnte am | |
Montag zumindest noch die umfangreiche Anklageschrift verlesen werden. | |
Dass Prozesse in Deutschland stattfinden können, obwohl beide Angeklagten | |
nur die irakische Staatsangehörigkeit haben und die angeklagten Verbrechen | |
nicht in Deutschland stattfanden, ist bei Straftaten wie Völkermord seit | |
2002 auf Grundlage des deutschen Völkerstrafgesetzes möglich. | |
## Erst Kokain, dann Moschee | |
Eine Verbindung der Angeklagten zu Deutschland gibt es indes schon. So ist | |
Twana H. S. dem Bayerischen Rundfunk zufolge vor über zwanzig Jahren als | |
Asylbewerber nach Deutschland gekommen, wo er ein Leben in München geführt | |
habe, inklusive Kokainkonsum und Oktoberfestbesuchen. Gearbeitet habe er | |
als Friseur. In den 10er-Jahren soll er sich dann über den Kontakt zu einer | |
islamistischen und vom bayerischen Verfassungsschutz beobachteten Münchner | |
Moschee radikalisiert haben. | |
2015 schließlich sei er in den Irak gereist, wo er sich dem Islamischen | |
Staat angeschlossen habe. Hier habe er Asia R. A. kennengelernt und sie | |
geheiratet. Beim IS absolvierte er zu dieser Zeit eine Kampfausbildung. | |
Infolge des Niedergangs des IS kehrte S. H. 2018 nach Deutschland zurück, | |
wohin er seine Frau mitnahm. Wegen seiner IS-Mitgliedschaft saß er bereits | |
eine Haftstrafe ab. In Deutschland habe sich seine Frau, die ihrem Anwalt | |
zufolge völlig unideologisch ist, von ihm getrennt und das alleinige | |
Sorgerecht für die beiden gemeinsamen Kinder beantragt. | |
Für die Verhandlung sind Sitzungstage bis in den Januar hinein angesetzt. | |
Der Prozess hat dabei eine Bedeutung, die über die Qualen der beiden | |
konkreten Opfer hinausgeht. Schließlich stehen sie auch stellvertretend für | |
das Schicksal der jesidischen Minderheit im Nordirak: Vor zehn Jahren waren | |
hunderttausende Jesiden vom Islamischen Staat vertrieben, Tausende von | |
ihnen verschleppt, versklavt, getötet worden. Vor zwei Jahren erkannte auch | |
der Bundestag die Verbrechen des IS an den Jesiden als Völkermord an. So | |
wird denn auch jeder Prozess wegen einzelner Verbrechen im Rahmen des | |
Genozids von der jesidischen Community als ein Fünkchen Gerechtigkeit | |
betrachtet. | |
19 May 2025 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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