| # taz.de -- Angriff auf die Energieinfrastruktur: Der Krieg und die Atomkraft | |
| > Im Streit um das Kraftwerk Saporischschja im Osten der Ukraine schafft | |
| > Russland Fakten. Eine ukrainische Atomexpertin erhebt schwere Vorwürfe. | |
| Bild: Ein Servicemitarbeiter vor dem Kraftwerk Saporischschja kurz nach dem rus… | |
| Berlin taz | Noch schläft Europas größtes Atomkraftwerk. Nach dem | |
| beispiellosen Überfall russischer Truppen auf das Kraftwerk Saporischschja | |
| im März 2022 wurden die sechs Reaktoren nach einer Kaltabschaltung vom Netz | |
| genommen. Somit brauchen sie nur einen Bruchteil der Energie und des | |
| Kühlwassers für die Abkühlbecken wie im heißen Betrieb. Doch das wird nicht | |
| immer so bleiben. | |
| Derzeit gibt es Streit um das Atomkraftwerk. Sein rechtmäßiger Besitzer, | |
| die Ukraine, akzeptiert keine Fremdherrschaft über das Kraftwerk. Russland, | |
| unrechtmäßiger Besatzer des AKW, hat jedoch eigene Pläne. Die russische | |
| Regierung will es so schnell wie möglich an das russische Stromnetz | |
| anschließen. Und die USA wollen es unter ihre Aufsicht stellen, wohl, um | |
| sich so am Profit beteiligen zu können. | |
| Präsident Selenski lehnt eine US-amerikanische Kontrolle des AKW allerdings | |
| ab. Der Betrieb der Anlage sei ohne die Beteiligung ukrainischer Fachkräfte | |
| und ohne Kontrolle durch den ukrainischen Staat technisch nicht möglich, | |
| sagt der Präsident. Gleichzeitig zeigte er sich offen für eine | |
| Zusammenarbeit mit den USA. Schon jetzt setzt das Kraftwerk Saporischschja | |
| Brennstäbe des Westinghouse-Konzerns ein. | |
| Russland wiederum, das das AKW seit seinem Überfall kontrolliert, denkt | |
| nicht daran, die Kontrolle wieder abzugeben. So berichtet die ukrainische | |
| Nachrichtenagentur Unian, Russland sei dabei, nach Grundwasser für die | |
| Kühlung der Reaktoren zu bohren. Verständlich ist das. Seit der Sprengung | |
| des Kachowka-Staudammes am 6. Juni 2023 fehlt das für einen Betrieb | |
| notwendige Kühlwasser. | |
| ## Ein klarer Verstoß gegen ukrainisches Recht | |
| Die ukrainische Atomexpertin Olha Koscharna erhebt schwere Vorwürfe gegen | |
| die russischen Besatzungstruppen. Ihren Angaben zufolge haben die Besatzer | |
| ohne vorherige geologische Untersuchung mehrere Brunnen gebohrt. Dies sei | |
| ein klarer Verstoß gegen ukrainisches Recht sowie gegen internationale | |
| Normen. „Solche Maßnahmen können zu Erdrutschen führen“, zitiert Unian | |
| Koscharna. Dies stelle nicht nur ein erhebliches ökologisches Risiko dar, | |
| sondern verletze auch grundlegende Regeln der nuklearen und radiologischen | |
| Sicherheit. Darüber hinaus, so Koscharna, plane die russische Seite den Bau | |
| einer neuen Pumpstation am Ufer der Konka, einem Mündungsarm des Dnipro. | |
| Auch dieser Schritt sei ohne Genehmigung und ohne Rücksicht auf die | |
| sensiblen ökologischen Bedingungen der Region erfolgt. | |
| Russische Truppen, so zitiert Unian den Leiter der Militärverwaltung von | |
| Nikopol, Jurij Bachno, haben nach der Besetzung das AKW in eine | |
| militärische Basis umgewandelt. Von dort aus beschieße man ukrainische | |
| Städte – insbesondere Nikopol, das direkt gegenüber dem Kraftwerk am | |
| anderen Ufer des Dnipro liegt. Die Bilanz sei erschütternd: 79 Zivilisten | |
| seien in Nikopol getötet, rund 400 verletzt worden, so Bachno. Etwa 7.000 | |
| Gebäude seien beschädigt oder zerstört worden. | |
| Gleichzeitig ist das AKW auch selbst Ziel von Angriffen. [1][Nach Angaben | |
| der IAEA] mussten sich Mitarbeiter der IAEA, die sich auf dem | |
| Kraftwerksgelände aufhalten, Ende der vergangenen Woche in Sicherheit | |
| bringen, nachdem sie in unmittelbarer Nähe ihres Büros im | |
| Hauptverwaltungsgebäude laute Schüsse gehört hatten. Bereits in den Tagen | |
| zuvor, so die IAEA, habe ihr vor Ort präsentes Experten-Team wiederholt | |
| Explosionen und Schusswechsel in unterschiedlicher Entfernung zur Anlage | |
| gehört. | |
| Auch um die Sicherheit der weiteren Atomkraftwerke ist es schlecht | |
| bestellt: Am 9. April hatte die IAEA acht Drohnen in der Nähe des | |
| Atomkraftwerkes Südukraine im Gebiet Mikolajiw bemerkt. Und die von einem | |
| Drohnenangriff auf die Schutzhülle des havarierten Reaktors von Tschernobyl | |
| am 14. Februar verursachten Schäden sind wohl größer als zunächst | |
| angenommen. 50 Quadratmeter der Schutzhülle seien beschädigt worden, | |
| [2][berichtet die ukrainische Fernsehstation TSN]. Die Explosion habe die | |
| äußere Hülle durchbrochen, Teile der Belüftungs- und | |
| Energieversorgungssysteme beschädigt und speziell entwickelte Technik | |
| zerstört, die für den sicheren Rückbau von Teilen des havarierten Reaktors | |
| bestimmt war. | |
| ## Schutzhülle für 100 Jahre | |
| Die 1,5 Milliarden Dollar teure Schutzhülle war über 15 Jahre mit | |
| Unterstützung von über 50 Ländern errichtet worden. Sie sollte mindestens | |
| 100 Jahre halten und einen Schutz auch vor Naturkatastrophen und Erdbeben | |
| bieten. [3][Dass man das AKW auch vor militärischen Angriffen schützen | |
| müsse, war zum Zeitpunkt des Baus unvorstellbar]. | |
| 27 Apr 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.iaea.org/newscenter/pressreleases/update-288-iaea-director-gene… | |
| [2] https://tsn.ua/exclusive/arka-nad-chornobylskoiu-aes-bilshe-ne-vykonuye-svo… | |
| [3] /30-Jahre-nach-dem-Super-GAU/!5357945 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Clasen | |
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