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# taz.de -- KI-Song über Deutsche auf TikTok: Unterdrückte Almans
> Ein KI-Song spaltet TikTok. Für migrantische Jugendliche ironisches
> Empowerment, für Rechte der Soundtrack des verlorenen Deutschlands.
Bild: Screenshot der TikTok-Seite von Nemoelsharif
„Für deutsche Kids gibt’s oft wenig zu lachen, drei, vier Deutsche auf 25
Schüler in den Klassen. Die deutsche Jugend eingeschüchtert und oft in
Unterzahl, sie passen sich an, denn sie haben meist keine Wahl.“
Diese Zeilen, unterlegt mit sanfter, melancholischer Musik, wabern durch
[1][Tiktok]. Sie unterlegen Videos, in denen sich junge Menschen
theatralisch zu Boden werfen, andere trocknen sich übertrieben ergriffen
die Tränen. Die Videobeschreibungen dazu lauten so oder so ähnlich: „Lisa,
wenn sie zweimal in ihrem Leben Kartoffel genannt und in der Pause
gezwungen wurde, Döner zu essen.“ Vor allem Jugendliche aus migrantischen
und linken Communitys witzeln mit den Hashtags #germanlivesmatter und
#freedeutschekids über „Almanschmerz“ im Einwanderungsland Deutschland.
Sie greifen zurück auf eine Form des Comic Relief – also befreiender Komik
– in einer nicht ganz so witzigen Realität mit Ausgrenzung und
Alltagsrassismus. Gerade für viele jugendliche [2][TikTok-User*innen] aus
migrantisch geprägten Haushalten ist der Song eine ironische Umkehr ihrer
eigenen Erlebnisse.
In den Clips stellen sie nach, wie schlimm es angeblich sein muss, als
deutsches Kind bei türkischen oder arabischen Freund*innen zu Besuch zu
sein: ständig überfüttert, zum Essen gezwungen. „Deutsche Kinder hatten es
echt schwer“, heißt es spöttisch in Untertiteln, womit die
Ersteller*innen vermutlich auf das typisch deutsche Credo „nur Familien
essen zusammen“ anspielen, das andere und insbesondere migrantische Kinder
oft ausschließt. Die kollektive Erinnerung daran wird hier mit einem
Augenzwinkern neu aufgerollt.
Ganz anders lesen den Song jene Nutzer:innen, die sich selbst als deutsche
Minderheit im eigenen Land stilisieren. In Kommentarspalten ist von
„Diskriminierung gegen Deutsche“ die Rede, es kursieren falsche
Informationen über angebliche Ausländermehrheiten an Schulen. Für diese
Gruppe ist der melancholische KI-Gesang keine Satire, sondern der
Soundtrack des deutschen Untergangs.
Was sich der TikTok-User 40370725481, dessen Profil nicht mehr existiert,
wohl dabei gedacht hat, als er den Song mittels KI kreierte? Wollte der
oder die Nutzer*in wirklich ein rassistisches Lied veröffentlichen, das
sich als musikalische Untermalung des AfD-Parteitags eignen würde? Oder war
es von Anfang an bloß ein Witz? Unmöglich herauszufinden, beide Theorien
werden aber lautstark in den Kommentaren vertreten.
Und beide sind plausibel. Es wäre nicht der erste KI-Song, der
[3][rassistische Narrative] bedient und reproduziert. Gleichzeitig ist das
Internet auch voll von KI-generiertem Nonsens, der einzig zur Verwirrung
und zum Lachen geschaffen wurde.
Was auch immer die Absicht war – die knapp 2.000 Clips, die den Song
verwenden, zeigen: Er funktioniert perfekt als Projektionsfläche.
Migrantische Jugendliche nutzen ihn für ironische Selbstbehauptung, Rechte
für ihre Erzählung vom „verlorenen Deutschland“. Sie feiern dasselbe Stü…
und hören dabei zwei völlig unterschiedliche Botschaften.
14 May 2025
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## AUTOREN
Giorgia Grimaldi
## TAGS
TikTok
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Rechte
Social-Auswahl
Kolumne Diskurspogo
Schwerpunkt AfD
Internet
Big Tech
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