# taz.de -- NSU-Aufklärung ausgebremst: Hamburg gibt NSU-Akten für Forscher n… | |
> Wissenschaftler sollen in Hamburg den NSU-Komplex durchleuchten. Ihr | |
> Zugang zu den Dokumenten ist aber eingeschränkter als vom Senat | |
> versprochen. | |
Bild: Blumen für Süleyman Taşköprü: Hamburgs rot-grüner Senat lässt unei… | |
Hamburg taz | Der NSU-Terroranschlag in Hamburg soll lückenlos aufgeklärt | |
werden – dieses Versprechen ist der rot-grüne Senat der Stadt gerade im | |
Begriff zu brechen. Wie die Fraktion der Linken in der Bürgerschaft | |
kritisiert, werden dem Forscher:innenteam, das den NSU-Komplex in Hamburg | |
aufarbeiten soll, Akten vorenthalten oder nur umfassend geschwärzt zur | |
Verfügung gestellt. | |
Hamburg ist das einzige Bundesland, in dem der „Nationalsozialistische | |
Untergrund“ mordete, das keinen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss | |
(PUA) eingerichtet hat. Stattdessen hatte der Senat unter Führung des | |
Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) und der Zweiten | |
Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) ein Forschungsprojekt in Auftrag | |
gegeben. | |
Das hätte die Verbrechen und Verstrickungen des Nationalsozialistischen | |
Untergrund (NSU) an der Elbe aufklären und aufarbeiten sollen. Dafür war | |
der an der Ruhr-Uni Bochum angesiedelten Forschungsgruppe | |
[1][uneingeschränkter Zugang zu den Akten zugesichert worden]. | |
Doch laut einer Antwort auf eine Anfrage der Linken in der Bürgerschaft | |
fällt [2][der Zugang zu Akten von Polizei und Verfassungsschutz nicht ganz | |
so frei aus]. Auf fünf Seiten versichert der Senat zwar, die | |
wissenschaftliche Aufarbeitung „nachdrücklich und vorbehaltslos“ zu | |
unterstützen. | |
## Ermordet am 27. Juni 2001 | |
Doch schon auf der zweiten Seite in der Einleitung legte er dar, dass bei | |
der Bestandsaufnahme der 181 Sachakten und „elektronischen Datenträger | |
(über 12 Gigabyte)“ eine „Prüfung von Datenschutz- und | |
Geheimhaltungserfordernisse“ geboten sei. | |
Das könnte die Aufarbeitung des Handelns der Justizbehörden und des | |
Landesgeheimdienstes im Zusammenhang mit der Ermordung des Gemüsehändlers | |
Süleyman Taşköprü durch das NSU-Kerntrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und | |
Beate Zschäpe beeinträchtigen. [3][Am 27. Juni 2001 hatten Mundlos und | |
Böhnhardt Taşköprü] mit einem gezielten Kopfschuss in seinem Laden | |
erschossen. | |
Sein Vater, der wenig später in das Geschäft kam, sagte der Polizei noch am | |
Tatort, dass er zwei flüchtende deutsche Männer gesehen habe. Dem Hinweis | |
maß die Polizei offenbar keine Relevanz bei: Sie verfolgte ihn nicht weiter | |
– ebensowenig wie bei den anderen neun durch das Trio Ermordeten, wo die | |
Zeug*innenaussagen der Angehörigen, die auf die richtige Spur hätten | |
führen können, regelmäßig ignoriert wurden. | |
Der Auftrag des Forschungsteams unter Führung der Universität Bochum ist | |
es, das Versagen der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden auszuleuchten. | |
Sein Ziel ist es, Verbesserungen vorzuschlagen. Dafür werde die Perspektive | |
der Angehörigen des dritten Mordopfers des NSU berücksichtigt, versicherte | |
der Sprecher des Forschungsteams, Constantin Goschler. | |
Doch der Datenschutz ist nicht die einzige Einschränkung, die das | |
Forschungsprojekt behindern dürfte. So benennt die Senatsantwort | |
„Schwärzungserfordernisse“. Diese seien durch geltende | |
Geheimdienstvorschriften geboten, und zwar aus „Gründen des Staatswohls“. | |
So dürften Hinweise auf Vertrauenspersonen – Informant*innen – nicht | |
offengelegt werden. | |
Bis heute fragen sich neben der Bürgerschafts-Linken auch | |
zivilgesellschaftliche, antifaschistische Initiativen außerhalb des | |
Parlaments, ob genau hier auch der Grund für die vehemente Abwehr [4][zumal | |
der SPD] gegen die Einsetzung eines PUA zu suchen ist: beim Schutz von | |
Rechtsextremen, die den Sicherheitsorganen Informationen geliefert haben. | |
Eine andere Einschränkung deutet sich auch noch an: Verschiedene Akten | |
stehen auf Ersuchen des Generalbundesanwalts (GBA) „unter dem Vorbehalt der | |
Freigabe“. Der Senat erklärt jetzt, dass der GBA seit 2023 von der | |
geplanten Aufarbeitung wisse, dieses Anliegen allerdings allein unter den | |
„bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen“ billigen könne. Ein konkreter | |
Zeitpunkt für die Überprüfung könne nicht genannt werden. | |
Die Linksfraktion argwöhnt, dass die Forscher*innen von der Polizei bloß | |
jene Akten erhielten, die schon den Untersuchungsausschüssen der übrigen | |
Landesparlamente und des Bundestags vorgelegen hatten. Auch durfte der | |
Verfassungsschutz eine Vorwahl der Dokumente treffen. | |
## Forschungsleiter optimistisch | |
„Für eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist vollständige Transparenz | |
zwingend notwendig“, betont Deniz Celik, der innenpolitische Sprecher der | |
Linksfraktion. Wenn aber zentrale Akten unter Verschluss gehalten würden, | |
könne von echter Aufklärung keine Rede sein. Eine Vorauswahl durch die | |
Behörden und geschwärzte Akten würden verhindern, dass die Hintergründe des | |
NSU-Komplexes aufgehellt werden, warnt Celik. | |
Von einer Einschränkung der Forschung möchte Goschler, der Sprecher des | |
Wissenschaftler:innenteams, noch nicht sprechen. Der taz sagte er am | |
Mittwoch: „Wir sind zuversichtlich, dass die vertraglichen Zusagen für die | |
Aufarbeitung eingehalten werden.“ Die Forschungsarbeit soll rund drei Jahre | |
in Anspruch nehmen. | |
Hinweis der Redaktion: Wir haben ein Zitat korrigiert. | |
30 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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