# taz.de -- Gewaltsamer Übergriff an der Uni: Nahostkonflikt vor dem Amtsgeric… | |
> Fast ein Jahr nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung bei einer | |
> Antisemitismus-Vorlesung an der Uni Hamburg sprach nun das Opfer vor | |
> Gericht. | |
Bild: Sieht sich zu Unrecht als Antisemitin diffamiert: Die Angeklagte M. neben… | |
Hamburg taz | Manchmal kann Elisabeth S. nicht weiter sprechen. Die | |
57-Jährige fängt mehrmals an zu weinen, als sie am Dienstag vor Gericht als | |
Zeugin erzählt, wie sie den [1][Vorfall nach einer Antisemitismus-Vorlesung | |
an der Uni Hamburg im Mai 2024] erlebt hat. | |
„Ich konnte nicht verorten, warum mir so viel Hass entgegenschlägt“, sagt S | |
an diesem dritten Prozesstag, und dass sie bis heute mit den Folgen zu tun | |
habe: Neben der psychischen Belastung sei das Sehvermögen auf ihrem linken | |
Auge beeinträchtigt. Zudem höre sie schlechter auf dem linken Ohr und leide | |
unter starken Kopfschmerzen. | |
[2][Mitte März begann der Prozess] am Amtsgericht Hamburg gegen die | |
27-jährige Ayan M., unter anderem wegen Körperverletzung und Beleidigung. | |
Sie soll Elisabeth S., die als Nebenklägerin auftritt, bei einem Tumult | |
nach einer Ringvorlesung zu Antisemitismusdefinitionen beleidigt, | |
geschlagen und gewürgt haben. | |
Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Mehrere Zeug:innen berichteten, | |
dass sie zuvor als Teil einer Gruppe von pro-palästinensischen | |
Aktivist:innen die Vorlesung besucht habe, aus deren Reihen [3][die | |
Fragerunde dann gestört] worden sei. Dabei hätten sie Vortragenden und | |
Veranstaltenden vorgeworfen, das Vorgehen der israelischen Regierung in | |
Gaza zu rechtfertigen. | |
## Großes Interesse am Gerichtsprozess | |
Das Interesse am Prozess ist groß. Wie schon beim Auftakt ist der Saal | |
voll. Einige Zuschauende müssen an der Tür stehen, darunter Stefan Hensel, | |
Hamburgs Antisemitismusbeauftragter. Das Publikum ist in zwei Gruppen | |
geteilt: Ein paar Kufiyas werden auf der einen Seite des Saals getragen; | |
gelbe Schleifen als Anstecker, das Zeichen der Solidarität mit den Geiseln | |
in Gaza, auf der anderen. Wenn Menschen auf beiden Seiten tuscheln oder | |
lachen, dann an unterschiedlichen Stellen. | |
Waren am ersten Prozesstag Unterstützer:innen von Elisabeth S. im | |
Zuschauerraum noch in der Mehrheit gewesen, ist das an diesem Dienstag | |
anders. Schon am Prozesstag davor waren mehr Menschen gekommen, um die | |
Angeklagte zu unterstützen. | |
Nebenklägerin S. ist Vorstandsmitglied der | |
Deutsch-Israelischen-Gesellschaft Hamburg und Mitarbeiterin der | |
International Christian Embassy Jerusalem (ICEJ) Deutschland. Für Elisabeth | |
S. war die Auseinandersetzung nach der Vorlesung ein Angriff und politisch | |
motiviert. Sie erklärt ihn sich damit, dass die Angeklagte Ayan M. sie als | |
Ehefrau des Historikers Andreas B. identifiziert hat, der die Ringvorlesung | |
organisiert hatte und am Dienstag ebenfalls als Zeuge aussagte. | |
Die Angeklagte dagegen sagt, dass ihre Auseinandersetzung mit S. „weder | |
politisch noch religiös bedingt“ gewesen sei. Stattdessen soll Elisabeth S. | |
ihr zuvor gedroht haben, sie eine Treppe herunterzustoßen. Das hatte M. am | |
zweiten Prozesstag durch ihren Anwalt Adnan Aykaç verlesen lassen. Sie sei | |
„erschrocken und entsetzt“ darüber, dass sie als Antisemitin diffamiert | |
werde, ließ die Angeklagte weiter erklären. | |
## Verteidiger hat Zweifel an Aussagen der Nebenklägerin | |
Elisabeth S. hat nach dem Vorfall mehreren Medien Interviews gegeben, | |
darunter der [4][Bild], dem [5][Spiegel] und [6][Hamburger Abendblatt]. | |
Danach fragt sie am Dienstag nicht nur die Richterin, sondern auch die | |
Staatsanwältin. | |
Für Ayan M.s Verteidiger sind die Interviews ein gefundenes Fressen: Er | |
versucht Widersprüche herauszuarbeiten zwischen dem, was S. den | |
Journalisten gesagt hat und was vor Gericht. Auch ließ der Verteidiger am | |
dritten Prozesstag ein Video zeigen, auf dem sich der Vorfall kürzer | |
darstellte, als S. es vor Gericht gesagt hatte. | |
Er beantragt, einen Bild-Journalisten zu laden, um zu klären, ob Elisabeth | |
S. ihm den Vorfall anders geschildert habe. Ihr Anwalt Otmar Kury | |
entgegnet, Journalist:innen beriefen sich vor Gericht auf ihr | |
Zeugnisverweigerungsrecht – er wisse das aus eigener langjähriger Tätigkeit | |
für Springer und den Spiegel. | |
Der Verteidiger nennt den Nebenklagevertreter daraufhin „großen Lobbyist“. | |
Schon am ersten Prozesstag hatte Aykaç zusammenhangslos darauf hingewiesen, | |
dass Kury Mitglied im Freundeskreis der israelischen Shoa-Gedenkstätte Yad | |
Vashem ist. Wiederholt spricht der Verteidiger während des Prozesses von | |
einer „Lobby“ der Nebenklägerin. | |
## Antisemitismus spielt in der Anklage keine Rolle | |
Ob die Auseinandersetzung zwischen Ayan M. und Elisabeth S. antisemitisch | |
motiviert war, spielt in der Anklage keine Rolle: Vor Gericht geht es | |
allein um die Frage, ob M. der Beleidigung und Körperverletzung schuldig | |
ist. | |
Man müsse den Vorfall im Zusammenhang sehen, sagt Elisabeth S.s Ehemann, | |
als ihn die Richterin befragt. Seine Frau sei ein „Ersatzopfer“, sagt er. | |
„Die eigentliche Kritik richtet sich gegen den Staat Israel. Da der in dem | |
Moment nicht greifbar ist, nimmt man Personen, wo man annimmt, dass sie | |
solidarisch mit Israel sind.“ | |
Für diesen Freitag sind die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Nebenklage | |
geplant. Das Urteil will das Gericht am 28. April verkünden. | |
8 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Antisemitismus-in-Hamburg/!6009594 | |
[2] /Angriff-nach-Antisemitismus-Vorlesung/!6071589 | |
[3] /Hamburger-Ringvorlesung-Antisemitismus/!6023159 | |
[4] https://www.bild.de/regional/hamburg/nach-antisemitismus-attacke-an-uni-ham… | |
[5] https://www.spiegel.de/panorama/bildung/angriff-an-der-uni-hamburg-so-viel-… | |
[6] https://www.abendblatt.de/hamburg/politik/article408526679/antisemitischer-… | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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