# taz.de -- Mutmaßlich krimineller Radprofi Herrera: Nachforschungen im Garten | |
> Der frühere kolumbianische Radprofi Lucho Herrera wird verdächtigt, die | |
> Ermordung von vier Nachbarn veranlasst zu haben. Dieser streitet das ab. | |
Bild: Sportliche Vergangenheit: Herrera im Bergtrikot bei der Tour de France | |
Luis Alberto „Lucho“ Herrera ist eine Legende des kolumbianischen | |
Radsports. In Kolumbien nennen sie ihn liebevoll „Jardinerito“, das | |
Gärtnerlein von Fusafgasugá. Nun besteht der Verdacht, dass auf seiner | |
Finca, sozusagen im Garten des ehemaligen Radsportlers, mehrere Menschen | |
verscharrt wurden, die er ermorden ließ. | |
Herrera löste in den 80er Jahren mit dem Team Café de Colombia [1][einen | |
Boom im kolumbianischen Radsport aus.] Zweimal gewann er die Bergwertung | |
der Tour de France und galt als bester Kletterer seiner Generation. Sein | |
größter Erfolg war der Gesamtsieg bei der Vuelta a España im Alter von 26 | |
Jahren. Er war der erste Nichteuropäer, der das schaffte. In Kolumbien | |
standen die Menschen in Scharen vor Geschäften, um die TV-Übertragung zu | |
sehen. Niemand hatte ihn als Favorit auf dem Schirm. Mit seinen schlanken | |
Beinen erklomm er die Berge mit erstaunlicher Leichtigkeit. Er profitierte | |
vom Höhentraining direkt vor seiner Haustür. | |
Doch jetzt wird er mit dem Tod von vier Bauern in Verbindung gebracht, die | |
am 23. Oktober 2002 in Fusagasugá verschwanden: Gonzalo Guerrero Jiménez, | |
Diuviseldo Torres Vega und die Brüder Víctor Manuel und José del Carmen | |
Rodríguez Martínez. Sie waren Lucho Herreras Nachbarn. | |
Über Jahrzehnte stagnierten die Ermittlungen. Doch am 7. April verurteilte | |
das Strafgericht von Fusagasugá einen ehemaligen Paramilitär zu 22 Jahren | |
und sechs Monaten Gefängnis. Luis Fernando Gómez Flórez alias „Äuglein“ | |
oder „Ferney“ hatte gestanden, verantwortlich für das Verschwinden der | |
Bauern zu sein. | |
## Umschlag mit Geld? | |
In dem 23-seitigen Urteil beantragte der Strafrichter Ermittlungen gegen | |
[2][den Radsportler Herrera.] Laut dem Dokument sagte der Paramilitär aus, | |
dass er bei Lucho Herrera 2003 ein Schutzgeld kassierte. Dieser habe ihm | |
gesagt, dass er das direkt mit Martín Llanos, dem Anführer, ausmachen | |
solle. Sein Kommandant habe ihn angewiesen, „Herrera bei allem, was er | |
wolle, behilflich zu sein“. Danach fuhren sie zur Finca des Radsportlers. | |
Der habe ihm etwas zu trinken angeboten und zwei Umschläge gegeben. In dem | |
einen seien vier Fotos gewesen von Leuten, die die Paramilitärs abholen | |
sollten. In dem anderen 40 Millionen Pesos (etwa 14.300 Dollar), um | |
Motorräder und Pistolen zu kaufen. „Herr Lucho“ habe die Kommandanten | |
gebeten, ihnen mit einigen Milizen (so heißen die zivilen Mitglieder der | |
Guerilla) „zu helfen“. | |
Laut dem Urteil suchte danach eine Gruppe Paramilitärs die Bauern auf. Sie | |
gaben sich mit Armbändern als Mitglieder des DAS aus. So hieß der | |
kolumbianische Inlandsgeheimdienst, der 2011 aufgelöst wurde, weil er mit | |
paramilitärischen Gruppen zusammengearbeitet hatte. | |
Die Paramilitärs nahmen die vier Bauern fest. Was danach passierte, | |
schilderte alias Menudencias, ein anderer Paramilitär, der wegen des Falls | |
vor Gericht steht, 2018 so: „Wir haben ihnen die Kehle durchgeschnitten und | |
sie dann mit Macheten zerteilt. Wir hoben zwei Gruben von 50 mal 50 | |
Zentimetern aus.“ Sie verscharrten die zerstückelten Körper offenbar auf | |
dem Grundstück von Herrera. Insgesamt haben drei ehemalige Paramilitärs der | |
Autodefensas Campesinas del Casanare den ehemaligen Radsportler belastet. | |
Die Ex-Paramilitärs stellten später fest, dass die Bauern keine Verbindung | |
zur Guerilla hatten. Stattdessen hatten sie sich laut den Ex-Paramilitärs | |
geweigert, ihr Land an Lucho Herrera zu verkaufen. | |
## Zurückweisung der Anschuldigungen | |
Laut einem Neffen des Opfers Diuviseldo Torres Vega wussten die Familien | |
nicht, dass Herrera das Land habe kaufen wollen. „Ich weiß nicht, welche | |
Absichten Rafael und Lucho Herrera verfolgten, aber es war nie die Rede vom | |
Verkauf der Fincas“, sagte der Neffe dem Investigativjournalisten Daniel | |
Coronell. Als die Paramilitärs seinen Onkel abfingen, hätten sie ihm | |
gesagt, es ginge um „Viehdiebstahl“. | |
Lucho Herrera, heute 63 Jahre alt, hat diese Woche beteuert, weder je | |
kriminellen Organisationen angehört noch irgendjemand Schaden zugefügt zu | |
haben. Er weise entschieden die Anschuldigungen zurück, die seinen Namen | |
und seinen Werdegang als Bürger, Arbeiter und Familienvater besudeln | |
würden. „Ich habe mein Leben dem Sport gewidmet und nach meinem Rückzug der | |
ehrlichen Arbeit.“ Zudem betonte er, als Unternehmer Opfer von | |
Schutzgeldzahlungen, Bedrohungen und Entführungen geworden zu sein. | |
Im März 2000, drei Jahre nach Ende seiner Profikarriere, hatten | |
[3][Farc-Guerilleros] ihn entführt. Er sei in einem Guerillalager in einem | |
dunklen Raum eingesperrt worden. Weniger als 24 Stunden später wurde er | |
freigelassen. | |
Nun liegt es an der Staatsanwaltschaft, die Wahrheit herauszufinden. Am | |
Dienstag begannen die Ausgrabungen auf dem Grundstück in der Gemeinde | |
Silvania. Dort sollen die Überreste von mindestens 14 Opfern aus der Region | |
Sumapaz vergraben liegen, die in den Jahren 2002 und 2003 verschwanden. Das | |
haben mehrere ehemalige Mitglieder der rechten paramilitärischen Gruppe | |
Autodefensas Campesinas del Casanare ausgesagt. | |
25 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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