# taz.de -- Palästina-Solidarität in Berlin: Abschieben für die Staatsräson | |
> Vier Migrant*innen sollen Berlin verlassen, weil sie an | |
> pro-palästinensischen Protesten teilgenommen haben. Ansonsten droht ihnen | |
> die Abschiebung. | |
Bild: Pro-palästinensische Aktivist*innen geraten in Berlin schnell ins Visier… | |
Berlin taz | Die Berliner Innenverwaltung fordert vier Staatsangehörige aus | |
den USA, Polen und Irland auf, Deutschland bis zum 21. April 2025 verlassen | |
– andernfalls droht eine zwangsweise Abschiebung. Der Vorwurf: Teilnahme an | |
Protesten gegen den Krieg in Gaza. Strafrechtlich verurteilt wurden sie | |
nicht. The Intercept berichtete zuerst. | |
Die Vorwürfe gegen die vier werden von den Behörden separat erhoben. Gemein | |
ist ihnen lediglich die Anschuldigung der [1][Beteiligung an der Besetzung | |
eines Gebäudes der Freien Universität Ende 2024], verbunden mit | |
Sachbeschädigung und der mutmaßlichen Behinderung einer Verhaftung. | |
Weitere Vorwürfe betreffen Vorfälle bei einem Massensitzstreik am | |
Hauptbahnhof sowie einer Straßenblockade. Einige der Anschuldigungen sind | |
geringfügig: Zwei Personen sollen einen Polizeibeamten als „Faschist“ | |
bezeichnet haben, drei weitere mit Gruppen demonstriert haben, die | |
verbotene Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ | |
riefen. | |
In den Ausweisungsverfügungen, die der taz vorliegen, werden den vier | |
Personen keine konkreten Taten vorgeworfen. Es wird lediglich vermutet, | |
dass sie an einer koordinierten Gruppenaktion teilgenommen haben. Zudem | |
werden sie beschuldigt, die Hamas zu unterstützen sowie antisemitische oder | |
israelfeindliche Parolen gerufen zu haben. Beweise liegen nicht vor. | |
## „Klar rechtswidrig“ | |
Der Anwalt Alexander Gorski, der zwei der Demonstranten vertritt, sagt zur | |
taz: „Wir halten diese Bescheide für klar rechtswidrig.“ Er kritisiert, | |
dass keine*r der Betroffenen strafrechtlich verurteilt wurde und den | |
Anwält*innen nicht einmal Akten mit konkreten Vorwürfen vorlägen. | |
Nach deutschem Migrationsrecht ist eine strafrechtliche Verurteilung für | |
eine Abschiebung nicht notwendig. Doch die Gründe müssen verhältnismäßig | |
zur Härte der Maßnahme sein. Das sei hier nicht der Fall, kritisiert | |
Gorski: „Es werden drastische Maßnahmen ergriffen, basierend auf | |
Anschuldigungen, die extrem vage und zum Teil völlig unbegründet sind.“ | |
Gerechtfertigt werden drei der vier Ausweisungsentscheidungen mit der | |
deutschen Staatsräson. Dies sei keine aussagekräftige Rechtskategorie, | |
kritisiert Gorski. | |
Zweifel an der Rechtmäßigkeit soll auch das [2][Landesamt für Einwanderung | |
(LEA)] geäußert haben. Das schreibt The Intercept unter Berufung auf | |
interne E-Mails. Nachdem die Senatsinnenverwaltung eine | |
Abschiebungsanordnung gefordert hätte, hätten Beamt*innen des LEA darauf | |
hin gewiesen, dass die Rechtsgrundlage für den Widerruf der Freizügigkeit | |
der drei EU-Bürger*innen unzureichend sei – und ihre Abschiebung | |
rechtswidrig wäre. | |
Die Innenverwaltung habe die Bedenken zurückgewiesen und das LEA, über das | |
sie die Aufsicht und Weisungsbefugnis hat, angewiesen, die Anordnungen zu | |
vollziehen. Das LEA wollte sich auf taz-Anfrage nicht dazu äußern. | |
## Ein Exempel statuiert | |
Kritik kommt vom innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Niklas | |
Schrader. Er wirft der Senatsinnenverwaltung vor, dass politischen Motive | |
juristische Abwägungen dominieren würden. „Es ist erschreckend, wie schnell | |
Freiheitsrechte geopfert werden, wenn politische Exempel statuiert werden | |
sollen“, so der Linken-Politiker. | |
Gorski stellte einen Eilantrag auf einstweiligen Rechtsschutz und legte | |
Einspruch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung ein. Für ihn | |
steht fest: „Die Entscheidungen sind klar politisch motiviert.“ Der Fall | |
zeige, wie der deutsche Staat das Migrationsrecht nutze, um | |
pro-palästinensische Aktivist*innen zu verfolgen und die Staatsräson | |
durchzusetzen. | |
Auch die Betroffenen äußern sich in einem Statement: „Unsere Abschiebung | |
ist ein politischer Akt – ein Versuch, die gesamte Bewegung | |
einzuschüchtern.“ Die „repressive Anwendung von Einwanderungsgesetzen“ | |
diene dazu, [3][propalästinensische Stimmen und politische Dissidenten zum | |
Schweigen zu bringen]. | |
2 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /!6014940/ | |
[2] /Landesamt-fuer-Einwanderung-in-der-Kritik/!6039005 | |
[3] /Propalaestinensische-Proteste-in-Berlin/!6014073 | |
## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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