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# taz.de -- Graphic Novels nach Krimivorlagen: Kapitäne sind die besseren Komm…
> Legendäre Kriminalromane von George Simenon und Philip Kerr erscheinen in
> hochwertig gestalteten Comicformaten. Es sind reizvolle Adaptionen.
Bild: Szene aus der Berlin-Trilogie, Band 1, erzählt nach Philip Kerr von Pier…
Die gesellschaftspolitisch brisante Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
war auch eine Blütezeit der Kriminalliteratur. Arthur Conan Doyle schrieb
1927 seine letzte Sherlock-Holmes-Story. Ab 1920 entwickelte Agatha
Christie ihre bis heute beliebten Whodunit-Krimis um Hercule Poirot.
In den USA der 1930er Jahre tauchte dann ein neuer, moderner Typus „Private
eye“ in den Groschenheften auf: der „Hardboiled Detective“. Etwa in
Verkörperung eines Sam Spade von Dashiell Hammett oder eines Philip Marlowe
von Raymond Chandler.
Die Epoche zwischen den Roaring Twenties und der aufziehenden
Weltkriegsapokalypse inspiriert bis heute die Medien Literatur, Film und
nicht zuletzt auch den Comic. Mehrere neue Kriminalliteratur-Adaptionen
lassen diese schillernde und zugleich abgründige Zeit im
Graphic-Novel-Format wiederauferstehen.
Die Metropole Berlin liegt dabei als Schauplatz für den „Tanz auf dem
Vulkan“ nahe. „Der nasse Fisch“, erschienen im Carlsen Verlag, gezeichnet
vom Berliner Künstler Arne Jysch, adaptierte schon 2018 den ersten Band der
seit 2008 laufenden populären Kriminalromanreihe von [1][Volker Kutscher]
um Kommissar Gereon Rath und überzeugte durch stimmungsvolle,
historisierende Berlin-Dekors.
## Feuer in Berlin
Eine neue Comic-Krimireihe spielt ebenfalls im „Revier“ von Gereon Rath.
Die „Berlin-Trilogie“, dessen erster Band „Feuer in Berlin“ gerade im
Hamburger Schreiber & Leser Verlag erschienen ist. Der früh verstorbene
britische Autor Philip Kerr (1956–2018) veröffentlichte sie bereits
zwischen den Jahren 1989 und 1991.
Protagonist ist Bernhard („Bernie“) Gunther, ein Privatdetektiv und
ehemaliger Polizeibeamter, der 1933 nach der Machtübernahme der Nazis seine
Polizeimarke abgibt. Kerr schrieb noch elf weitere Gunther-Romane, deren
Handlungen von den späten 1920ern bis in die 1950er Jahre reichen.
Im Gegensatz zu Arne Jyschs schwarz-weiß gehaltener, naturalistischer
Kutscher-Version setzt der französische Zeichner François Warzala auf eine
dezente Farbgebung und Ligne-Claire-Zeichnungen. Stilistisch wäre er
zwischen Hergés „Tim und Struppi“ und Jacques Tardis „Nestor Burma“ zu
verorten, welche die Realität leicht abstrahiert wiedergeben. Besonders
Augenmerk legt er auf prägnante, etwas karikaturhaft dargestellte
Charaktere.
Bernie Gunthers erster Fall spielt 1936 und handelt vom Mord an der Tochter
des Industriellen Hermann Six und ihres Nazi-Ehemanns. Sie endeten bei
einem inszenierten Hausbrand als verkohlte Leichen. Die Ermittlungen führen
Gunther in die Führungsriege des „Dritten Reichs“. Er begegnet dabei
Nazi-Schergen und Massenmördern wie [2][Hermann Göring], bleibt jedoch
dabei seinen Prinzipien treu, sich nicht mit dem ihm verhassten Regime
einzulassen.
Ambivalent angelegte Charaktere
Der erste Band überzeugt durch eine spannende, wendungsreiche Handlung und
durchweg ambivalent angelegte Charaktere. Erfreulich ist, dass Zeichner
François Warzala viel Wert darauf legt, das historische Berlin korrekt und
zugleich lebendig abzubilden.
Insbesondere der Alexanderplatz spielt eine wesentliche Rolle, da
Gunthers Büro im damals gerade erbauten Alexanderhaus liegt. Weitere
Schauplätze bilden das Olympiastadion oder das alte Café Kranzler.
Privatdetektiv Bernie Gunther wird als charismatischer, mit allen Wassern
gewaschener Ex-Polizist dargestellt, der dem Rollentypus entsprechend mit
Hut und Trenchcoat ausgestattet ist. Philip Kerr wollte laut eigenen
Angaben Raymond Chandlers literarische Figur des Privatdetektivs Philip
Marlowe nach Berlin verpflanzen und variierte ihn nur geringfügig.
Der regimekritische Detektiv muss sich andauernd brutaler Angriffe von
Gangstern und der Gestapo erwehren. Und zwischendurch gibt er sich so
manchen ausschweifenden Momenten hin – etwa mit dem (fiktiven) Filmstar
Ilse Rudel.
Pierre Boisseries Szenario bleibt Kerrs Handlungslinie treu, die nicht auf
triviale Pulp-Elemente verzichtet. Alles in allem ist „Feuer in Berlin“ ein
harter Berlin-Krimi mit viel Zeitkolorit, der für die Brutalität und
Diskriminierungen der Nazi-Diktatur klare Bilder und Worte findet.
## Ein Pfeifenraucher aus Lüttich
Der belgische Schriftsteller Georges Simenon (1903–1989) war wiederum ein
Zeitzeuge dieser Epoche und prägte deren Kriminalliteratur nachhaltig. In
Lüttich geboren, zog der Pfeifenraucher früh nach Paris und schrieb
zunächst Groschenromane, jeder Art und wie am Fließband, bis es ihm Ende
der 1920er Jahre gelang, ins seriösere Fach zu wechseln.
Mit seinem „Kommissar Maigret“ etablierte er einen populären
Kriminalromanhelden, dessen Fälle realistischer waren als die bisherigen
aus angelsächsischer Feder. Parallel dazu schrieb er seine sogenannten
„Romans durs“ – anspruchsvolle, psychologisch ausgefeilte Geschichten, die
zumeist auch Krimi-Elemente enthielten.
John Simenon, der Sohn des Schriftstellers, initiierte vor wenigen Jahren
eine neue Comicreihe (auf Deutsch im Carlsen Verlag), die eine Auswahl
dieser insgesamt 117 Romane adaptieren soll. Der Erste davon entstand 1930
und wurde nun zum Auftakt ausgewählt: „Der Passagier der Polarlys“.
Die Geschichte beginnt mit einer frivolen Party in Hamburg, bei der eine
junge Frau von einem scheinbar vertrauenswürdigen Seemann durch eine
Überdosis Drogen zu Tode kommt.
Mysteriöse Todesfälle
Dann wechselt die Handlung den Schauplatz zum Nordseefrachter „Polarlys“.
Der wird im Laufe seiner Fahrt gen Norwegen von einer Reihe mysteriöser
Todesfälle heimgesucht. Der Mörder der jungen Frau ist mit an Bord.
Kein Kommissar oder Detektiv, sondern der Kapitän des Schiffes, Petersen,
nimmt nun die Position des Ermittlers ein.
Die Geschichte übersetzt Zeichner Christian Cailleaux stimmungsvoll in
bläulich-neblige Bilder. Szenarist ist José-Louis Bocquet, der neben
Jean-Luc Fromental für die Einheitlichkeit der Reihe verantwortlich ist.
Auch die folgenden Bände (die hoffentlich ebenfalls bald auf Deutsch
erscheinen), adaptieren Simenons frühe, unkonventionelle Romane aus den
1930er Jahren.
Das Besondere an der Comicreihe: Jeder Band wird von einem ausgesuchten
Künstler mit sehr individuellem Strich gezeichnet. Der Folgeband „Der
Schnee war schmutzig“ etwa wird von Altmeister Yslaire („Sambre“)
adaptiert. In atmosphärisch dichten, dreifarbigen Zeichnungen erzählt er
eine sehr düstere Story um einen jugendlichen Mörder.
Danach taucht die Zeichnerin Laureline Mattiussi den Roman „Die Stammgäste“
in leuchtend mediterrane Farben. Er handelt von einer jungen Animierdame,
die im Künstler-Boheme-Milieu Istanbuls zahlreichen Männern den Kopf
verdreht, was in verschiedene Verbrechen mündet.
Die lesenswerten neuen Krimicomics verführen dazu, auch die Originale von
Kerr oder Simenon zu lesen. Sie sind thematisch und in der Wahl der
Schauplätze sehr vielfältig und waren ihrer Zeit in vielem weit voraus.
21 Apr 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Ralph Trommer
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