# taz.de -- Geburtstagsgeschenk der kreativen Art: Wie das Blümchenmuster auf … | |
> Einen Nachmittag zusammen mit anderen Keramik anmalen, so etwas lässt | |
> sich buchen. Die Produktion einer eigenen Service-Serie gelingt so eher | |
> nicht. | |
Bild: Hier war ein Profi am Werk: In einer Töpferwerkstatt unterrichtete im Ap… | |
Es war ein Geburtstagsgeschenk: zweieinhalb Stunden Keramik anmalen, | |
gebucht über ein Online-Portal. Es ist ein verregneter Sonntag, der Laden | |
in der Hamburger Innenstadt sieht aus wie ein kleines Café. Wir nehmen auf | |
einer Sitzbank am Fenster Platz, haben einen Tisch für uns. Darauf stehen | |
zwei Becher mit Pinseln, eine Getränkeliste, ein Musterteller mit | |
nummerierten Farbtupfen und drei weiße Küchenkacheln, die später als | |
Farbpaletten dienen werden. | |
An den anderen Tischen andere Frauen, ein, zwei Männer. Erst mal sollen wir | |
runter in den Keller, unsere Hände waschen. An der Treppe steht ein | |
Anmeldepult. Daneben ein wandhohes Regal, vollgestapelt mit weißen | |
„Rohlingen“, das sind Teller, Becher und Schüsseln, die auf ihren Anstrich | |
warten, es gibt passend zu Ostern auch Keramikhasen. Dezent daneben am | |
Regalboden stehen kleine Preisschilder. | |
„Wer hat denn schon mal Keramik glasiert?“, fragt die Anleiterin, als alle | |
sitzen. Ich melde mich nicht, obwohl ich Töpfern aus meiner Kindheit kenne. | |
Aber damals waren Glasurfarben dick und schlicht, nicht so bunt wie hier. | |
Wir machen Niedrigbrandglasuren, erklärt die Anleiterin. Sie hält einen | |
bemalten Teller hoch, mit einer pudrig-hellen und einer glänzenden Hälfte. | |
Die helle zeigt die Farben vor, die glänzende die Farben nach dem Brand. | |
Man kann auch Sticker aufkleben und mit Glasurfarbe drübermalen, die Fläche | |
bleibt dann weiß, oder Farbe wegkratzen oder tupfen. | |
Die Farbtuben stehen direkt neben uns in einem Regal, hübsch aufgereiht | |
nach der Reihe des Regenbogens. Die anderen kommen her, mit ihrer Kachel in | |
der Hand, wir wählen Farben aus, ploppen Kleckse auf unsere Kachel. Es ist | |
ratsam, sich mit Filzer die Nummern der Farben daneben zu schreiben, denn | |
sie sehen vor dem Brennen heller aus als danach. Erst der Vergleich mit dem | |
Musterfarbteller am Tisch zeigt, wie sie später aussehen werden. Als | |
Rohling nehme ich einen Teller, die anderen Tassen. | |
## Das ideale Geschenk | |
Wir können auch Kaffee bestellen, es soll ein gemütlicher Nachmittag | |
werden, so stand es auf der Homepage des Veranstalters. Und dass Keramik | |
anmalen „der DIY-Trend schlechthin“ sei, DIY steht für do it yourself. Die | |
Suche im Branchenbuch der Stadt Hamburg nach „Keramik bemalen“ ergibt „15 | |
Treffer in der Nähe“, darunter steht ein aufmunternder Text: „Wer hatte | |
noch nicht einen blendenden Einfall, um eine Tasse zu bemalen?“, bemalte | |
Keramik wird als das ideale Geschenk für den, der „schon alles hat“, | |
angepriesen. | |
Das, was wir hier malen, tupfen, kratzen, hält ewig. Es sei denn, es wird | |
bei einem Polterabend zerdeppert. Ich erbte mal ein Service für 16 | |
Personen. Es steht im Schrank, dunkle Blätter, ganz nett, das Muster, aber | |
ziemlich streng. Fröhlicher fand ich eines mit Blümchen, aber das ging an | |
einen anderen Familienzweig. Also tupfe ich zarte Blüten an den Tellerrand, | |
rot, blau, gelb, links und rechts zwei grüne Blätter. Die anderen am Tisch | |
malen filigrane Vögel auf Tassen, ich habe dieses nicht-geerbte Service im | |
Sinn. 18 Euro kostet ein Teller, mit Brand und allem drum und dran. Wir | |
bestellen Kaffee, es gibt hier nur Hafermilch dazu. | |
Laut Geschenk-Gutschein darf ich 60 Euro vermalen. Ich hole noch einen | |
Teller aus dem Rohlingregal und mühe mich, die Miniblümchen genau so zu | |
platzieren wie beim ersten. Porzellanmalerin ist ein ehrwürdiger Beruf. | |
Während nebenan bewundernswerte Kunststücke entstehen, setze ich mehr auf | |
Serie. Hole noch einen und dann noch einen Teller, betupfe alle gleich. | |
Die Zeit ist gleich um, wir müssen wieder in den Keller, unsere Pinsel und | |
Kacheln sauber waschen. Die Anleiterin geht herum und kassiert. Ich habe | |
mich im Preisschild geirrt. Jeder Teller kostet 26 Euro, meine vier Teller | |
also 104 Euro. Ups. | |
Nach zwei Wochen darf ich meine selbst bemalten Teller abholen, sie sind in | |
braunes Papier gewickelt. Im Laden sind sie noch in transparente Glasur | |
getaucht worden, auf einem Teller blieb davon ein Krümel. Die anderen sind | |
alle glatt, aber Keramik strahlt nicht so weiß wie Porzellan. Die neuen | |
Teller kommen in den Schrank, zu den Blättertellern. | |
19 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Stadtland | |
wochentaz | |
Kolumne Großraumdisco | |
Keramik | |
Geburtstag | |
wochentaz | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Schwerpunkt Stadtland | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Handtaschenverkauf für die gute Sache: Gut gelaunter Feminismus der Einkaufspa… | |
In Hamburg mobilisierten Business-Frauen für die Frauenhäuser der Stadt. | |
Mittendrin: Regisseur Sönke Wortmann. | |
Messe für Ostprodukte: Der Geschmack des Ostens | |
Bei der Ostpro findet sich, was es früher in der DDR im Konsum zu kaufen | |
gab. Manche nehmen dafür sehr weite Wege hin zu der Messe in Berlin auf | |
sich. | |
Christian Kracht liest in Blankenese: Ein Abend in der Überflussgesellschaft | |
Bei Christian Krachts Lesung in Hamburg versammelt sich halb Blankenese zu | |
Andacht und ironischer Selbstbeschau – ausgerechnet im Haus des Herrn. |