# taz.de -- Die Wahrheit: Lüge, Leid und Liebesnazis | |
> Die WDR-Intendantin Katrin Vernau möchte mehr AfD im | |
> öffentlich-rechtlichen Rundfunk wagen. | |
Bild: Grusel, grusel, ARD ist live dabei! | |
Auf dem Schreibtisch von Katrin Vernau liegt ein Dossier über den | |
AfD-Politiker Maximilian Krah. „Dieser Mann leidet“, ist sich die | |
WDR-Intendantin sicher. „Er leidet unter seiner Männlichkeit. Er weiß | |
nicht, wie er damit umgehen soll, deshalb reagiert er sich in Tiktok-Videos | |
ab, in denen er rechte Männer als echte Männer definiert.“ | |
Menschen wie Krah landeten wegen ihres Leidens in der AfD, führt sie weiter | |
aus, während wir uns zu einer Sitzgruppe begeben, an der schon Kaffee, Tee | |
und ein Schälchen brauner Zucker bereitstehen. Diese Leidensgründe dürfe | |
man in der Berichterstattung keinesfalls ausklammern, erklärt sie ihre | |
Linie, auch um den Menschen in der AfD mehr Raum im öffentlich-rechtlichen | |
Rundfunk zu gewähren. Wie dieser Raum gefüllt werden soll, weiß sie auch | |
schon. Man könnte in einer Wissenschaftssendung über diese Männerthemen | |
berichten, sagt Vernau, die schon eine Idee für den Titel der Sendung im | |
Hinterkopf hat: „Testeronio“. | |
Auch die AfD-Führungsfigur Bernd Baumann soll darin vorkommen. „Ich sehe | |
diesem Mann an, dass er tief in sich drinnen sehr traurig ist. Er wurde | |
sicher oft gemobbt. Wahrscheinlich wollte schon als Kind keiner mit ihm | |
spielen. Für ihn stelle ich mir einen kamerabegleiteten | |
Achtsamkeitsworkshop oder irgendein Retreat vor. Bernd Baumann ist ein | |
Opfer. Er weint sicher sehr viel“, erzählt Vernau mit stockender Stimme und | |
leicht wässrig werdenden Augen. Ihr Gesichtsausdruck nimmt noch an | |
Traurigkeit zu, als sie über die Kritik spricht, die ihr wegen ihres | |
Einsatzes für mehr AfD im Programm widerfahren ist. | |
„Keiner versteht, dass es mir nur um Liebe geht. Alle wollen geliebt | |
werden. Sie, ich, auch die Nazis von der AfD.“ Letztere seien ja auch nur | |
Nazis, weil sie eben nie Liebe erfahren haben, „was Sie an Herrn Krah und | |
Baumann ganz deutlich erkennen“. Und die Medien seien auch nicht „lieb zu | |
diesen Leuten“, sagt Vernau und hebt den Zeigefinger. „Deshalb mögen die | |
uns nicht. Erst gestern hat mir jemand erzählt, dass die uns als | |
Lügenpresse bezeichnen.“ Der traurige Gesichtsausdruck wechselt nun zu | |
einem bestürzten. | |
## Überwind | |
Vernau wünscht sich ein Programm, in dem alle Menschen – auch Nazis – eine | |
Daseinsberechtigung finden. „Über das Miteinander überwinden wir das | |
Gegeneinander“, philosophiert sie flötend, „dann sind das sehr schnell | |
keine Nazis mehr“, lächelt sie zufrieden, während sie einen Heilstein | |
streichelt, der auf dem Beistelltisch neben der Sitzgruppe liegt. | |
Die vielen völkischen Siedlungen auf dem Land seien ja auch nur ein | |
triftiger Beleg für die Angst, die diese Nazis in den Städten haben. „Da | |
muss einmal ein Reporterteam hin und über die Menschen berichten, was sie | |
machen. Die backen ja auch Plätzchen zu Weihnachten. Das sind wunderschöne | |
verbindende Elemente in die Zivilgesellschaft.“ Gebäckstücke in | |
Hakenkreuzform würde man verpixeln, erklärt Vernau auf Nachfrage. „Aber die | |
backen sicher auch Sonnenräder. Die dürfen wir zeigen. Dann müssen wir | |
nicht wieder mit Zensurvorwürfen rechnen.“ | |
Wir klären die Intendantin darüber auf, dass der öffentlich-rechtliche | |
Rundfunk nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten geschaffen wurde, um | |
der Bevölkerung eine unabhängige Informationsquelle zu liefern und sie vor | |
volksverhetzender Instrumentalisierung von Nazis zu schützen. | |
## Instrumente | |
„Ich glaube, im Geschichtsunterricht habe ich so etwas schon mal gehört“, | |
erinnert sich die Wirtschaftswissenschaftlerin mit fachlicher Expertise im | |
Rechnungswesen. „Aber wir würden uns ja nie von der AfD instrumentalisieren | |
lassen. Wir möchten sie nur präsentieren. Das ist etwas völlig anderes.“ | |
Man habe dafür genügend geeignetes Personal in den eigenen Reihen, die für | |
eine unabhängige Moderation sorgen. Sie könne sich gut Dieter Nuhr, Monika | |
Gruber oder auch Lisa Eckhart vorstellen. „Besonders gut gefällt mir auch | |
Dieter Hallervorden. Wussten Sie schon, dass er ein erstaunliches | |
Repertoire an alten Wörtern hat?“ | |
Hallervorden sei geradezu der gelebte Bildungsauftrag der | |
Öffentlich-Rechtlichen. „So einen muss man viel stärker ins Programm | |
einbinden!“ Wie auf Kommando macht es plötzlich „Palim-Palim“. Das Handy | |
der Intendantin meldet sich. „Wenn man vom Teufel spricht“, fährt sie | |
hocherfreut aus dem Sessel hoch. „Didi ruft an. Können wir später | |
weiterreden?“ Wir sagen „ja“, denken „Nein“ und gehen. | |
16 Apr 2025 | |
## AUTOREN | |
Günter Flott | |
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