| # taz.de -- Depot des DDR-Museums: Ein ungewöhnliches Sammelsurium | |
| > 360.000 Alltagsgegenstände hat das DDR-Museum gesammelt. Die vollständige | |
| > Sammlung wird nun erstmals in einem öffentlichen Depot gezeigt. | |
| Bild: Marx, Engels, Honecker: im DDR-Museum Depot erwachen die alten Ikonen des… | |
| Berlin taz | Im neuen Sammlungsdepot des DDR-Museums sieht es ein bisschen | |
| aus wie in einer IKEA-Lagerhalle: Meterhohe Regale aus Metall, darin | |
| Holzpaletten und riesige Pappkartons. Anders als bei IKEA sind in den | |
| Kartons allerdings keine neuen Möbel verpackt, sondern Alltagsgegenstände | |
| aus der DDR. | |
| In der Halle in Marzahn hat das DDR-Museum ein neues Depot für seine | |
| 360.000 Exponate eingerichtet. Ergänzend zum eigentlichen DDR-Museum in | |
| Mitte wird nun die vollständige Sammlung öffentlich zugänglich. Das | |
| Interesse ist groß: „Wir kommen nächste Woche wieder, heute tun wir uns das | |
| nicht an“, sagt eine ältere Frau angesichts der langen Schlange und geht | |
| wieder zum Ausgang. | |
| Andreas Ludwig überrascht der Andrang und der [1][allgemeine Kult um | |
| DDR-Objekte] nicht. „Wenn man über Alltägliches spricht, kann man ein Land | |
| am besten verstehen“, sagt der Historiker, der am Leibniz-Zentrum für | |
| Zeithistorische Forschung in Potsdam arbeitet. „Und mit Objekten wird das | |
| Verstehen konkret.“ Gerade mit Alltagsgegenständen könne man andere | |
| Gesellschaften sehr gut begreifen. „Man kann sie mit den Objekten | |
| vergleichen, die man selber benutzt und so andere Lebensweisen verstehen.“ | |
| Das nimmt in Bezug auf die DDR eine besondere Dimension an: „In der DDR | |
| wurde die Produktion streng geplant. Man konnte nicht zwischen 35 | |
| verschiedenen Tees entscheiden, sondern es gab eben nur den einen“, so | |
| Ludwig. Diese eine Variante sei mittlerweile ein klarer Bezugspunkt. | |
| ## Depot steht erstmals Besucher:innen offen | |
| Das DDR-Museum stellt seit fast 20 Jahren Alltagsgegenstände aus. Was in | |
| Mitte keinen Platz fand, wurde in Spandau gelagert. Das Depot war jedoch | |
| nur zu Forschungszwecken geöffnet – bis jetzt: In der Halle in Marzahn | |
| steht neben einigen Exemplaren der Reiseschreibmaschine „Erika“ eine Tür | |
| vom Palast der Republik sowie diverse Möbel. Auch DDR-Embleme und | |
| Wandkarten sind zu sehen. | |
| Neben dem Hauptdepot hat das Museum den „Klub der Funktionäre“ | |
| eingerichtet. Der Raum sieht aus wie ein altes Wohnzimmer: eine braune | |
| Schrankwand mit Büchern, Porzellan und Schallplatten, mehrere Sessel und | |
| Sofas. „Boah, is det jemütlich“, berlinert ein weißhaariger Mann, als er | |
| den „Klub“ betritt. | |
| Zusätzlich gibt es noch eine „Zweiradhalle“, in der vor allem Motorräder | |
| und Fahrräder lagern. Bis 2023 gab es neben dem DDR-Museum auch das | |
| DDR-Motorrad-Museum. Letzteres habe er jedoch schließen müssen, erzählt | |
| Museumsdirektor Gordon von Godin. „Mit diesem nieschigen | |
| Ausstellungsprodukt war es eine Herausforderung Besucher zu akquirieren.“ | |
| Dass er als Betreiber eines Museums eines dem Selbstverständnis nach | |
| sozialistischen Staates auf kapitalistische Verwertung setzt, findet er | |
| nicht problematisch: „Wir sind als privates Museum darauf angewiesen, dass | |
| wir Tickets verkaufen. Deswegen können wir nicht nieschig arbeiten“, sagt | |
| von Godin. | |
| ## Kritik wegen „konsumistischer Herangehensweise“ | |
| Deswegen auch sein Fokus auf Alltagsgegenstände. Diese beschäftigten jeden | |
| Menschen, von der Kinderkrippe bis ins Berufsleben, so von Godin. „Mit | |
| Alltagsgegenständen kann jeder etwas anfangen. Und damit verkauft man am | |
| Ende Tickets und ist in der Lage, die Beschäftigten zu bezahlen und ein | |
| Museum und eine Sammlung auch langfristig zu betreiben.“ | |
| Der Historiker Andreas Ludwig sieht diesen Ansatz kritisch: „Das DDR-Museum | |
| exerziert eine konsumistische Herangehensweise mit Dingen umzugehen.“ Dabei | |
| sei Aufgabe und Sinn von Museen, mithilfe von materiellen Gütern, Fragen | |
| bei den Besucher:innen aufzuwerfen. „Der Museumsbegriff bedeutet auch | |
| Ernsthaftigkeit und inhaltliche Auseinandersetzung. Im DDR-Museum geht es | |
| eher um die Vermarktbarkeit und Unterhaltung“, kritisiert er. | |
| Für einige der Besucher:innen geht es auch weniger um Erkenntnisgewinn | |
| als um Persönliches: „Ich suche so lange, bis ich die Sachen meiner Oma | |
| finde“, sagt eine junge Frau und zieht die Schubladen der Schrankwand im | |
| „Klub der Funktionäre“ heraus. Ausgeschlossen ist das nicht. „Als wir 20… | |
| angefangen haben zu sammeln, haben wir nichts sortiert und erstmal alles in | |
| die Sammlung aufgenommen“, sagt von Godin. | |
| Das habe sich erst vor ein paar Jahren geändert. „Wir sammeln jetzt sehr | |
| strukturiert. Das heißt, wir nehmen nicht mehr alle Spenden an.“ Auf der | |
| Webseite des DDR-Museums gibt es daher eine Übersicht mit [2][„gezielt | |
| gesuchten Gegenständen“ aus der DDR wie etwa Wahlscheine oder | |
| originalverpackte Filinchen], eine Art ostdeutsches Knäckebrot. Was | |
| „sammlungswürdig“ ist, entscheidet das Museum nach Einsendung eines Fotos. | |
| ## Sammeln um zu verarbeiten | |
| Historiker Ludwig glaubt, dass das [3][Sammeln und Spenden von | |
| Alltagsgegenständen eine Verarbeitungsstrategie sein kann]. „Viele Menschen | |
| haben Dinge, mit denen sie gelebt haben und die es nach 1990 nicht mehr | |
| gab, aufgehoben. Sie waren ein Erinnerungsanker.“ Das Spenden dieser | |
| Gegenstände an ein Museum könne daher eine therapeutische Funktion haben. | |
| Nur die wenigsten der 360.000 Gegenstände, die im Depot lagern, kann das | |
| DDR-Museum tatsächlich ausstellen. „Die meisten Objekte fristen ihr Dasein | |
| in der Sammlung“, sagt von Godin. Trotzdem findet der Direktor: „Kein | |
| Objekt ist umsonst da. Wir machen sie zum Beispiel in der Objektdatenbank | |
| auf unserer Webseite sichtbar, unternehmen fortlaufend Sonderausstellungen, | |
| Leihverkehre und viele unserer Partner nutzen die Objektfotos für Ihre | |
| Artikel.“ | |
| Der Umfang der Sammlung ist mit 360.000 Objekten dennoch außergewöhnlich. | |
| „Das schaffen sonst nur archäologische Museen, die Keramikscherben | |
| aufheben, in der Hoffnung, sie könnten daraus etwas rekonstruieren“, sagt | |
| Historiker Ludwig. Dass nur ein Bruchteil des Sammlungsbestandes | |
| ausgestellt werden kann, sei normal. Dennoch: „Wandkarten, | |
| Schreibmaschinen, Möbel… Das ist ein Sammelsurium, das erst einmal keinen | |
| Sinn ergibt.“ | |
| 15 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leonore Kogler | |
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