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# taz.de -- Die Wahrheit: Sex mit Eselsohren
> Der neueste kritische Trend auf sozialen Medien: Die „Wet
> Dog-Ear“-Challenge dringt bis in die geheimen Kammern der Bibliotheken
> vor.
Bild: Eseleien gehören zur Jugend, wie Buridan zum Esel gehört
Eine besonders bizarre Form der Literaturkritik breitet sich derzeit in
sozialen Medien wie ein Staffellauffeuer aus: die „Wet Dog-Ear“-Challenge.
Übersetzt: „Das nasse Eselsohr“. Wie Videos zeigen, kaufen die Teilnehmer
ein Buch, spucken einen dicken Gigi hinein und knicken an der oberen Ecke
ein Eselsohr in die Seite, bevor sie den Band zuschlagen und in das Regal
einer öffentlichen Bibliothek einreihen. Einem Dogger soll es sogar
gelungen sein, in die eigentlich schwer zugängliche Secreta der Berliner
Staatsbibliothek vorzudringen und dort den schlechtesten Roman der Welt
befeuchtet unterzubringen: Joseph Goebbels’ „Michael“.
Die doppelte Herausforderung liegt offenbar darin, ein übles Machwerk auf
diese unappetitliche Weise sowohl öffentlich als auch geheim zu
kritisieren. Wobei die eiserne Regel gilt, dass das Buch nicht aus den
Beständen der Bibliothek stammen darf, sondern unbedingt persönlich im
Buchhandel erworben werden muss. Denn ein Eselsohr in einen büchereieigenen
Wälzer zu falzen, gilt als strafwürdige Sachbeschädigung. Und
Körperflüssigkeiten zu hinterlassen, wäre mutwillige Zerstörung, was
empfindliche Strafen nach sich zieht.
Die als Lesezeichen gedachte Markierung in Druckerzeugnissen geißelte schon
der Augustinermönch Abraham a Sancta Clara im 17. Jahrhundert und
verteufelte die Seitenumknicker als „böse Leute“. Apropos böse. Bevorzugt…
Objekt der feuchten Abscheu ist momentan die biografische Erzählung
„Hillbilly Elegy“ des amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance. Aber auch
Klassiker der Hassliteratur wie Hitlers „Mein Kampf“ oder „Der kleine
Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry tauchen bei der „Wet Dog-Ear“-Challe…
regelmäßig auf.
## Infantiles Treiben
Inzwischen haben sich obendrein einige sexuell desorientierte Teilnehmer
darauf verlegt, nicht nur Spucke, sondern auch andere körpereigene
Flüssigkeiten zu hinterlassen. Solch infantiles Treiben ist jedoch selbst
den sonst so abgebrühten SoMe-Betreibern zu cringe, spermatöse Videos
werden gelöscht – zumindest nach einem lukrativen Zeitraum.
Manchen Challengern aber ist sogar diese absurde Art der Kritik noch nicht
sexy genug. Sie lehnen Holzmedien, wie Bücher verächtlich genannt werden,
grundsätzlich ab und lesen Literatur, wenn überhaupt, nur noch auf Tablets.
Deshalb heißt die letzte Steigerungsform der Challenge „Wet Digidogger“.
Dabei spuckt jemand auf den Bildschirm seines E-Book-Readers. Angeblich
soll ein Digidogger auch bereits auf das Display seines Kindle gekotet
haben. Nur ein Eselsohr in einen Screen zu knicken, hat bislang noch
niemand geschafft.
Um eine Stellungnahme gebeten, erklärte der Börsenverein des Deutschen
Buchhandels dem Spiegel: „Das Leben ist verrückter als Scheiße. Wir lehnen
das ab.“ Was? Das Leben? Oder die Scheiße? Egal! Hauptsache, eine kerlige
Meinung. Oder wie die fränkische Laberschwarte Lodda Matthäus den törichten
Vorgang kommentieren würde: „Fast schöner wie ein Dor.“
28 Mar 2025
## AUTOREN
Jan Asberg
## TAGS
Soziale Medien
Literaturkritik
Bücher
Bitcoin
US-Wahl 2024
Friedensnobelpreis
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