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# taz.de -- Undemokratisch verwählt: Selbst schuld! Selbst schuld!!
> Die Missgeschicke seiner Kinder konnte unser Kolumnist früher nach kurzem
> Ärger weglächeln. Die demokratischen Verwerfungen unserer Zeit nicht.
Bild: Ruhe und Selbstbeherrschung wahren? Gar nicht so leicht
Es war im Rückblick vielleicht das Wichtigste, was ich bei der Erziehung
unserer Kinder gelernt habe: Nie, nie, niemals sagen: „Ich hab´s dir doch
gesagt!“. Der Sohn legt mit dem Kinderfahrrad einen Megacrash hin, weil er
unbedingt freihändig radeln muss? Die Tochter bekommt Panikattacken, weil
sie in der Menschenmenge wegrennen und sich verirren muss?
Der andere Sohn büßt sein tolles Mountainbike ein, weil er kein
ordentliches Schloss dafür besorgt hat? Es sind diese Momente, wo ich die
Fäuste geballt, die Zähne zusammengebissen und nur innerlich laut getobt
habe: „Wie kann man nur so blöd sein? Das ist alles Deine eigene Schuld!!“
Und dann nach zehn Sekunden Meditation nach außen durch die
zusammengebissenen Zähne gemurmelt habe: „Na, ja, wird schon. Nicht so
schlimm.“
Die Kinder sind erwachsen, und ich gestehe: Meine Geduld ist aufgebraucht.
Ich muss inzwischen wirklich aufpassen, meinen inneren Schweinehund nicht
draußen frei rumlaufen zu lassen. Er würde sonst sehr viele Menschen
kräftig beißen. Und auch die Ermahnung von Sting und seinem „Englishman in
New York“ erreicht mich nicht mehr: „It takes a Man to suffer ignorance and
smile“. Mir ist das Lächeln vergangen. Ich grinse manchmal nur noch
zynisch.
Das ist nicht nett, ich weiß. Aber ich kann nichts tun gegen diese Mischung
aus Kopfschütteln und Schadenfreude, die sich bei mir festsetzt. Wenn sich
jetzt die Farmer im Mittleren Westen der USA beschweren, Trumps
Zoll-Irrsinn würde sie ruinieren. [1][Wenn die Wall Street-Trader sehen],
dass permanentes Chaos in der Wirtschaftspolitik selbst ihre
Computermodelle überfordert. Wenn Trumps Latino-Wähler merken, dass ihre
eigenen Freunde deportiert werden, auch wenn ein Gericht das untersagt.
Etwas in mir ruft: „Ihr habt ihn gewählt!“
## Von wegen verwählen
Wenn Großbritannien jammert, weil die Wirtschaft schwächelt, keine
Lkw-Fahrer da sind und es allen schlechter geht – dann schreit es in mir:
„Brexit means Brexit!“ Wenn man wie in Österreich eine Partei zur stärkst…
Kraft macht, die den Klimawandel leugnet und dann bis zu den Knien im
Schlamm des verleugneten Hochwassers steht – dann ist das eben eure Art,
Wahlversprechen einzulösen.
Und wenn sich die AfD-Regionen wundern, dass junge Frauen und Kranken- und
Altenpflegende die Regionen verlassen, wo ihnen der Hass an jeder
Bushaltestelle entgegenschwappt – dann ist es das, was man bekommt, wenn
man sich verwählt.
Und von wegen verwählen: Wer so abstimmt wie wir als Staatsvolk im Februar,
der darf sich nicht wundern, wenn jeder Fünfte im Parlament ein blauer
Totalverweigerer der Realität ist. Und [2][wenn er in der Regierung Merz
und Klingbeil bekommt], für die Klimaschutz und Erhaltung der
Lebensgrundlagen Gedöns sind.
Die das Thema nicht mal erwähnen bei ihrer großen Präsentation des
Koalitionsvertrags. Die äußere Sicherheit nur militärisch definieren. Bei
denen soziale Sicherheit nur Renten und Jobs heißt. Die
Wirtschaftswachstum, egal wie, zur Lösung aller Probleme preisen.
500 Milliarden Euro an Krediten für dringend nötige Investitionen sind eine
gute Sache – wenn sie für eine klimaneutrale Zukunft angelegt werden. Aber
da bin ich bei der nächsten Regierung und dem Desinteresse der meisten
Demokratie-Zuschauer hier mit jedem Tag skeptischer. Tatsache ist: Wenn sie
ihr Programm durchziehen, sind wir hinterher hoch verschuldet. Und wenn wir
dafür bloß Beton, Bauerndiesel und Blütenträume von Fusionsreaktoren
bekommen, wenn es neue Autobahnen, Flughäfen und Gaskraftwerke hagelt –
dann haben wir das selbst verschuldet.
11 Apr 2025
## LINKS
[1] /US-Zollpolitik/!6077650
[2] /Koalitionsvertrag-von-Union-und-SPD/!6081312
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
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sich die neue Regierung doch ein Beispiel dran nehmen, findet unser
Kolumnist.
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