# taz.de -- Schattenwolf nicht mehr ausgestorben: Und da heulen sie nun rum | |
> Die Gen-Manufaktur Colossal Biosciences will den Schattenwolf wieder zum | |
> Leben erweckt haben. Zum vor Jahrtausenden ausgestorbenen Urtier fehlt | |
> allerdings noch so einiges. | |
Bild: Zwei von drei neuen Produkten der Firma Colossal Biosciences | |
„Wann ist ein Mann ein Mann?“, knödelte [1][Herbert Grönemeyer] einst, und | |
wem schon diese Frage Kopfzerbrechen bereitet, dessen Begeisterung dürfte | |
sich in Grenzen halten über die Meldung, der Schattenwolf sei wieder da. | |
Denn die Frage, wann ein Schattenwolf ein Schattenwolf ist, ist um einiges | |
komplizierter. Bekannt geworden sind die Tiere vor allem im Fantasy-Genre, | |
zuvorderst durch „Game of Thrones“, wo sie als Superwölfe, Wappentier und | |
etwas exaltierte Familienhunde agieren. | |
Es gab sie allerdings tatsächlich. Sie ähnelten den heute noch lebenden | |
Wölfen, sind aber nicht ihre Vorfahren. Mit ihrem deutlich massigeren | |
Schädel, kräftigeren Zähnen und den kurzen Beinen am größeren Körper | |
bespielten sie vermutlich eher die ökologische Nische heutiger Hyänen. | |
Der Name wurde erst in den letzten Jahren populär, zuvor wurde die Art | |
meist etwas sperrig Aenocyon dirus oder Canis dirus genannt, was | |
„Schreckenshund“ bedeutet und im Englischen zum „dire wolf“ führte. Ab… | |
der Hundeartige hörte eh nicht drauf, denn er ist vor über 10.000 Jahren | |
ausgestorben. Bis zum Oktober letzten Jahres jedenfalls, folgt man den | |
Verlautbarungen der Genmanufaktur Colossal Biosciences, die sich der | |
De-Extinktion verschrieben hat, also der Kunst, ausgestorbene Arten wieder | |
zum Leben zu erwecken. | |
Das ist ihr im Fall des Schattenwolfes nun also geglückt, wie sie auf X | |
begleitet von einer Tonspur postet, auf der es so erbärmlich heult, als | |
habe Elon Musk gerade die aktuellen Tesla-Charts gesehen – das erste | |
Schattenwolfheulen seit über 10.000 Jahren. Wissenschaftliche Sensation | |
oder Wolfshit? | |
## Bekannt aus Game of Thrones | |
Aus einem 72.000 Jahre alten Schädel und einem 13.000 Jahre alten Zahn | |
haben die Colossals das Genom von Aenocyon dirus extrahiert, es | |
anschließend mit dem des heutigen Wolfes abgeglichen und dabei 20 | |
Unterschiede in 14 Genen erkannt. Die betreffenden Gene wurden per | |
Genscherentechnik editiert, das neu zusammengebastelte Schattenwolfgenom in | |
eine entkernte Hundeeizelle gepflanzt, die wiederum einer Hündin als | |
Leihmutter eingesetzt. | |
So kamen schließlich drei Schattenwolfwelpen zur Welt, die auf die Namen | |
Romulus, Remus und Khaleesi – eine [2][Game-of-Thrones]-Anspielung – | |
getauft wurden. Die Tiere wachsen in einem geheim gehaltenen Privatreservat | |
im Norden der USA auf, zertifiziert vom – kein Witz – US-Tierschutzverein. | |
Und da heulen sie nun rum. | |
Sieht aus wie ein Schattenwolf, klingt wie ein Schattenwolf – also wird es | |
wohl einer sein? Auch wenn das Genom zu über 99 Prozent übereinstimmt, | |
bleiben vermutlich nicht nur die detektierten 20, sondern womöglich | |
Millionen genetischer Unterschiede zwischen Schatten- und Wolf. | |
Zurechtgeschnitten wurden vermutlich einfach einige Gene, die bestimmte | |
Merkmale im Aussehen bestimmen, weshalb die Newcomer dem verblichenen | |
Vorgänger womöglich gleich oder ähnlich sehen. Das gesamte Genom aber trägt | |
massenhaft weitere Informationen, deren Bedeutung wir gar nicht kennen, die | |
aber entscheidend sind für das, was eine Art und ihre Anpassungsfähigkeit | |
ausmachen, jenseits so einfacher Merkmale wie „massiger Schädel“. | |
## Exorbitante Kosten | |
Hinzu kommt, dass ein authentischer Schattenwolf nicht nur genetisch | |
geprägt wäre, sondern wichtige Verhaltensweisen von den Eltern und dem | |
Rudel gelernt haben dürfte, wie es bei Wölfen auch der Fall ist. Mangels | |
Role Models entwickeln Romulus & Co sich also mit ziemlicher Sicherheit zu | |
etwas ganz anderem als dem Tier, das vor 13.000 Jahren einen Zahn verloren | |
hat, selbst wenn sie sich äußerlich gleichen mögen. | |
Und schließlich macht eine Tierart nicht nur das Genom eines Individuums | |
aus, sondern gerade seine genetische Variation zwischen verschiedenen | |
Individuen. Colossal Biosciences schraubt allerdings, von solchen Einwänden | |
unbeeindruckt, auch an der Wiederauferstehung von Dodos, Beutelwölfen und | |
Mammuts herum. Bei Letzteren konnte die Firma kürzlich den wohl vor allem | |
Frisöre schockierenden Erfolg vermelden, Wollmäuse gezüchtet zu haben, also | |
Mäuse mit Haargenen von Wollmammuts und entsprechend zotteliger Frisur. | |
Gut möglich also, dass es in absehbarer Zeit zu einer Art Prehistoric Park | |
kommen könnte. Und da ja alle gerade nach sicheren Anlagetipps suchen: Das | |
wäre einer! Denn die Faszination, wieder zum Leben erweckte, [3][vormals | |
ausgestorbene Tiere zu sehen], dürfte ungebrochen sein – wen kümmert es da, | |
wie nah dran am Urtier sie wirklich sind? | |
So oder so: Den Schutz heute lebender Arten ersetzt das Gengeschnippel | |
nicht. Schon allein wegen der exorbitanten Kosten, aber auch, weil eine | |
Tierart mehr ist als bestimmte sichtbare körperliche Merkmale einzelner | |
Individuen. Weshalb ein Schattenwolf eben auch mehr wäre als ein genetisch | |
veränderter Wolfshybrid. Da kann er rumheulen, wie er will. | |
9 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Heiko Werning | |
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