# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Umstrittener Gesandter | |
> Steve Witkoff soll im Auftrag Trumps eine Waffenruhe in der Ukraine | |
> herbeiführen. Sein Ansehen in Moskau und Kyjiw ist recht unterschiedlich. | |
Bild: Der Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump, Steve Witkoff, in Wash… | |
Der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff soll noch diese Woche mit dem | |
iranischen Außenminister für neue Atomgespräche zusammenkommen. Wolodymyr | |
Selenskyj hatte bereits vor einigen Wochen das Vergnügen mit ihm. Seit dem | |
historischen [1][Eklat im Weißen Haus] bemüht sich Selenskyj um eine | |
vorsichtige Rhetorik gegenüber Washington. Doch im Fall Witkoff zeigt er | |
eine deutliche Abneigung, spricht von einem „Immobilienmakler“ und einem | |
„Mann von einem anderen Planeten“, der viel Zeit mit Wladimir Putin | |
verbracht habe und daher russische Narrative übernehme. | |
Selenskyjs Kritik an Witkoff ist begründet. Kein anderer aus Trumps | |
direktem Umfeld pflegt so intensive Kontakte zum Kreml wie er. Seit | |
Jahresbeginn traf er sich bereits zweimal mit Putin in Moskau. Diese langen | |
Gespräche, begleitet von einer russischen Charmeoffensive, scheinen | |
Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Immer wieder fällt er durch wohlwollende | |
Äußerungen über Russland und den Kremlchef auf. | |
Obwohl er keine ausgewiesene Expertise zur Ukraine besitzt, verbreitet | |
Witkoff unkritisch umstrittene Interpretationen der jüngsten ukrainischen | |
Geschichte. [2][Die russische Aggression gegen die Ukraine] relativiert er, | |
während russische Kriegsverbrechen unerwähnt bleiben. Im Gespräch mit dem | |
Moderator Tucker Carlson geht er noch weiter. Er beschreibt Putin als | |
„Trumps Freund“ und betont, dass dieser kein schlechter Mensch sei, | |
strategisch klug handle und keine Bedrohung für Europa darstelle. | |
In Moskau werden Witkoffs Äußerungen wohlwollend aufgenommen. Putins | |
Pressesprecher Dmitri Peskow äußert die Hoffnung, dass die USA die | |
russische Sichtweise auf den „Ukraine-Konflikt“ zunehmend nachvollziehen. | |
Einige Publizisten spekulieren sogar, Putin habe Witkoff, der jüdische | |
Wurzeln hat, von der Gefahr durch „ukrainische Nazis“ überzeugt. | |
## Ein nützlicher Idiot? | |
Der Politikwissenschaftler Sergei Markow, ein bekanntes Sprachrohr des | |
Kremls, fabuliert sogar von Witkoff, dem „guten US-amerikanischen Juden“ | |
mit Vorfahren aus dem Zarenreich – als Gegenpol zum früheren Außenminister | |
Antony Blinken. Blinken, dessen Großvater aus Kiew stammte, wird hingegen | |
als „böser Jude“ dargestellt, der mit seiner Unterstützung für die Ukrai… | |
eine vermeintliche Rache an Russland für die Judenpogrome des frühen 20. | |
Jahrhunderts nehmen wollte. | |
Auch in der Ukraine wird Witkoffs jüdische Herkunft gelegentlich | |
thematisiert – teils in antisemitischer Weise. Gleichzeitig befeuern seine | |
grotesken Entgleisungen eine in der Ukraine ohnehin verbreitete | |
Verschwörungstheorie über den angeblichen KGB-Agenten „Krasnow“. Hinter | |
diesem Decknamen soll sich kein anderer als [3][Trump verbergen. Er sei | |
angeblich bereits 1987 vom KGB rekrutiert] worden. | |
Hinzu kommen im postsowjetischen Raum verbreitete Vorstellungen über naive | |
und ungebildete US-Amerikaner*innen, die nun auf Witkoff projiziert werden. | |
Manche Kritiker*innen in der Ukraine und in Europa halten den | |
selbstbewussten, aber unerfahrenen Hobbydiplomaten Witkoff für ein Opfer | |
raffinierter russischer Desinformation und damit für einen sogenannten | |
„nützlichen Idioten“ des Kremls. | |
Doch ist Steve Witkoff tatsächlich Putins „nützlicher Idiot“? Der | |
polemische Begriff wird häufig mit Wladimir Lenin und seinem schlagfertigen | |
Mitstreiter Karl Radek in Verbindung gebracht. Im Kontext des | |
Ost-West-Konflikts bezeichnete man als „nützliche Idioten“ vor allem | |
Personen aus dem Westen, die sowjetische Propagandanarrative verbreiteten | |
und sich für Moskaus Ziele instrumentalisieren ließen, ohne die wahren | |
Absichten des Kremls zu erkennen. | |
## Anbiederung aus taktischen Gründen | |
Bereits in den 1930er Jahren erzielte Moskau beachtliche Erfolge bei der | |
Rekrutierung „nützlicher Idioten“ – eine Praxis, die nach 1945 fortgeset… | |
wurde. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name des | |
US-Amerikaners [4][Walter Duranty]. Duranty war Korrespondent der New York | |
Times in Stalins Moskau und veröffentlichte Artikel und Bücher, in denen er | |
die brutalen Methoden der bolschewistischen Diktatur verharmlost und auf | |
die Tradition des „asiatischen Despotismus“ zurückgeführt hat. | |
Die Berichte über die erschreckende Hungersnot in der Ukraine in den frühen | |
1930er Jahren tat der Pulitzerpreis-Träger Duranty zum Beispiel als | |
übertrieben ab. Seine These aus dem Jahr 1931, „das heutige Russland kann | |
nicht nach westlichen Maßstäben beurteilt oder in westlichen Begriffen | |
interpretiert werden“, bleibt bis heute ein Grundprinzip von | |
„Russland-Verstehern“ jeglicher Couleur. | |
Obwohl Duranty das stalinistische Regime eher wohlwollend behandelte, gibt | |
es keine Belege dafür, dass er im Auftrag des Kremls agierte. Seine | |
Sympathie für die kommunistische Ideologie bleibt fragwürdig. Die | |
bolschewistische Führung hielt ihn zwar für einen „nützlichen Idioten“, | |
doch vielmehr war Duranty ein geschickter und prinzipienloser Opportunist. | |
Er verstand die Situation in der UdSSR und die stalinistische | |
Herrschaftslogik, suchte aber bewusst die Nähe zur Moskauer Führung, um | |
sich Zugang zu exklusiven Informationen zu sichern und seine Karriere | |
voranzutreiben. Von diesem perfiden Win-win-Spiel profitierten sowohl der | |
Kreml als auch der US-Journalist. Ähnlich scheint auch Witkoff zu handeln. | |
Während Moskau ihn für einen „nützlichen Idioten“ hält, ist kaum | |
anzunehmen, dass ihm Putins wahre Absichten in der Ukraine verborgen | |
bleiben. | |
Obschon ihm der Kremlchef tatsächlich sympathisch erscheinen mag, hat seine | |
Anbiederung vor allem taktische Gründe. Witkoff hofft, sich als Mittler in | |
der Deals-Politik der Trump-Administration zu profilieren und das Vertrauen | |
seines Chefs zu stärken. Trump selbst – so berichten Insider – ist von | |
Putin beeindruckt. Und so sagt Witkoff genau das, was der US-Präsident | |
hören möchte. Sollte sich Trumps Haltung ändern, würde er seine Meinung | |
entsprechend anpassen. Steve Witkoff ist vor allem ein zynischer | |
Opportunist. | |
10 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Krach-zwischen-Selenskyj-und-Trump/!6072970 | |
[2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150 | |
[3] https://de.euronews.com/my-europe/2025/03/13/wurde-donald-trump-unter-dem-n… | |
[4] https://www.nytco.com/company/prizes-awards/new-york-times-statement-about-… | |
## AUTOREN | |
Alexander Friedman | |
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