# taz.de -- DFB-Fußballerinnen gegen Schottland: Schock und Show | |
> Die DFB-Elf bleibt ein Rätsel. Beim 6:1 gegen Schottland drei Monate vor | |
> der EM zeigt sie, dass sie hundsmiserabel spielen kann – und | |
> herausragend. | |
Bild: Schaut her! Die dreifache Torschützin Selina Çerçi mit einem Erinnerun… | |
Irgendwann hat es das vielleicht schon einmal gegeben. In der Regel muss | |
man im kollektiven Gedächtnis des Fußballs nur etwas gründlicher stöbern, | |
um selbst zu den schrägsten Geschichten irgendeine Parallele zu finden. | |
Aber man wird nicht viele Trainer finden, die nach einem 6:1-Erfolg auf der | |
eigentlich gerade zu Ende gegangenen Pressekonferenz noch einmal das Wort | |
ergriffen, um diesen Extrawunsch loszuwerden. „Ich habe noch etwas: Seien | |
Sie nicht so kritisch“, bat Christian Wück. Und er ergänzte: „Es ist nicht | |
so, dass wir die Einzigen sind, die Probleme haben. Wir haben 6:1 gewonnen, | |
machen wir einen Haken dahinter.“ | |
Seltsam ist die Lage, in der sich gerade die deutschen Fußballerinnen drei | |
Monate vor der Europameisterschaft befinden, und noch seltsamer war dieser | |
Abend in Wolfsburg. Lange Zeit war es aus deutscher Sicht eine Partie zum | |
Vergessen. | |
Zur Halbzeit lag man gegen den krassen Außenseiter Schottland 0:1 zurück | |
und am Ende stand Selina Çerçi mit ihrem nun wohl liebsten | |
Erinnerungsstück, dem Spielball, in der Mixed Zone und gab Auskunft über | |
das „unfassbare Gefühl“, im Nationaltrikot einen Hattrick gegen Schottland | |
erzielt zu haben. Ausnahmsweise durfte die 24-Jährige von Anfang an spielen | |
und machte in der zweiten Hälfte bei ihrem siebten DFB-Einsatz die | |
Länderspieltore zwei, drei und vier. 26 Minuten benötigte sie dafür nur. | |
Wück würdigte ihre Qualitäten, ihr Kopfballspiel, ihre Schnelligkeit, ihre | |
Dribbelstärke. Wie fast jedes Lob an diesem Abend war dieses mit einer | |
Einschränkung verknüpft: „Auch sie hat allerdings in der ersten Hälfte | |
unheimlich viel Zeit gebraucht, um in das Spiel reinzukommen.“ | |
## Alles anders vorgestellt | |
Letztlich war es der Bundestrainer selbst, der an diesem Tag mit Kritik | |
nicht sparte. Ohnehin neigt der 51-Jährige [1][seit seinem Amtsantritt im | |
August 2024] nicht zur Schönrednerei. Dass er sich seine Arbeit einfacher | |
vorgestellt habe, hat er jüngst freimütig eingeräumt. Er will dem Team ein | |
Gesicht geben, das für dominanten Fußball steht. Und weil wegen verletzter | |
Spielerinnen [2][wie Lena Oberdorf,] Kathrin Hendrich, Sara Doorsoun und | |
Rebecca Knaak die Personaldecke gerade defensiv dünn ausfällt, | |
experimentiert Wück unentwegt. Über 30 Spielerinnen hat er in nur acht | |
Länderspielen zum Einsatz gebracht. | |
Und das Gesicht, welches das Team abgibt, ist ebenso vielgestaltig. Im | |
Extremfall wie am Dienstagabend kann sich die DFB-Elf von einem Team wie | |
Schottland, das sich nicht einmal für die EM qualifizieren konnte, nicht im | |
Geringsten abheben, um dieselben Gegnerinnen dann in der zweiten Hälfte in | |
Grund und Boden zu spielen. In 90 Minuten brachte das DFB-Team in etwa | |
gleich gut Argumente vor, warum es dem fußballerischen Prekariat in Europa | |
oder warum es der Elite zugerechnet werden sollte. | |
Beide Hälften hätten ihn sprachlos gemacht, im negativen wie im positiven | |
Sinne, bekannte Wück. Er sprach dann doch. Von einer Vorstellung fernab der | |
eigenen Leistungsgrenze und von einer Leistungsexplosion. Er konnte indes | |
nicht verhehlen, dass der Schock über den ersten Auftritt tiefer saß. „Das | |
war eine Leistung, die nicht zu erklären war“, befand er. Die Inkonstanz | |
wäre ein Problem, welches das Team schon vor seiner Amtszeit begleitet | |
habe. Wobei er sich für den konkreten Fall doch auch selbst in Haftung | |
nahm. Nach dem erfolgreichen [3][Nations-League-Duell in Schottland] (4:0) | |
vor wenigen Tagen sei es menschlich, dass die Spielerinnen Probleme hätten, | |
wieder auf hundert Prozent zu kommen. Er kreide sich an, „diese Galligkeit | |
nicht in die Spielerinnen hineinbekommen zu haben“. | |
Die generelle Schwankungsbreite des Teams bleibt ein Rätsel. Die | |
gegensätzlichen Eindrücke wirkten verstörend, so dass im Nachhinein die | |
Ansage des erstmals ein Länderspiel übertragenden TV-Kinderkanals Kika doch | |
ein wenig Sinn zu machen schien. „Empfohlen ab 10 Jahren“ hieß es im | |
Programm. Die darauffolgenden Kindernachrichten „Logo!“ dagegen wurden | |
bereits für Achtjährige als verdaulich angepriesen. | |
## Zu schicksalsergeben | |
In der Wolfsburger Arena fiel besonders ins Auge, wie sehr es dem DFB-Team | |
an selbstregulativen Kräften fehlt. „Jedes Spiel hat viele Phasen. Bei uns | |
ist es leider so, dass diese Phase sich oft über eine Halbzeit zieht“, | |
stellte Wück fest. Es brauchte erst die Neuausrichtung in der Pause, um die | |
Wende einzuleiten. Davor schien sich das Team dem Schicksal zu ergeben. | |
Insbesondere die eingewechselte Doppeltorschützin Giovanna Hoffmann und | |
Sarai Linder sorgten für mehr Energie und Passsicherheit. Plötzlich gelang | |
alles. Laura Freigang, die in der ersten Hälfte fast ohne Bindung zum Spiel | |
war, hinterließ mit ihrem Hackentor nun wie selbstverständlich für die | |
Archive noch ein besonders schönes Kunstwerk. | |
Was nun? Wück zog nach der Begegnung weitere Experimente in Erwägung. Bei | |
der EM würde man möglicherweise auf Spielerinnen setzen, die jetzt maximal | |
noch ein Spiel machen könnten. Als Beispiel nannte er Lena Oberdorf, die | |
seit ihrem Kreuzbandriss vergangenen Sommer noch nicht bei ihm zum Einsatz | |
gekommen ist. Andererseits, räumte Wück ein, wäre es sinnvoll, dass sich | |
endlich ein Team für die EM einspielt. „Das ist der Knackpunkt, den wir | |
haben.“ | |
Wück kommt aus der Rolle des ewig Suchenden nicht heraus. Ausgeschlossen | |
werden kann derzeit wenig. Immerhin das: Almuth Schult und Lina Magull | |
wurden am Dienstag in Wolfsburg offiziell in den | |
Nationalmannschaftsruhestand verabschiedet. | |
9 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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