# taz.de -- Gärtnerin über Schnittblumen: „Florist:innen leben gefährlich�… | |
> Nachhaltigkeit endet nicht bei der eigenen Verdauung, sagt Margrit De | |
> Colle. Sie rät, beim Kauf auf Siegel zu achten oder Blumen selbst | |
> anzubauen. | |
Bild: Rosenpflückerin in Kenia. Das Herkunftsland einer Blume verrät nichts d… | |
taz: Frau De Colle, zurzeit kann ich an Tulpen oder Osterglocken im | |
Supermarkt nicht vorbeigehen, ich muss welche kaufen. Ist das in Ordnung? | |
Margrit De Colle: Achten Sie auf Siegel! Wenn Bio draufsteht, ist es okay, | |
Fairtrade geht auch. Wenn sie keine Sträuße mit Siegel finden, ist es | |
immerhin schon mal etwas, wenn Sie in der Saison bleiben, da liegen Sie mit | |
Narzissen und Tulpen richtig. Die Rose zum Beispiel blüht erst im Mai, die | |
müssen Sie jetzt noch nicht kaufen. Ich empfehle zu fragen, wo die Blumen | |
herkommen. | |
taz: Weiß das die Supermarktverkäuferin? Die Blumen kommen halt mit dem Lkw | |
aus dem Großmarkt, oder? | |
De Colle: Wenn zehn Kunden fragen und der Händler merkt, dass sich die | |
Kunden dafür interessieren, dann kann er vielleicht beim elften eine | |
Antwort geben. | |
taz: Sollte ich gar nicht im Supermarkt kaufen, sondern lieber im | |
Blumenladen? | |
De Colle: Das spielt keine Rolle, die beziehen ihre Blumen alle vom | |
gleichen Großmarkt. Auch das Herkunftsland von Schnittblumen ist kein | |
Nachweis für Qualität. Nach einer aktuellen Untersuchung waren Rosen aus | |
Deutschland am meisten mit Ackergiften belastet. Leider kann ich Blumen | |
auch nicht ansehen, wie sie wachsen und geerntet werden. Es helfen also | |
wirklich nur Siegel. | |
taz: [1][Sie selbst arbeiten nach den Regeln der „Slow Flowers“-Idee,] die | |
sich an die Bewegung Slow Food anlehnt. Gibt es zwischen nachhaltig | |
angebauten Blumen und Lebensmitteln mehr Unterschiede oder mehr | |
Gemeinsamkeiten? | |
De Colle: Es gibt nur einen Unterschied: Wir essen den Strauß nicht. | |
Allerdings finde ich das nicht so wichtig. Nachhaltigkeit hört ja nicht bei | |
der eigenen Verdauung auf. Es geht um Menschen, Schicksale, um die Umwelt, | |
Grundwasser, Böden, es geht um Enkeltauglichkeit. Und damit gibt es viel | |
mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. | |
taz: Bei der Lebensmittelproduktion gibt es Grenzwerte für Schadstoffe, | |
etwa Pestizide, die auf Obst vorkommen dürfen. Gibt es die bei Blumen auch? | |
De Colle: Nein, überhaupt keine. Darum zeigen die Laboruntersuchungen von | |
Stichproben auch erschreckende Ergebnisse. [2][Schon auf den Feldern werden | |
Blumen mit Spritzmitteln gegen Insekten oder Unkräuter besprüht.] Wenn | |
Blumen mit dem Flugzeug importiert werden, wird ihr Stiel vorher in ein | |
Fungizid getaucht, damit sie nicht verschimmeln. Und so weiter. Einen | |
konventionellen Blumenstrauß sollten sie nicht im eigenen Komposthaufen | |
entsorgen – und wenn sie ihn anfassen, sollten Sie sich danach die Hände | |
waschen. | |
taz: Was bedeutet das für Gärtner:innen oder Florist:innen? | |
De Colle: Für sie ist es gefährlich, mitunter sogar lebensgefährlich, weil | |
sie ständig und über lange Zeiträume mit den Blumen in Kontakt kommen, und | |
damit zum Teil mit hochgiftigen Substanzen, die über die Haut aufgenommen | |
werden. Die sind zum Teil krebserregend oder stören die Fruchtbarkeit. | |
Blumen sind ein Milliardenbusiness mit entsprechenden Auswüchsen. | |
taz: Ihr Ratschlag ist also, Blumen selber anbauen? | |
De Colle: Das kann natürlich nicht jeder machen, ist schon klar. Deshalb | |
empfehle ich als erstes, nachzufragen und sich für die Blumen zu | |
interessieren, die überall in den Supermärkten und Läden herumliegen. Aber | |
wer einen kleinen Garten oder auch nur einen Balkon hat, kann schon viel | |
selber machen. Es gibt ja immer noch Menschen, die denken, wenn man Blumen | |
schneidet, dann ist der Garten leer. Aber ein blühender Garten und | |
Blumenliebe fürs Haus schließen sich nicht aus. Blumen wie Rittersporn und | |
Lupine blühen öfter und länger, wenn sie geschnitten werden. Und achten Sie | |
auch darauf, was Sie anpflanzen. Narzissen zum Beispiel sind giftig, die | |
mögen die Wühlmäuse nicht, darum werden ihre Zwiebeln nicht gefressen und | |
sie vermehren sich Jahr für Jahr. Da können sie sich gut welche für die | |
Vase mopsen. Tulpenzwiebeln hingegen werden häufig Opfer von Mäusen. | |
taz: Sie möchten auch mehr Blumenfelder in der Landschaft sehen. | |
De Colle: Blumen sind eine gute Ergänzung für Landwirte. Ich mache viele | |
Beratungen und Workshops dazu. Bei vielen Bauern folgt nach dem ersten | |
Blumenbeet das zweite und dann das dritte. In meine Seminare kommen viele | |
Landwirte, die Höfe übernehmen und raus wollen aus der reinen | |
Milchwirtschaft, die auf ihren Höfen und in ihrer Arbeit mehr Vielfalt | |
wollen. Blumen passen gut zu einem Betrieb mit Direktvermarktung oder einem | |
Gemüsebauern. | |
taz: Sind Blumen eine sinnvolle Zwischenkultur? | |
De Colle: Unbedingt! Ich arbeite seit zehn Jahren mit einem Biogemüsebauern | |
zusammen, und wir sind nach und nach darauf gekommen, dass Blumen sich als | |
super Zwischenkultur eignen. | |
Bei uns steht ein Beet nie lange leer. Im Salatbeet wechseln sich zum | |
Beispiel Eisberg- oder Kopfsalat mit Zinnien oder Kornblumen ab. Blumen und | |
Gemüse sind beide häufig einjährig und stehen nur kurz im Beet, die | |
ergänzen sich prima. Die alten Bauern- oder Schlossgärten zeigen das ja | |
auch, dort werden immer Blumen und Gemüse gemeinsam angebaut. Das ist Essen | |
für die Seele und für den Bauch. | |
taz: In Ihrem Buch geben Sie auch Kalkulationstipps: Ein Trockenblumenkranz | |
soll 95 Euro kosten, ein Blumenstrauß 35 Euro. Wer zahlt Ihnen solche | |
Preise? | |
De Colle: Es ist nicht immer ganz leicht, im Moment ist es sogar schwierig, | |
weil viele Menschen wegen der Teuerung bei Blumen sparen. Aber ich habe | |
eine Stammkundschaft, außerdem gebe ich Workshops – ich kann die komischen | |
Zeiten ausgleichen. | |
2 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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