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# taz.de -- Krise des Neubaus in Berlin: Mehr Geld, mehr Wohnungen?
> Die Zahl der beantragten Neubauwohnungen sinkt dramatisch. Die Milliarden
> aus dem Sondervermögen könnten das Bauen anschieben – aber auch
> verhindern.
Bild: Bauen wollen oder können gerade immer weniger
Berlin taz | Der Einbruch ist dramatisch: Erstmals seit vielen Jahren sinkt
die Anzahl neu genehmigter Wohnungen in Berlin unter die Marke von 10.000.
[1][Laut vorläufigen Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg]
wurde 2024 der Bau von lediglich 9.921 neuen Wohnungen genehmigt. Zum
Vergleich: 2023 waren es noch 16.000 Wohnungen, und zur Zeit der
rot-rot-grünen Regierungskoalition regelmäßig mehr als 20.000.
Gleichzeitig bleibt auch die Zahl fertiggestellter Wohnungen hinter dem
selbst gesteckten Ziel des Senats von 20.000 zurück. Im vergangenen Jahr
sind etwa 15.000 Wohnungen neu gebaut werden.
Zwar ist der Bauüberhang, also die Zahl genehmigter, und noch nicht
gebauter Wohnungen nach wie vor hoch. Doch klar ist eben auch: Nicht
genehmigte Wohnungen werden nicht gebaut. Die aktuelle Zurückhaltung, neue
Vorhaben anzuschieben, begründet mit hohen Zinsen und Baukosten sowie dem
Fachkräftemangel, wird ihre Wirkung erst in Jahren voll entfalten. Und das
Problem könnte sich ausgerechnet durch die Milliardensumme, die Berlin aus
dem Sondervermögen des Bundes bekommen wird, noch verstärken.
Will die Stadt mehr Wohnungen und vor allem bezahlbare, bleibt ihr vor
allem ein Mittel: die Stärkung der landeseigenen Gesellschaften, damit sie
irgendwann ihr bislang stets verfehltes Ziel von 6.500 jährlichen
Neubauwohnungen tatsächlich erreichen oder dieses gar auf 8.000 oder 10.000
erhöhen, wie der wohnungspolitischer Sprecher der Linken, Niklas Schenker
fordert. Die zusätzlichen Milliarden müssten „unbedingt genutzt werden“,
sagt Schenker.
Auch Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein verweist auf die besondere
Bedeutung der kommunalen Gesellschaften: „Dass sie mehr bauen müssen, ist
unstrittig“, findet er. Auf einem Forum am Montag zum Thema „Bedarf und
Akteure des kostengünstigen Wohnungsbaus“ sei die Forderung nach 10.000
Neubauwohnungen wiederholt gestellt worden. Notwendig dafür seien mehr
finanzielle Unterstützung, aber auch die verstärkte Zusammenarbeit der
sechs Gesellschaften.
Die Linke fordert seit Langem den Aufbau einer kommunalen Bauhütte: einer
öffentlichen Institution, die Planungs- und Baukapazitäten bündelt und den
verstärkten Ankauf von Grundstücken. Der Gefahr, dass Kapazitäten der
Baubranche künftig vor allem durch die Sanierung von Straßen und Brücken
gebunden werden, will Schenker mit langfristigen Rahmenverträgen mit der
Baubranche begegnen: „Berlin muss sich wirklich gute Gedanken machen, wie
man die begrenzten Baukapazitäten für öffentliche Aufträge bündelt“, sagt
er.
## Was darf finanziert werden?
Doch noch ist unklar, für was Berlin die etwa 5 Milliarden Euro ausgeben
kann, die dem Land aus den Bundeskrediten zur Verfügung stehen werden.
Dürfen damit nur Brücken saniert und Schulen ertüchtigt werden oder können
auch Sozialwohnungen gebaut werden? „Die Zweckbestimmung für das
Sondervermögen muss noch in einem Ausführungsgesetz geregelt werden“,
dämpft die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus,
Oda Hassepaß, die Erwartungen. „Noch wissen wir nicht, wann das sein wird.“
Auch Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) will erst mehr Klarheit,
bevor es an die Planungen geht. Solange das Kleingedruckte zum
Sondervermögen nicht bekannt sei, werde er selbst sich nicht äußern. Umso
mehr als es sein könne, dass bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen im
Bund Entscheidungen getroffen würden, „die Länder und Kommunen zusätzlich
belasten“.
Ganz so einfach dürfe sich der Finanzsenator nicht aus der Affäre ziehen,
meint Matthias Kollatz. Der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion sagt
der taz, dass die Grundlinien dessen, was Berlin mit dem Sondervermögen
finanzieren will, schon jetzt festgelegt werden müssten: „Da ist der
Finanzsenator in der Pflicht“, findet er.
Kollatz verweist auf die Sektoren, die etwa die Grünen in das
Sondervermögen hineinverhandelt haben, also Verkehr, Bildung und
Dekarbonisierung. „Mit der Dekarbonisierung können wir uns auch an die
energetische Sanierung des Wohnungsbestands machen.“ Aber auch der Neubau
von Sozialwohnungen sei möglich. Nämlich dann, wenn der Bund seine
Wohnungsbauförderung ausweitet.
Bartels plädiert für direkte Zuschüsse an die Wohnungsbaugesellschaften,
damit diese Neubau nicht aus Krediten finanzieren müssen. Dies sei eine
Investition in Infrastruktur und könnte auch als Klimaschutzmaßnahme
begründet werden. Bartels spricht von vielen „vorbildlichen Neubauten“ der
Landeseigenen.
Dass der Wohnungsbau nicht überall Priorität hat, zeigt eine [2][Abfrage
des Radiosenders Flux FM] bei den Berliner Bezirken. Ganz unabhängig davon,
welche Partei in den Rathäusern das Sagen hat, stehen dort vor allem der
Bau und die Sanierung von Schulen ganz oben auf der Prioritätenliste. Kein
einziger der elf Bezirke, die dem Sender geantwortet haben, hat den Neubau
von Wohnungen gefordert.
## Auch private wollen Geld
Mehr Geld für den Wohnungsbau erhofft sich die private Bauwirtschaft.
Marcus Nachbauer, Vorsitzender der Bundesvereinigung Bauwirtschaft,
[3][warnt in einer Fachzeitschrift sogar vor einem „blinden Fleck“ beim
Sondervermögen]: „Der Wohnungsbau steckt in der schwersten Krise seit
Jahrzehnten.“ Ein klarer Teil des Sondervermögens müsse für den Wohnungsbau
mitgerechnet werden.
Was aber, wenn steigende Baupreise und Zinsen das Mehr an Geld wieder
auffressen? Davor hatte Evers bereits gewarnt. „Der erste Effekt des
Sondervermögens waren steigende Zinsen, und natürlich werden auch die
Baupreise anziehen“, sagte der Finanzsenator der [4][Wirtschaftswoche].
„Also kommt es umso mehr auf beschleunigte Planungs- und
Genehmigungsverfahren an.“
SPD-Mann Kollatz sieht das als kein großes Problem. Zumindest dann nicht,
wenn die Mittel direkt in die Wohnungsbauförderung gehen. „Dann muss sich
keine Wohnungsbaugesellschaft Geld bei der Bank besorgen.“
3 Apr 2025
## LINKS
[1] https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/f-ii-1-m
[2] https://www.fluxfm.de/posts/id=00d60a98-86f2-4319-a283-5eaff8c498aa
[3] https://bi-medien.de/fachzeitschriften/baumagazin/wirtschaft-politik/sonder…
[4] https://www.wiwo.de/politik/deutschland/sondervermoegen-was-passiert-mit-de…
## AUTOREN
Erik Peter
Uwe Rada
## TAGS
Neubau
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Verkehrswende
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Deutsche Wohnen & Co enteignen
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