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# taz.de -- Urteil gegen Marine Le Pen: Schlechte Verlierer (vor allem für die…
> Marine Le Pen arbeitete lange daran, aus ihrem Rassemblement National
> eine salonfähige Partei zu machen. Das scheint nach ihrer Verurteilung
> vorbei.
Bild: Marine Le Pen und RN-Parteisprecher Jean-Philippe Tanguy am Dienstag in d…
Paris taz | Hat Marine Le Pen Grund, sich so bitter über ihre Verurteilung
wegen Veruntreuung von EU-Geldern zu beklagen? [1][Ein Pariser Gericht
entzog der französischen Rechtspopulistin vom Rassemblement National (RN)
am Montag für fünf Jahre das passive Wahlrecht], was eine erneute
Kandidatur bei den nächsten Präsidentschaftswahlen verhindert. Das Urteil
sei ein „politischer“ Entscheid, sie lasse sich nicht einfach so
„eliminieren“, [2][sagte Le Pen noch am Abend dem Fernsehsender TF1 vor
rund 8 Millionen Zuschauern]. Den Gerichtsentscheid verurteilt sie als
„totale Vergewaltigung des Rechtsstaates“.
Wie ihre sämtlichen 24 Mitangeklagten sei sie unschuldig, bei den vom
Gericht verurteilten Unterschlagungen handle es sich bloß um
„administrative Meinungsverschiedenheiten“ mit dem EU-Parlament. Trotz
einer 152-seitigen Urteilsbegründung behauptet Le Pen, das Gericht habe
seinen Beschluss nicht begründet. Sie will alle Mittel ausschöpfen, um 2027
dennoch zu kandidieren, was Rechtsexperten für unwahrscheinlich halten.
Nach dem Urteil ist Frankreich gespalten: Einige halten es für normal, dass
auch prominente Politiker wie Le Pen für gesetzeswidrige Praktiken
verurteilt werden und dafür Schadenfreude empfunden werden kann. Andere
kritisieren das Urteil als übertrieben streng oder gar parteiisch. Wie sehr
die Meinungen und Reaktionen geteilt sind, kam in den meisten Interviews
der Medien auf den Straßen zum Ausdruck.
Ironischerweise forderte Le Pen 2013 im Fernsehen selbst ein Berufsverbot
für korrupte Politiker. Sie verlangte eine Gesetzesänderung, damit
Verurteilte wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder lebenslang von
Kandidaturen und Ämtern ausgeschlossen werden.
## Trauer am rechten Rand
Damals bezichtigte die junge Parteichefin die regierenden Sozialisten,
Dreck am Stecken zu haben und deswegen nichts für eine „Moralisierung“ der
Politik zu unternehmen. Aufgrund des Gerichtsurteil vom Montag ist jetzt
aktenkundig, dass sie zu diesem Zeitpunkt selber bereits in ein illegales
Finanzierungssystem ihrer Partei durch veruntreute EU-Parlamentsmittel
verwickelt war und keineswegs eine so weiße Weste hatte, wie sie damals
vorgab.
Sehr bezeichnend nach dem Pariser Urteil sind nun die internationalen
Reaktionen befreundeter Staats- und Regierungschefs und Politiker vom
rechten Rand. Von Viktor Orbán über Mario Salvini (der von einer
„Kriegserklärung aus Brüssel“ sprach) und Giorgia Meloni, Geert Wilders u…
Jair Bolsonaro bis Donald Trump äußerten die bekannten Rechtspopulisten
Sympathie und Verständnis für Marine Le Pen und bedauerten es, dass sie an
der Wahl zur Präsidentin gehindert werde. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow
spricht von einer „Verletzung demokratischer Normen“.
Für die allermeisten in- und ausländischen Medien steht jedenfalls fest,
dass der Gerichtsentscheid ein „politisches Erdbeben“, eine „Schockwelle�…
oder gar ein „Urknall“ für die französische Demokratie sei. Zu viel der
Aufregung, meint dazu der Parteichef der französischen Sozialisten, Olivier
Faure: Die Partei sei nicht verboten worden und „auch 2027 wird es
zweifellos einen RN-Kandidaten geben, und er wird wahrscheinlich sogar
ebenso viele Stimmen erhalten“.
Die Reaktionen zeigen, dass die französische Politik nicht zur Normalität
zurückkehren wird. Die Proteste gegen die Justiz sind sehr vehement.
[3][RN-Parteichef Jordan Bardella], der für 2027 als Ersatzmann für Le Pen
designiert ist, schimpft über eine „Tyrannei der Richter“ und kündigt für
das Wochenende Demonstrationen an. Seine Partei wolle „diese Empörungswelle
bis zum Schluss begleiten und alle Mittel nutzen“, sagte er ergänzend.
## Die Verurteilten werden zu Richter
Andere Parteikollegen greifen die Justiz noch schärfer und in pauschaler
Weise an. Parteisprecher Jean-Philippe Tanguy meint, die Richter seien seit
Längerem auf Abwegen, weil sie „das Gesetz nach Gutdünken interpretieren“
und gemäß ihren „ideologischen Ansichten“ urteilen. Die Verurteilte selbst
dramatisierte die Sache am Dienstag bei einem Krisentreffen mit den
RN-Abgeordneten: „Das System hat seine Atombombe herausgeholt“, und
deswegen gerate nun „das Land ins Wanken“, sagte Le Pen. Ihre Partei
verteilt ein Flugblatt, auf dem zur Unterstützung von Le Pen als eine
Verteidigung der Demokratie aufgerufen wird. In einem RN-Communiqué wird
der „Diktatur der Richter“ der Krieg erklärt.
Der Rollentausch ist perfekt: Die Verurteilten machen sich zu Anklägern der
Richter, gesetzliche Regeln werden als Mittel einer Willkür diskreditiert.
Deutlich wird aufgrund des veränderten Propagandasprache bereits die
„Trumpisierung“ der populistischen Rechten in Frankreich. Die Strategie der
„Normalisierung“ oder Entdiabolisierung“, mit der Marine Le Pen den von
ihrem Vater Jean-Marie Le Pen geerbten rechtsextremen Front National in
eine „salonfähige“ Partei verwandeln wollte, ist zu Ende.
Wer die Unabhängigkeit der Justiz als Grundpfeiler eines Rechtsstaates
nicht respektiert, bedroht die Demokratie, betont in einem Interview mit Le
Figaro der Verfassungsjurist Benjamin Morel. Er befürchtet eine
„Anti-System“-Bewegung: „Die Strafe könnte, weit über die Grenzen des RN
hinaus, eine generelle Offensive gegen die Grundfesten der
Rechtsstaatlichkeit auslösen.“ Le Pens Disqualifizierung schaffe das
Terrain für einen Kandidaten, der „alles sprengen“ will.
1 Apr 2025
## LINKS
[1] /Urteil-gegen-Le-Pen/!6075810
[2] https://www.youtube.com/watch?v=ol-eh9u5NOY
[3] /Vorsitzender-des-Rassemblement-National/!5890232
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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