| # taz.de -- Depardieu-Prozess: Männer weiter auf Menschenjagd | |
| > Auch der Strafprozess gegen Gérard Depardieu in Paris ist kein Wendepunkt | |
| > im Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Leider. | |
| Bild: Depardieu bei der Ankunft vor Gericht, Paris, 24. März | |
| Nicht nur Anblicke können Ekel auslösen, auch Worte schaffen das. Gérard | |
| Depardieu ist Meister in beidem. Eine seiner bisher besten dokumentierten | |
| Leistungen: [1][eine Reportage von 2018], in der er darüber philosophiert, | |
| warum Frauen gerne Pferde reiten. „Ihre Klitoris reibt oben am Sattel, sie | |
| genießen das riesig. Das sind solche Schlampen.“ Er deutet auf ein etwa | |
| zehnjähriges Mädchen auf einem Pferd: „Wenn es anfängt zu galoppieren, | |
| kommt sie. Gut, mein Mädchen, mach weiter!“, ruft er ihr zu. „Seht ihr, wie | |
| sie sich reibt?“ Keinen der ihn umgebenden Männer scheint das zu stören. | |
| Wer so vor laufenden Kameras spricht, wird, wenn sie aus sind, ganz andere | |
| Grenzen überschreiten. Zwei Frauen werfen dem Schauspieler solche | |
| Grenzüberschreitungen vor. Er soll die Setdekorateurin Amélie K. und die | |
| Regieassistentin Sarah W. bei Dreharbeiten zum Film „Les volets verts“ | |
| („Die grünen Fensterläden“, 2021) sexuell belästigt haben. | |
| Vergangene Woche fand der Prozess in Paris statt. Sollte Depardieu schuldig | |
| gesprochen werden, droht ihm Haft; die Staatsanwaltschaft forderte 18 | |
| Monate und eine Geldstrafe von 20.000 Euro. Das Urteil wird im Mai | |
| verkündet. | |
| Depardieu zeigt während des Prozesses, dass Täter nur das zugeben, was sich | |
| nicht mehr leugnen lässt. Wie lang Depardieu ungehindert im französischen | |
| Kino stattfinden konnte, beweist, wie gut das funktioniert. Auch, weil man | |
| sein Verhalten lange als exzentrisches Machogehabe eines Künstlers | |
| relativierte. | |
| Diesmal ging die Exzentrik – bestimmt nicht zum ersten Mal – zu weit. | |
| Amélie K. soll er, als sie Sonnenschirme für das Set besorgte, zwischen | |
| seinen Beinen festgehalten und gesagt haben: „Fass meinen großen | |
| Sonnenschirm an, ich werde ihn dir in die Muschi stecken.“ Ständig habe er | |
| Obszönitäten über das Filmset posaunt, so Amélie K. Im Gerichtssaal gab er | |
| die Berührungen zu. Doch wenn er etwa Amélie K. am Set an den Hüften | |
| angefasst habe, dann nur, so Depardieu, um sich an ihr festzuhalten und | |
| nicht auszurutschen. | |
| ## Nacktfotos auf dem Rechner | |
| Ein Prozess, der dieses Prinzip, nur das Allernötigste zuzugeben, noch | |
| deutlicher unter Beweis gestellt hat, war der um Gisèle Pelicot. Ihr Mann | |
| Dominique verübte und organisierte Dutzende Vergewaltigungen mit anderen | |
| Männern an ihr. Dominique Pelicot gestand nur das, wofür es Beweise gab. | |
| [2][Nacktfotos seiner betäubten Tochter etwa], die man auf seinem Rechner | |
| fand, habe er laut eigenen Angaben nur aus Interesse aufgenommen, mehr | |
| gestand er nicht. Die anderen Täter stritten zum Teil selbst die auf Videos | |
| aufgezeichneten Vergewaltigungen mit der Begründung ab, sie dachten, die | |
| offensichtliche betäubte Gisèle Pelicot sei einverstanden gewesen. | |
| Seit diesem Prozess wabert ein Gefühl umher, dass sich etwas Grundlegendes | |
| verändert habe, was sexualisierte Gewalt angeht. Weil der Prozess dank | |
| Gisèle Pelicot öffentlich stattfand, damit „die Scham die Seiten wechselt�… | |
| Ist die Scham dort auf der Täterseite angekommen? Es sieht nicht danach | |
| aus. Auch nicht bei Depardieu. Keine Scham, keine Einsicht, keine Reue. Und | |
| auch die Männer, die keine Täter sind, solidarisieren sich noch immer nicht | |
| genug mit den Betroffenen, sodass es beinahe einer Komplizenschaft | |
| gleichkommt. | |
| Auch Gérard Depardieu hatte Komplizen. Im Prozess berichtet eine Zeugin | |
| unter Tränen davon, wie Depardieu im Jahr 2008 an einem TV-Set schlüpfrige | |
| Witze gemacht und sie angefasst habe – vor einer Gruppe männlicher | |
| Kollegen, die sich darüber amüsierten. Es gibt aber auch [3][Emmanuel | |
| Macron, der Depardieu] in einem Interview Ende 2023 noch als einen | |
| Schauspieler bezeichnete, „der Frankreich stolz macht“. Bis heute weigert | |
| sich Macron, Depardieu den bedeutendsten nationalen Orden, die Ehrenlegion, | |
| der ihm 1996 unter Jacques Chirac verliehen wurde, abzuerkennen. Denn | |
| Macron sei ein „großer Bewunderer“ Depardieus, sagte er im gleichen | |
| Interview und prangerte an, dass es eine „Menschenjagd“ auf ihn gebe. | |
| Diese vermeintliche Menschenjagd erfolgte, nachdem die Schauspielerin | |
| Charlotte Arnould, die damals 22-jährige Tochter eines Freunds von | |
| Depardieu, die Polizei im Sommer 2018 darüber verständigte, dass er sie | |
| zweimal in seinem Pariser Wohnsitz vergewaltigt haben soll. Das Verfahren | |
| wurde 2019 eingestellt und nach erneuter Prüfung 2020 wieder aufgenommen. | |
| Zu einem Prozess kam es bisher noch nicht. | |
| Arnould war die Erste, die öffentlich über Gérard Depardieu sprach, der | |
| angibt, in etwa 250 Filmen mitgespielt zu haben. Seine gesamte Karriere | |
| lang, das sind knapp 50 Jahre, sah man dem Schauspieler bei seiner | |
| Übergriffigkeit zu. 50 Jahre lang wurde weggesehen oder mitgemacht. 50 | |
| Jahre dauerte es, bis das kollektive Schweigen gebrochen wurde. Von der | |
| Stimme einer Frau. | |
| 28 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=fYwy14t7hkU&t=67s | |
| [2] /Buch-von-Dominique-Pelicots-Tochter/!6058915 | |
| [3] /Vorwuerfe-gegen-Gerard-Depardieu/!5982352 | |
| ## AUTOREN | |
| Valérie Catil | |
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