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# taz.de -- Reform des Berliner Zuwendungsrechts: Revolution bleibt aus
> Eine Reform des Zuwendungsrechts soll es sozialen Trägern erleichtern,
> Mittel zu beantragen. Entlastet werden soll dadurch auch die Verwaltung.
Bild: Bürokratieabbau: ein mühsames, dickes Brett, das man bohrt
Berlin taz | Gabriele Schlimper ist guter Dinge. „Für Berliner Verhältnisse
ist das, was hier stattgefunden hat, sensationell“, sagt die
Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin am Mittwoch
auf der Pressekonferenz zur Reform des Berliner Zuwendungsrechts. Die
Betonung liegt auf: [1][für Berliner Verhältnisse].
Denn dass bei einer Pressekonferenz unter dem Motto „Weniger Bürokratie,
mehr Zeit für Menschen“ acht einseitig bedruckte Seiten verteilt werden,
die die Reform erklären, lässt eher den gegenteiligen Eindruck entstehen.
Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) setzt dabei noch einen drauf: „Um
bürokratischen Aufwand zu minimieren, muss man ihn erstmal erhöhen.“
Genau da liegt das Problem: Das Land gewährt jährlich 9.000 Zuwendungen mit
einem [2][Volumen von mehr als 2 Milliarden Euro für Projekte von der
Kältehilfe bis zum Sportverein]. Das Antrags- und Bearbeitungsverfahren für
die Zuwendungen ist langwierig und zeitraubend.
## Erste Projektphase beendet
Es gibt weder einheitliche Antragsformulare noch standardisierte
Bearbeitungsschritte, keine einheitliche IT-Lösung oder eine zentrale
Stelle, die bei übergreifenden Problemen hilft. Bonde sagt: „Exzessive
bürokratische Auswüchse hemmen Entwicklungen, verschwenden Geld und binden
Personal, das anderweitig viel besser eingesetzt werden können.“
Daher hat das Land 2023 das Projekt „Vereinfachung, Optimierung und
Digitalisierung von Zuwendungen im Land Berlin“ gestartet. Beteiligt sind
die Sozial-, Verkehrs- und Finanzverwaltung, dazu der Landesrechnungshof.
In der ersten Phase wurden durch Workshops und Befragungen Reformvorschläge
erarbeitet. Diese Phase ist nun abgeschlossen. Als Nächstes sollen
Ausführungsvorschriften erstellt werden, die zum 1. Juli in Kraft treten.
Am Mittwoch wurden die zentralen Reformpunkte aus 26 geplanten Änderungen
vorgestellt.
## Projektförderung mit wiederkehrendem Bedarf
Reformiert werden soll jetzt also unter anderem die Projektförderung.
Bisher mussten Zuwendungsempfangende jedes Jahr einen neuen Antrag stellen
– selbst Projekte, die seit Jahrzehnten einen gleichbleibenden Bedarf für
denselben Zuwendungszweck haben. Um „Projektitis“ zu vermeiden, soll die
„Projektförderung mit wiederkehrendem Bedarf“ eingeführt werden. Damit
können Anträge für mehrere Jahre gestellt werden.
Der [3][Rechnungshof hatte in seinem Jahresbericht 2024] empfohlen, bei
längerfristigen Reformbedarfen zu einer institutionellen Förderung
überzugehen. Hendrikje Klein, die Sprecherin für Verwaltung und Personal
der Linksfraktion, kritisiert, dass nun, statt dieser Empfehlung zu folgen,
eine neue Kategorie eingeführt wird.
Auch wenn für die der jährliche Antrag auf Zuwendung für das nächste Jahr
etwas abgespeckt werden soll, der Nachweis der Projekthaftigkeit bleibe
aber erhalten. Das sei „nicht nachvollziehbar“, da Einrichtungen wie etwa
Beratungsstellen weiterhin dringend benötigt werden, sagt Klein. Auch sie
fordert daher eine institutionelle Förderung.
## Evers: „Missbrauch wird weiterhin hart begegnet“
Ein weiterer Bereich, der vereinfacht werden soll, ist der Mittelabruf.
Bislang mussten Träger alle zwei Monate einen neuen Antrag stellen und die
Ausgaben der vergangenen zwei Monate belegen. „Diese Prüfungsdichte hemmt
mehr, als dass sie fördert“, sagt Finanzsenator Stefan Evers (CDU).
Mit der Reform soll Trägern nun vertraut werden, dass sie nur dann neue
Mittel anfordern, wenn die alten verbraucht wurden. Auch müssen Anträge nur
noch alle drei Monate gestellt werden. Evers verbindet das mit einer
Drohung, die dann doch nicht so nach der großen Vertrauensoffensive klingt:
„Missbrauch wird weiterhin hart begegnet, wo wir ihn feststellen.“
Reformiert werden sollen zudem die Vergaberegeln. Bisher galten bei
Zuwendungen von insgesamt mehr als 100.000 Euro auch für kleine
Anschaffungen, etwa eines Bürostuhls, die gleichen Regeln wie bei einer
größeren Baumaßnahme. Künftig soll für kleinere Käufe und Ausgaben bis 500
Euro kein Preisvergleich mehr erforderlich sein. Auch für größere Ausgaben
sollen die Regeln vereinfacht werden.
Und schließlich soll es mehr Flexibilität bei der Mittelplanung geben.
Bisher mussten Zuwendungsempfangende ihre gesamten Ausgaben für die
komplette Projektlaufzeit im Voraus genau planen. Dabei durften sie sich
pro Posten höchstens um 20 Prozent verschätzen – sonst war ein extra
Änderungsantrag nötig. Mit der Reform wird diese Grenze auf 30 Prozent
erhöht.
## Fernziel Digitalisierung
„Wir sind zu sehr mutigen Vorschlägen gekommen“, meint Karin Klingen, die
Präsidentin des Berliner Rechnungshofs. Sie räumt jedoch ein: „Es ist keine
Revolution. Es ist ein mühsames, dickes Brett, das man bohrt und ein
Kulturwandel.“
Alle Beteiligten betonen: Die Reform ist kein abgeschlossener Prozess,
sondern eine laufende Entwicklung. Weitere Verwaltungen sollen einbezogen
und Anpassungen vorgenommen werden. Das letzte Teilprojekt läuft noch und
sieht eine vollständige Digitalisierung – vom Antrag bis hin zur
Verwendungsnachweisprüfung – bis zum Sommer 2027.
26 Mar 2025
## LINKS
[1] /Modernisierung-der-Berliner-Verwaltung/!5950882
[2] /Berliner-Sozialverbaende/!5968527
[3] /Milliardenkuerzungen-im-Landeshaushalt/!6048613
## AUTOREN
Lilly Schröder
## TAGS
Bürokratie
Verwaltung
Sozialsenatorin
Paritätischer Wohlfahrtsverband
ÖPNV
Sozialpolitik
Bürgeramt
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