| # taz.de -- Daniela Klette vor Gericht: Großes Bohei um Geldraub-Vorwürfe | |
| > Daniela Klette steht vor dem Oberlandesgericht Celle. Um die RAF sollte | |
| > es in dem Verfahren eigentlich nicht gehen – und doch tut es genau das. | |
| Bild: Daniela Klette (links) mit ihrer Anwältin: Es geht um mehr als um eine 6… | |
| Celle taz | Es ist eine kleine Zeitreise zurück in die 70er Jahre. Die | |
| Nervosität ist spürbar in Celle, wo im Staatsschutzsaal des | |
| Oberlandesgerichts der [1][monatelang vorbereitete Prozess gegen Daniela | |
| Klette] begonnen hat. Klette wird der dritten Generation der RAF | |
| zugerechnet. | |
| Ab 7.30 Uhr dürfen Journalisten und Zuschauer anstehen und während man vor | |
| vermummten Polizeibeamten mit Maschinenpistolen von einem Bein auf das | |
| andere tritt, fährt schräg gegenüber ein Transporter mit Handwerkern vor – | |
| er wird sofort von drei Polizisten umringt. In der Kanzleistraße wird heute | |
| niemand Material ausladen oder arbeiten. Dass sich diese linken Terroristen | |
| als ganz normale Menschen, als Angestellte oder Handwerker tarnen, | |
| beschäftigte die Boulevardpresse schon damals nachhaltig. | |
| Schon diese Umstände machen klar: Hier geht es um mehr als eine 66-jährige | |
| Räuberin. Formal angeklagt ist aber genau das: 13 bewaffnete Raubüberfälle | |
| auf Geldtransporter und die Kassenbüros von Supermärkten sowie Verstöße | |
| gegen das Waffengesetz. Das Verfahren wegen der mutmaßlichen | |
| RAF-Mitgliedschaft ist bei der Bundesanwaltschaft noch in Vorbereitung. | |
| Doch eigentlich ist diese Trennung zwischen einem irgendwie unpolitischen | |
| Strafverfahren hier und einem Terrorismus-Prozess dort kaum sauber | |
| durchzuhalten. Was Klettes Verteidiger später auch ins Zentrum ihrer Kritik | |
| stellen werden. | |
| Erst einmal wird allerdings mit einiger Verspätung die Hauptperson | |
| hereingeführt – ohne Handschellen und Fußfesseln, dafür sitzt sie mit ihren | |
| Verteidigern in einem Kasten aus Sicherheitsglas. Das darin auch noch ein | |
| paar Justizwachtmeister sitzen, die alles mithören können, sorgt für den | |
| ersten Konflikt zwischen Verteidigung und Gericht. Der vorsitzende Richter | |
| Lars Engelke bemüht sich allerdings, den schnell abzuräumen, nach der | |
| Mittagspause bleiben die Wachtmeister draußen. | |
| ## Das meiste der Anklageschrift ist längst bekannt | |
| Daniela Klette strahlt ihre Verteidiger an und umarmt sie, blickt dann | |
| aufmerksam in den Zuschauerraum, wo sich nicht nur etliche Journalisten, | |
| sondern auch Unterstützer tummeln – darunter Ariane Müller, die für die | |
| Organisation von Soli-Demos Ärger mit ihrem Arbeitgeber, einem Klinikum in | |
| Bremen bekommen hat. Klette wirkt noch mädchenhafter als auf den meisten | |
| Fotos, klein, zierlich, die Haare zu einem lässigen Knoten geschlungen. Die | |
| Fragen des Richters nach ihren Personalien beantwortet sie prompt und mit | |
| leiser Stimme. | |
| Dann beginnt Staatsanwältin Annette Marquardt mit der Verlesung der | |
| Anklageschrift. Das meiste davon ist längst bekannt. Marquardt schildert | |
| Überfall für Überfall, so wie ihn die Ermittlungsbehörden glauben | |
| rekonstruieren zu können, wobei Klette meist das Fluchtauto gefahren haben | |
| soll. In drei Fällen soll sie sich allerdings auch bedrohlich mit einer | |
| Panzerfaust-Attrappe aufgebaut haben – meist um die Fahrer dazu zu bringen, | |
| die Geldtransporter zu entriegeln. | |
| Sehr oft ist von „den gesondert Verfolgten“ die Rede, gemeint sind damit | |
| die immer noch flüchtigen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, die wohl | |
| den gröberen Teil der Arbeit erledigten: In die Märkte gingen, in | |
| Kassenhäuschen eindrangen, Fahrer bedrängten. Man erfährt das ein oder | |
| andere drollige Detail: Etwa, dass Staub und Garweg in Osnabrück zur | |
| Tarnung Kaninchenstreu in den Wagen legten oder sich in Leverkusen | |
| verabschiedeten mit den Worten „Vielen Dank, meine Damen und auf | |
| Wiedersehen“. Immer wieder betont die Staatsanwaltschaft aber auch die | |
| Todesangst bei den betroffenen Kassiererinnen oder Fahrern, ihre | |
| Krankschreibungen, den Therapiebedarf, die posttraumatischen | |
| Belastungsstörungen. Vier Nebenklage-Vertreter sitzen ebenfalls mit im | |
| Gerichtssaal. | |
| Am schwersten wiegt der Vorwurf beim Raubüberfall in Stuhr bei Bremen,wo | |
| einer der beiden Männer zunächst in den Reifen und dann in die Beifahrertür | |
| schoss, um den Fahrer dazu zu bringen, die Türen zur Ladefläche zu öffnen. | |
| Der konnte das aufgrund der automatischen Verriegelung gar nicht. Man | |
| musste ohne Beute abziehen. Es war der Überfall, bei dem alles schiefging. | |
| Auch der Brandsatz mit dem selbst gebastelten Zeitzünder am Fluchtauto | |
| funktionierte nicht. Die Ermittler fanden darin DNA-Spuren, die sie | |
| letztlich erst auf die Spur der „RAF-Rentner“ brachte, wie es bald | |
| spöttisch hieß. | |
| Die große Frage wird allerdings sein, ob sich auch Daniela Klette diese | |
| Schüsse zurechnen lassen muss. Die Staatsanwaltschaft argumentiert hier mit | |
| der Struktur der Bande: Man habe sich gemeinsam zur Tat entschlossen und | |
| diese minutiös durchgeplant, Klette wusste außerdem, dass die Männer | |
| scharfe Schusswaffen bei sich tragen, habe also – genau wie diese – | |
| Verletzte und Tote in Kauf genommen. Das war ein gängiges Verfahren bei | |
| RAF-Prozessen: Weil die Angeklagten fast alle schwiegen, nahm man ihre | |
| Beteiligung an Tathandlungen oft mehr an, als dass man sie in jeder | |
| Einzelheit nachweisen konnte. Nur: Eine RAF-Mitgliedschaft müsste Klette ja | |
| auch erst nachgewiesen werden, immerhin gibt es auch Zeugen, die behaupten, | |
| sie habe zumindest nicht zur Kommandoebene gehört. Überhaupt ist über die | |
| Mitglieder der sogenannten dritten Generation und ihre Struktur wenig | |
| bekannt. | |
| Die Verteidigung hält den Vorwurf des versuchten Mordes aber noch aus | |
| anderen Gründen für an den Haaren herbeigezogen: Das sich der Vorfall in | |
| Stuhr überhaupt so abgespielt hat wie von der Staatsanwaltschaft | |
| geschildert, ergebe sich nicht aus den Akten, sagt Undine Weyers. | |
| Keinesfalls sei da auf einen Menschen gezielt worden. Der Projektilsplitter | |
| in der Rückenlehne müsse auf andere Weise dorthin gekommen sein. | |
| Und auch die Aussagen zur Struktur der Gruppe stimmten so nicht: Die | |
| Staatsanwaltschaft versuche hier Erkenntnisse aus anderen RAF-Generationen | |
| auf Klette, Staub und Garweg zu übertragen, um die als wild um sich | |
| schießende Mörderbande erscheinen zu lassen. Dabei sind lediglich bei zwei | |
| der 13 Überfälle Schüsse gefallen. Und auch bei ihrer Verhaftung habe | |
| Klette keine Anstalten gemacht, sich den Weg freizuschießen, obwohl sie | |
| dazu Gelegenheit gehabt hätte. | |
| ## Klette macht deutlich: Sie steht, wofür sie immer stand | |
| Der Prozesstag ist schon weit fortgeschritten, als sich dann auch Klette | |
| selbst noch äußert. Zu den einzelnen Tatvorwürfen sagt sie nichts – das | |
| hatte sie auch schon angekündigt. Auch zu den traumatisierten Opfern der | |
| Überfälle, für die sich Garweg in seinem Schreiben aus dem Untergrund immer | |
| noch die maximal distanzierte Formulierung „ist zu bedauern“ rauswandte, | |
| sagte sie nichts. | |
| Dafür sprach sie vom Verfolgungsdruck, dem man sich auch nach dem Ende des | |
| Projekts Stadtguerilla so lange erfolgreich entzogen hätte, über eine | |
| wertvolle Zeit, die sie bestärkt habe in der Auffassung, dass eine bessere | |
| Welt möglich sei. Sie bedauere vor allem, dass nun so viele ahnungslose | |
| Freunde und Bekannte aus diesen Jahren Bekanntschaft mit staatlicher | |
| Repression und intensiven Verhören machen mussten. Die Hetze gegen | |
| „Burkhard und Volker“ bezeichnet sie als maßlos, der Prozess werde nicht | |
| gegen sie, Daniela Klette, sondern gegen die RAF geführt, obwohl die schon | |
| seit 27 Jahren Geschichte sei. Das sei auch der Versuch, diese | |
| Widerstandsgeschichte auszulöschen und mundtot zu machen. In diesem Sound | |
| geht es eine Weile weiter: von der allgemeinen politischen Weltlage, dem | |
| neuen Militarismus, der Flüchtlingskrise bis zu ihren Haftbedingungen und | |
| Besuchsverboten. Klette macht deutlich: Sie steht, wofür sie immer stand. | |
| Und nach ihr versucht dann noch ihr dritter Verteidiger, Lukas Theune, ein | |
| weiteres Ass aus dem Ärmel zu ziehen. Er beantragt, das Verfahren und den | |
| Haftbefehl auszusetzen. Der Grund: 18 Terrabyte an Aktenbestandteilen, die | |
| der Verteidigung erst kurz vor Prozessbeginn zugegangen sind. | |
| Es handelt sich dabei vor allem um digitale Asservate, die das LKA mit | |
| Hilfe einer KI ausgewertet hat. Genau das, argumentiert Theune, sei aber | |
| hochproblematisch. Erstens, weil der Auswertungsprozess nicht | |
| nachvollziehbar sei, zweitens, weil die Verteidigung nicht ohne Weiteres | |
| nachziehen könne, drittens, weil auch das Gericht diese Aktenbestandteile | |
| ja noch gar nicht zur Kenntnis habe nehmen können. Wenn das Verfahren nicht | |
| ausgesetzt oder eingestellt werden solle, dann müsse man der Verteidigung | |
| wenigstens auch diese KI zur Verfügung stellen und sie in der Nutzung | |
| unterweisen – im Sinne der Waffengleichheit. | |
| Mit diesen Anträgen wird sich das Gericht am nächsten Verhandlungstag, dem | |
| 1. April, auseinandersetzen müssen. Dann hätte eigentlich ein an Klettes | |
| Verhaftung beteiligter Polizeibeamter aussagen sollen, unter anderem zu der | |
| Frage, ob sie wirklich so etwas sagte wie: „Ich bin die Daniela Klette von | |
| der RAF.“ Dazu wird es nun frühestens am 6. Mai kommen. | |
| 25 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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