| # taz.de -- Am Rathaus Neukölln: Fragen der Zeit | |
| > Bald wird die Uhr wieder auf Sommerzeit umgestellt. Es gibt noch andere | |
| > Gründe, an den Zeigern zu drehen. | |
| Bild: So spät ist es schon | |
| Ein kurzer Schreck beim Blick nach oben: Der große goldene Zeiger am | |
| Rathausturm in Neukölln ist schon zum zweiten Strich vorgerückt, demnach | |
| ist es zehn nach fünf. Um 17.12 Uhr habe ich einen Termin im Bürgeramt, um | |
| einen neuen Reisepass zu beantragen. In zwei Minuten das Rad anschließen | |
| und das richtige Büro finden, das wird knapp. Wochenlang habe ich auf den | |
| Termin gewartet, es wäre wirklich blöd, ihn jetzt zu verpassen. | |
| Dann der Blick aufs Handy, 17.07 steht da. Alles halb so wild, die | |
| Rathausuhr geht offenbar vor. Ist das Absicht, frage ich mich, während ich | |
| durch die Gänge des Rathauses irre und schließlich im Warteraum Platz | |
| nehme. | |
| Unsere Küchenuhr geht auch ein paar Minuten vor. Seit Jahren ist das so, | |
| und alle wissen es. Aber für den Bruchteil einer Sekunde glaubt man eben | |
| doch, dass es später ist als angenommen. Schon fließt genug Adrenalin durch | |
| den Körper, dass man sich beeilt. So hilft uns dieser kleine Selbstbetrug, | |
| etwas weniger oft zu spät zu kommen. | |
| Auch die Uhr im taz-Foyer geht zwei Minuten vor – und bewirkt bei mir | |
| regelmäßig, dass ich schwungvoller die Treppen in die Redaktion | |
| hinauflaufe. | |
| Ist die verstellte Turmuhr also eine pädagogische Maßnahme für uns | |
| schludrige Bürger*innen, die wir es sonst nicht auf die Reihe kriegen? | |
| Selbstbetrug ist das eine, auch die taz darf mir meinetwegen auf die | |
| Sprünge helfen. Aber ob ich mich vom Bezirksamt erziehen lassen möchte, da | |
| bin ich mir nicht so sicher. | |
| Der Termin für den Reisepass geht dann sehr zügig. Eine freundliche junge | |
| Frau lässt mich mehrere Dokumente unterschreiben und nimmt Fingerabdrücke. | |
| Um 17.28 Uhr bin ich wieder draußen auf dem Vorplatz des Rathauses. Das | |
| heißt: Laut Turmuhr hat es doch etwas länger gedauert, bis kurz nach halb | |
| sechs. | |
| 22 Mar 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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