# taz.de -- Opfer politischer Repression in Senegal: 15.000 Euro pro Familie al… | |
> Die Opfer früherer politischer Repression in Senegal erhalten jetzt Geld | |
> vom Staat. Knapp ein Jahr nach dem Machtwechsel läuft dieses Programm an. | |
Bild: Als Senegals Präsident kurz vor seinem Wahlsieg 2024 freikam, jubelten s… | |
Dakar taz | „Es war am 4. März 2021, so gegen 19 oder 20 Uhr“, erinnert | |
sich Aminata Fall. Ihr Bruder Cheikhouna Ndiaye, 22 Jahre alt, war auf dem | |
Heimweg von der Arbeit in Senegals Hauptstadt Dakar. „Am Nachmittag, als | |
die Demonstrationen losgingen, haben wir noch kurz telefoniert“, berichtet | |
sie. Es war das letzte Mal, dass die Senegalesin mit ihrem jüngeren Bruder | |
sprach. Am selben Abend wurde er während gewaltsamer Demonstrationen in | |
Dakar getötet. | |
Wer, wie, wann genau und warum sind Fragen, die bis heute nicht endgültig | |
geklärt sind. 14 Menschen sterben im Zuge von [1][Protesten in Senegal im | |
März 2021]. „Wir haben uns dann zu einem Kollektiv zusammengeschlossen, um | |
Gerechtigkeit einzufordern“, erzählt Aminata Fall. Sie ist Vorsitzende und | |
Gründerin des Kollektivs der Familien der Opfer und kämpft bis heute um | |
Aufklärung. „Anfangs waren es diese 14 Familien, aber wir sind immer mehr | |
geworden“, erzählt sie weiter. | |
Nach neuesten offiziellen Zahlen starben zwischen 2021 und 2024 insgesamt | |
79 Menschen während politischer Demonstrationen. Auslöser im März 2021 war | |
die Verhaftung des Politikers Ousmane Sonko, damals die führende Figur der | |
Oppositionspartei Pastef (Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik | |
und Brüderlichkeit). Am 3. März 2021 wurde Sonko wegen Störung der | |
öffentlichen Ordnung und der Teilnahme an einer nicht genehmigten | |
Demonstration abgeführt. | |
Das Kräftemessen zwischen Sonko und dem damaligen Präsidenten Macky Sall | |
eskalierte über die Jahre immer weiter. Sonko wurde verurteilt und damit | |
[2][von Wahlen ausgeschlossen], Sall ließ die Frage einer dritten Amtszeit | |
zunächst offen, verschob dann die Wahlen und ließ hart gegen die auf der | |
Straße demonstrierende Jugend vorgehen. Vor allem [3][im Frühjahr 2024] | |
gingen unzählige junge Menschen landesweit für ihre demokratischen Rechte | |
auf die Straße. | |
Als im März 2024 dann doch Präsidentschaftswahlen stattfinden, bei denen | |
Sall auf eine erneute Kandidatur verzichtet, und [4][Pastef haushoch | |
gewinnt], finden die Konfrontationen ein Ende. Ihr Kandidat [5][Bassirou | |
Diomaye Faye wird neuer Präsident], der wegen seiner Verurteilung von den | |
Wahlen ausgeschlossene [6][Ousmane Sonko ist jetzt Premierminister]. Mit | |
dem Machtwechsel geht das Versprechen einher, die Verbrechen und | |
Machtmissbräuche unter Macky Sall aufzuarbeiten. Ein Jahr später beginnt | |
nun die Umsetzung. | |
## Umgerechnet 7,6 Millionen Euro stehen bereit | |
Ende Januar kündigte die Pastef-Regierung ein Entschädigungsprogramm für | |
die Opfer politischer Repression an. Laut Ministerium für Familie und | |
Solidarität soll jede Familie eines Verstorbenen eine Zahlung von 10 | |
Millionen CFA (ca. 15.000 Euro) erhalten. Darüber hinaus werden mehr als | |
2.000 ehemalige Häftlinge und Verletzte eine Pauschalsumme von jeweils | |
500.000 CFA (ca. 765 Euro) bekommen, erklärte Ministerin Maïmouna Dièye. | |
Insgesamt sollen fünf Milliarden CFA (7,6 Millionen Euro) bereitgestellt | |
werden. | |
Die Ankündigung löste gemischte Reaktionen aus. Kritik kam vor allem aus | |
den Reihen der Opposition: Der Abgeordnete Abdou Mbow bezeichnete die | |
Maßnahme als eine aus öffentlichen Geldern finanzierte Belohnung für | |
Pastef-Anhänger. Aminata Fall vom Opferkollektiv kann dem nicht zustimmen: | |
„Mein Bruder hat damals nicht für Pastef demonstriert – gestorben ist er | |
trotzdem.“ Die Entschädigungszahlungen seien zumindest ein Schritt in die | |
richtige Richtung. Doch was es wirklich brauche, sei eine vollständige | |
Aufarbeitung. | |
Bislang wird dies noch durch ein Gesetz verhindert, das Ex-Präsident Macky | |
Sall kurz vor seiner Abwahl noch durchgedrückt hatte. Das Amnestiegesetz | |
ermöglichte es, Hunderte inhaftierte Aktivisten und Oppositionelle | |
[7][freizulassen] – darunter auch Ousmane Sonko und den heutigen | |
Präsidenten Bassirou Diomaye Faye. Doch deckte es auch die Verbrechen und | |
Vergehen der Sall-Regierung ab. | |
Die neue Regierung will dieses Gesetz nun aufheben. Ziel ist es, die | |
Verantwortlichen für Gewalttaten zwischen 2021 und 2024 vor Gericht zu | |
bringen und Transparenz für die Opfer und ihre Familien zu schaffen. Dass | |
nun endlich erste Steine ins Rollen kommen, macht Aminata Fall Hoffnung. Im | |
März jährt sich der Tod ihres Bruders zum vierten Mal: „Wir brauchen | |
endlich Gerechtigkeit“. | |
25 Feb 2025 | |
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## AUTOREN | |
Helena Kreiensiek | |
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