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# taz.de -- Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW: Sahras Knechte
> Wer im Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Mitglied werden will, muss warten.
> Interne Dokumente zeigen: Die Partei hält sich gezielt Unterstützer
> zweiter Klasse.
Bild: Sahra Wagenknecht bei einer Wahlkampfveranstaltung am Brandenburger Tor
Eigentlich müsste es für alle Parteien das Ziel sein, mehr Mitglieder zu
gewinnen. Sie bringen frischen Elan, eine breitere Basis, zusätzliche
Beiträge und helfende Hände für den Wahlkampf. Dieser Tage [1][freut sich
etwa die Partei Die Linke über einen rasanten Zuwachs] und begrüßte
[2][tausende neue Mitglieder allein in der letzten Woche].
Anders das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Wir wollen langsam und
kontrolliert wachsen, um das Projekt nicht zu gefährden“, heißt es schon in
dem Formular, das Anwärter*innen für eine Parteimitgliedschaft
ausfüllen müssen. Dass die Bearbeitung der Mitgliedsanträge aufgrund der
„noch sehr geringen Parteiressourcen einige Zeit in Anspruch nehmen“ könne,
ist dort ebenfalls zu lesen. Wer die Partei sofort unterstützen möchte,
könne „Unterstützer“ werden. Ein kleines Kästchen zum Ankreuzen ist daf�…
bereits auf dem Mitgliedsantrag vorgesehen.
Manche sollen seit der Parteigründung auf die Bewilligung ihrer
Mitgliedschaft warten, also seit über einem Jahr. Die lange Wartezeit und
ausgiebige Überprüfungen der potenziellen Neu-Mitglieder, teilweise mit
mehrfachen persönlichen Interviews, hatten für viel Frust und mediale
Kritik gesorgt. „Warum können Leute, die sich seit Monaten engagieren und
die man jede Woche trifft und kennt, nicht stimmberechtigte Mitglieder
werden?“, fragen auch parteiinterne Kritiker*innen gegenüber der taz.
[3][Vermehrt kehren Unterstützende und Mitglieder der Partei den Rücken].
Erst im Januar hatte die Partei daher einen Kurswechsel angekündigt und
versprochen, mehr neue Mitglieder aufzunehmen.
Doch Recherchen der taz zeigen nun: Die lange Wartezeit für neue
Parteimitglieder war und ist nicht nur eine Frage von Ressourcen. Der taz
liegen dazu interne Dokumente und Tonmitschnitte interner Treffen des BSW
vor. Sie belegen eine gezielte Strategie hinter der Restriktion für
Neumitgliedschaften. Das BSW baut demnach auf eine doppelte Struktur, mit
wenigen ausgewählten Parteimitgliedern und einer großen Gruppe an
Unterstützer*innen.
Anders gesagt: Das BSW ist eine Zwei-Klassen-Organisation aus Partei-Elite
und nützlichen Gehilfen. Eine Kader-Partei. Die Jura-Professorin Sophie
Schönberger, Expertin für Parteienrecht, hält diese Praxis für
rechtswidrig.
Ein Sprecher des BSW erklärte auf Anfragen der taz: „Wir weisen diesen
Vorwurf entschieden zurück. Unsere Gremien arbeiten demokratisch und
transparent.“
## Heimliche Aufnahmen und interne Dokumente zeigen Zwei-Klassen-Struktur
In der Praxis des BSW haben Parteimitglieder Stimmrechte und Chancen auf
Ämter und Mandate. Für Unterstützer*innen hingegen soll eine eigenen
„Unterstützerorganisation“ aufgebaut werden. Sie dürfen zu Veranstaltungen
einladen und für die Parteiinhalte werben, im Wahlkampf helfen oder sogar
bei Wahlen als Kandidat*innen jene Plätze füllen, die wenig Aussicht
auf Erfolg versprechen. Für die Partei schuften – ja. Aber offiziell
mitentscheiden? Nein.
Das geht unter anderem aus einem heimlichen Tonmitschnitt eines internen
Treffens von Parteikadern aus Niedersachsen hervor, der im Sommer 2024
entstand und der taz zugespielt wurde. Anwesend war bei der Gelegenheit
unter anderem Holger Onken, mittlerweile Co-Landesvorsitzender des BSW in
Niedersachsen. [4][Onken ist der Ehemann der BSW-Bundesvorsitzenden Amira
Mohamed Ali]. Es sei wichtig für ihn, „dass die Unterstützer natürlich
respektvoll behandelt werden“, erklärt Onken bei dem Treffen in kleinem
Kreis. Diese seien „im Grunde genommen wie Mitglieder, nur ohne
Stimmrecht“.
Die taz hat mit mehreren aktiven und ehemaligen Parteimitgliedern und
Unterstützer*innen gesprochen. Viele sind frustriert, vermissen
innerparteiliche Mitbestimmung, sprechen von einem autoritären Führungsstil
der Clique um Sahra Wagenknecht, von „Vetternwirtschaft“ und einer
„Partei-Diktatur“.
Einer der Kritiker ist Norbert Weber. Er war Gründungsmitglied des BSW im
Januar 2024. Mittlerweile kritisiert er die Parteistrukturen als
„autokratisch“. Nach einem Streit über eine vermeintlich eigenmächtige
Gründung eines BSW-Landesverbands in [5][Hamburg fiel Weber in Ungnade, es
läuft ein Parteiausschlussverfahren].
Für die meisten Unterstützer*innen sieht Weber kaum eine Chance,
Parteimitglied zu werden. Das regt ihn auf. „Wir haben in Hamburg
Unterstützer, die seit dem ersten Parteitag vertröstet werden“, erzählt er.
Den Antragssteller*innen sei gesagt worden, dass sie fünf, sechs
Wochen warten und verstehen müssten, dass alle Anträge geprüft würden, da
man keine AfDler und Linksextremisten haben wolle. „Die haben den
Mitgliedsantrag ausgefüllt, haben eine Einzugsermächtigung für Spenden
gegeben und das war's dann. Seitdem werden sie seit über einem Jahr
hingehalten“, sagt er.
## Unterstützende dürfen spenden – aber nicht mitbestimmen
Als den Antragsteller*innen in Aussicht gestellt worden sei, dass sie
Vollmitglied werden dürfen, hätten sie eine Einzugsermächtigung für 100
Euro und mehr jeden Monat gegeben. „Sie dürfen zahlen und das war's dann“,
sagt Weber. Und wer viel spende, für den gehe es dann auf einmal ganz
schnell mit der Mitgliedschaft. „Die Partei braucht ein Fußvolk, um Plakate
aufzuhängen und Stellschilder aufzubauen. Dafür sollen sie gut sein, aber
nicht, um mitzubestimmen.“
In einem „Leitfaden für Unterstützerkreise für das BSW in Niedersachsen“
werden die zwei Klassen des BSW deutlich. Der Leitfaden wurde im November
2024 per E-Mail unter anderem von Onken und dem Landesvorstand verschickt
und liegt der taz vor. „Die Unterstützerkreise sind keine offiziellen
Parteigliederungen und nicht befugt, im Namen des Landesverbands oder der
Partei zu sprechen“, heißt es darin im vierten von insgesamt neun Punkten.
„Sie organisieren sich eigenständig, um die politischen Ziele des BSW
Niedersachsen zu unterstützen“, heißt es weiter.
So richtig eigenständig sollen die Unterstützer*innen dann aber doch
wiederum nicht sein. „Alle Presse- und Außenkommunikation muss zwingend mit
der Landesgeschäftsführung abgestimmt werden“, so schreibt es der
BSW-Landesvorstand in einem weiteren Punkt des Leitfadens. Und auch wenn
Veranstaltungen organisiert werden, gilt: „Bei der Auswahl von Referenten
und Themen ist darauf zu achten, dass diese im Sinne des BSW sind.“
Gleichwohl: „Bei jeglicher Kommunikation zu solchen Veranstaltungen ist
darauf zu achten, dass nicht der Eindruck erweckt wird, es würde sich um
Parteiveranstaltungen handeln.“
Was wie ein unentschiedenes Rumgeeier wirkt, ist strategisch genau so
gewollt. Warum Unterstützer*innen nach außen nicht als BSW auftreten
sollten, erklärt Onken bei einer Sitzung im engeren Kreis von Parteikadern:
„Sonst können wir darauf warten, bis die erste Unterstützergruppe, die sich
als BSW ausgibt, dann den ersten Holocaustleugner einlädt“, sagt Onken und
schiebt hinterher: „Das wird zwingend passieren. Wenn das nur eine
Unterstützergruppe ist, kann man immer noch sagen: 'Nee, das ist nicht in
unserer Verantwortung gewesen.’“ Das sei laut Onken der Hintergrund dieses
Vorgehens.
## Wagenknecht-Zirkel will seine Macht erhalten
Was in dem Gespräch auch deutlich wird: Offenbar geht es dem BSW nicht nur
um die inhaltliche Linie der Partei, sondern auch um den Machterhalt der
auserwählten Mitglieder. Onken referiert mehrere Beispiele, in denen
Anwärter*innen zu große Ambitionen gezeigt hätten. Da sei etwa ein
Professor gewesen, mit dem er sich in vielen Dingen einig gewesen sei, bis
der Mann erklärt habe, er wolle in den Bundestag, um sich für das
bedingungslose Grundeinkommen einzusetzen. Für Onken ein sofortiger Grund,
den Eintritt abzulehnen. „Das ist natürlich ein inhaltliches, aber auch ein
Problem in der Vorgehensweise, dass man praktisch mit dem Eintritt den
Anspruch erwirbt, in den Bundestag zu kommen“, erklärt Onken.
Gleichzeitig diskutierte die Runde, dass vor allem für Wahlen genug Leute
zusammenkommen müssten, um überhaupt alle Wahlkreise abzudecken. Statt
Parteimitgliedern könnten als Nachrücker auch Unterstützer*innen
aufgestellt werden, so eine der Ideen. Als Lückenfüller sozusagen.
Dass dieses restriktive Mitglieder-Management kritikwürdig sein könnte,
weiß auch Onken und erklärt in kleinem Kreis ganz offen: „Wenn man ein
demokratietheoretisches Ideal der Basisdemokratie hat, was eigentlich
vernünftig und wünschenswert ist, dann ist das eine Katastrophe, was wir
hier machen. Aber es ist politisch absolut notwendig, wenn man sich
anguckt, in welchem Zustand Deutschland ist und was hier so gewählt wird.“
Auf Anfrage der taz erklärte ein Sprecher des BSW: Aussagen aus einem
„widerrechtlich angefertigten und illegal in Umlauf gebrachten angeblichen
Audio-Mitschnitt aus dem Jahr 2024“ könne man weder bestätigen noch auf
dessen Korrektheit überprüfen. Der Mitschnitt liege dem BSW nicht vor.
„Dieses Vorgehen, ausgerechnet zwei Tage vor der Bundestagswahl, wirft
nicht nur Fragen auf, sondern zeigt, dass offenbar eine weitere
Schmutzkampagne gegen das BSW beabsichtigt ist.“
„Wir setzen beim Mitgliederwachstum auf Qualität statt auf
Geschwindigkeit“, erkärte der BSW-Sprecher. Die Parteienlandschaft der
letzten Jahre sei voller Beispiele, in denen das Ignorieren dieses Prinzips
zu einer Unterwanderung der jeweiligen Parteien und deren Radikalisierung
geführt hat. Für das langsame Wachstum habe man sich daher bewusst
entschieden.
Als Unterstützer könne sich jeder registrieren. Hier erfolge keine Prüfung
seitens der Partei. Eine Mitgliedschaft bedeute, dass sich eine Person mit
den programmatischen Zielen einer Partei identifiziere, sich zu den
demokratischen und grundgesetzlichen Prinzipien in Deutschland bekenne und
diese unterstütze. „Darum prüfen wir die Mitglieder vor der Aufnahme. Das
setzt selbstverständlich auch voraus, die Ambitionen der Einzelnen zu
verstehen“, so der BSW-Sprecher. „Wir wollen eine ehrliche,
verantwortungsvolle und lösungsorientierte Politik im Sinne der Wähler und
Wählerinnen gestalten und das entspricht nicht dem Anspruch von Einzelnen,
die das BSW nur als persönliches Sprungbrett für den Bundestag nutzen
wollen, um ihre machtpolitischen Ambitionen zu verwirklichen.“
## „Hunderte“ neue Mitglieder, Tausende in Wartestellung
Nachdem in den letzten Monaten die Kritik von wartenden
Partei-Anwärter*innen lauter wurde, reagierte das BSW im Januar. [6][Auf
dem Bundesparteitag in Bonn] erklärte Generalsekretär Christian Leye:
„[7][Wir werden im Laufe dieses Jahres deutlich anwachsen.“ Man erwarte
„viele Hunderte von neuen Mitgliedern“].
Die Aussage klingt vielversprechend. Wer aber nachrechnet, dem können
Zweifel kommen: [8][Allein in Niedersachsen umfasst die Liste an
registrierten Unterstützer*innen laut BSW-Angaben rund 3.000 Einträge]
– Leute, die wegen des strengen Aufnahmeregimes bisher nicht Parteimitglied
werden durften. Viel kleiner dürfte deren bundesweite Anzahl wohl nicht
werden, wenn nun laut BSW bis Ende des Jahres bundesweit nur „Hunderte“
neue Mitglieder aufgenommen würden.
[9][Sophie Schönberger] bezweifelt generell die Rechtmäßigkeit der
Aufnahmepraxis des BSW. Schönberger ist [10][Professorin für Öffentliches
Recht an der Universität Düsseldorf und Co-Direktorin des Instituts für
Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung (PRUF)].
Ihr Urteil über die zögerliche Aufnahme von Neu-Mitgliedern durch das BSW
ist eindeutig: „Das ist in dieser Form unzulässig“, sagt die Juristin der
taz.
Parteien dürften sich zwar ihre Mitglieder frei aussuchen und müssten die
Ablehnung eines Aufnahmeantrags auch nicht begründen. Sie könnten aber
nicht unabhängig von der persönlichen Prüfung und unabhängig vom Individuum
pauschal Mitgliedsanträge liegen lassen. Das sei beim BSW aber der Fall.
„Damit haben sie faktisch einen Aufnahmestopp, und das ist genau das, was
das Parteiengesetz verbietet.“ Dabei gehe es auch um die innerparteiliche
Demokratie und Mitbestimmung. „Die verfassungsrechtliche Funktion der
Parteien ist es, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken und das ist
in der liberalen Demokratie ein offener Prozess.“
Als Partei eine Unterstützergruppe zu haben, sei auch bei anderen Parteien
üblich und an sich nicht problematisch, „solange die Partei offen dafür
ist, dass die Unterstützer auch eintreten können. Das ist beim BSW aber
offenkundig nicht gewünscht“, sagt Schönberger. Sahra Wagenknecht
orientiere sich an Sammlungsbewegungen anderer Länder, etwa in Frankreich.
„Das hat mit unseren deutschen Vorstellungen im Parteienrecht jedoch wenig
zu tun.“ Beim BSW konzentriere sich die Macht auf wenige Menschen an der
Spitze. Für Schönberger ist das „eine Kader-Partei nach dem Typ DDR“.
22 Feb 2025
## LINKS
[1] /Die-Neuen-in-der-Linkspartei/!6066872
[2] https://www.tagesschau.de/inland/bundestagswahl/liveblog-bundestagswahl-202…
[3] /Stadtraete-revidieren-Parteiwechsel/!6067140
[4] https://www.haz.de/der-norden/buendnis-sahra-wagenknecht-hat-in-niedersachs…
[5] /Interner-Streit-beim-Hamburger-BSW/!6057377
[6] /Bundesparteitag-des-BSW/!6058429
[7] https://www.msn.com/de-de/politik/beh%C3%B6rde/bsw-generalsekret%C3%A4r-k%C…
[8] https://www.rundblick-niedersachsen.de/bsw-kuendigt-kurswechsel-an-und-will…
[9] /BSW-und-Parteienrecht/!6061557
[10] https://wp.pruf.hhu.de/article/view/728
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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