# taz.de -- Südkoreanische Sicherheitspolitik: Seouls nukleare Ambitionen | |
> In Südkorea schürt Donald Trumps Verhalten die Angst vor dem Verlust der | |
> US-Militärunterstützung. Viele sehen die Lösung in einem eigenen | |
> Atomprogramm. | |
Bild: Noch sind rund 28.500 US-Soldaten in Südkorea stationiert, etwa auf dem … | |
Seoul taz | Als Donald Trump seinem ukrainischen Amtskollegen [1][Wolodymyr | |
Selenskyj im Weißen Haus die Leviten] las, schaute nicht nur Europa dem | |
Schreiduell schockiert zu. Mindestens ebenso aufgerüttelt reagierten die | |
US-Verbündeten im Indo-Pazifik, allen voran Südkorea. Denn in Seoul | |
interpretierte man das Schicksal Kyjiws als Spiegelblick in die potenziell | |
eigene Zukunft. | |
„Es gibt keine Garantie dafür, dass Trump mit seiner transaktionalen | |
Diplomatie Südkorea nicht auch auf dieselbe Weise behandeln wird“, sagte | |
der Sicherheitsexperte Lim Eul-chul vom Institute of Far Eastern Studies in | |
einem Interview mit der Korea Times. | |
Das Land am Han-Fluss befindet sich schließlich in einer prekären | |
Situation: in direkter Nachbarschaft mit den autokratischen Großmächten | |
China und Russland, und zudem wird es ganz direkt vom nordkoreanischen | |
Atomwaffenarsenal bedroht. Seit dem Koreakrieg (1950–53), während dem | |
Zehntausende US-Soldaten ihr Leben für die Freiheit der Republik Korea | |
opferten, verließ man sich in Seoul bisher blind auf die | |
Sicherheitsgarantien seines engsten Verbündeten. Das taten im Übrigen nicht | |
nur das traditionell US-freundliche konservative Lager, sondern auch die | |
Linken. Mit Donald Trump jedoch könnte nun eine radikale Zeitenwende | |
gekommen sein. | |
Ein Kolumnist der konservativen Chosun Ilbo, immerhin der einflussreichsten | |
Tageszeitung des Landes, bezeichnete Trump am Dienstag als „mafiösen | |
Geschäftemacher“. Und er fragt sich besorgt, ob auch [2][Nordkoreas | |
Diktator Kim Jong Un] schon bald eine ähnliche „Sonderbehandlung“ erhalten | |
wird wie Wladimir Putin. Dann könnten Trump und Kim über das Schicksal der | |
koreanischen Halbinsel entscheiden – über die Köpfe der Südkoreaner hinweg. | |
## Umfragen: Mehrheit der Südkoreaner für Atombombe | |
„Der rücksichtslose Umgang der Trump-Regierung mit der Glaubwürdigkeit und | |
Verlässlichkeit der USA als transatlantischer Bündnispartner löst auch in | |
Seoul Besorgnis aus“, sagt Mason Richey, Politikwissenschaftler an der | |
Hankuk University of Foreign Studies in Seoul. Und diese Besorgnis hat nun | |
eine Debatte in den gesellschaftlichen Mainstream gerückt, die vor wenigen | |
Jahren noch als radikale Idee erschien: die Frage nach einer | |
südkoreanischen Atombombe. | |
„Für Südkorea ist es unerlässlich, über eigene Atomwaffen zu verfügen, um | |
auf die nukleare Bedrohung aus Nordkorea zu reagieren“, sagte zu Beginn der | |
Woche Cheong Seong-chang in einem Interview mit der südkoreanischen | |
Tageszeitung Money Today. Der Forscher vom Sejong-Institut gilt als größter | |
Verfechter einer südkoreanischen Atombombe. | |
Doch er steht damit längst nicht mehr alleine da: Laut repräsentativen | |
Umfragen befürworten seit letztem Jahr bis zu Dreiviertel aller Südkoreaner | |
ebenfalls ein eigenes Atomwaffenprogramm, wobei die Zustimmungswerte | |
teilweise stark schwanken. Fakt ist jedoch: Trump hat die existenziellen | |
Urängste der Menschen in Südkorea wieder ins Bewusstsein gespült. | |
Zumal auch Machthaber Kim Jong Un derzeit ganz offensichtlich sein | |
Atomprogramm trotz anhaltender Sanktionen weiter ausbaut. Erst am Montag | |
sagte Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen | |
Atomenergie-Organisation (IAEO) mit Sitz in Wien, dass das nordkoreanische | |
Regime an mindestens zwei Standorten weiterhin Urananreicherungsanlagen | |
betreiben würde. | |
## Südkorea soll mehr für US-Unterstützung zahlen | |
Ob Trump den jahrzehntealten US-Verbündeten Südkorea im [3][Ernstfall | |
ebenfalls hängen lassen würde wie die Ukraine], lässt sich kaum seriös | |
prognostizieren. Doch der Republikaner hat in der Vergangenheit bereits | |
mehrfach angedroht, die derzeit rund 28.500 in Südkorea stationierten | |
US-Soldaten vollständig abzuziehen, wenn Seoul nicht mehr für deren Präsenz | |
zahlt. Und „mehr“ bedeutet konkret: zehn Milliarden US-Dollar jährlich – | |
also das Zehnfache von dem, was die südkoreanischen Steuerzahler derzeit | |
schultern. | |
Um sich nicht von der transaktionalen Dschungeldiplomatie Trumps | |
vollständig abhängig zu machen, scheinen eigene Atomwaffen tatsächlich als | |
verlockende Lebensversicherung. Doch diese müsste Südkorea mit einem hohen | |
Preis bezahlen: Der politische Imageschaden wäre massiv, und die folgenden | |
ökonomischen Sanktionen würden die exportgetriebene Volkswirtschaft schwer | |
belasten. | |
Vor allem aber wäre durch Südkoreas Vorpreschen die sprichwörtliche Büchse | |
der Pandora geöffnet: Möglicherweise könnten sich nämlich weitere | |
US-Alliierte im Indo-Pazifik ebenfalls ermutigt fühlen, eine eigene | |
Atombombe zu entwickeln. China würde die Entwicklung zudem als Affront auf | |
seine nationale Interessen werten – und die atomare Aufrüstung der | |
Volksbefreiungsarmee mit noch rascherer Geschwindigkeit als bereits jetzt | |
vorantreiben. | |
4 Mar 2025 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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